Klarer kann man es kaum formulieren: Die Europäische Union sei ein Markt direkt vor der Haustür, bereit, von den britischen Firmen erobert zu werden. Der Mitgliedsbeitrag, den Großbritannien dafür zahle, sei doch ziemlich gering, jedenfalls im Vergleich zum Zugang zum Europäischen Binnenmarkt, den das Land dadurch erhalte.
Boris Johnson fand damals aber noch andere gute Gründe für den Verbleib in der EU: Man dürfe Wladimir Putin nicht ermutigen, man müsse gemeinsam den wild gewordenen russischen Präsidenten im Zaum halten. Und: Wenn nur die Engländer für den Brexit stimmten, würde dies womöglich zum Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs führen, weil die Schotten in der EU bleiben möchten. Und außerdem würden fast alle Experten vor einem Schock für die Wirtschaft nach dem Verlassen der EU warnen.
So heißt es in einem Text, den der heutige Außenminister und frühere Londoner Bürgermeister im Februar für seine regelmäßige Kolumne im "Daily Telegraph" geschrieben hatte. Er hatte damals aber noch einen zweiten Text für diese Kolumne verfasst, mit allen Argumenten für den Brexit. Nur der wurde im Telegraph veröffentlicht. Johnson hatte sich damit entschieden: für den Austritt aus der EU.
Warum aber dann dieser zweite Text Pro-EU, der jetzt erst das Licht der Öffentlichkeit erblickte? Johnson sagt dazu heute: "Damals im Februar habe ich, wie auch viele andere in diesem Land, um meine Entscheidung gerungen. Deshalb habe ich ein langes Stück geschrieben, das klar für das Verlassen der EU ausfiel. Ich dachte mir aber, ich müsste mir auch nochmal über die Alternative klar werden. Dann habe ich mir beide angeschaut und es war völlig klar, was das Richtige zu tun jetzt war."
"Die Menschen haben die richtige Entscheidung getroffen"
Und so landete Johnson im Lager der "Leave"-Kampagne. Nicht nur das - er wurde der Star dieser Kampagne. Denn neben eher langweiligen Politikern wie Ex-Justizminister Michael Gove und dem UKIP-Führer Nigel Farage, der nur den rechten Rand des politischen Spektrums überzeugen konnte, erzielte der populäre Blondschopf Johnson Wirkung in allen politischen Lagern. Und kämpft jetzt als Außenminister für den Brexit.
Die Menschen hätten die richtige Entscheidung getroffen. Sie hätten klar für den Austritt gestimmt, und die Regierung werde aus dem Brexit jetzt einen Erfolg machen, so Johnson heute. Viele Beobachter meinen, Johnson sei nur für den Brexit eingetreten, weil David Cameron für den Verbleib in der EU gekämpft habe, und er den Premierminister nach dessen Rücktritt beerben wollte. Dabei hatte Johnson im Februar noch den großen Verhandlungserfolg Camerons in Brüssel gewürdigt. Cameron sei der erste britische Premierminister, der es geschafft habe, Großbritannien aus einer immer engeren Europäischen Union herauszuhalten. Das stand allerdings nur in dem Text, der damals nicht veröffentlicht wurde.