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Brexit
Britische Landwirte hoffen auf Brüssel

Die Übergangsphase des Brexit geht noch bis zum Ende des Jahres. Doch die Bauern im Königreich machen sich schon jetzt Sorgen um die Zeit danach. Es geht um Hunderttausende Arbeitsplätze und nicht zuletzt um das Wohl der Tiere.

Von Lukas Scheid |
Schafe und eine Schaffarm im Nationalpark Brecon Beacons in Wales.
Die Bauern sorgen sich um die Auswirkungen des Brexits auf die britische Agrarwirtschaft (imago stock&people)
Mit zwei schweren Eimern in den Händen steigt Brian Bowen über den Zaun zu seinen Schafen. Die Tiere blöken, denn es ist Fütterungszeit und so bildet sich schnell ein wolliger Schafspulk um den 60-jährigen Landwirt. Auf den saftig grünen Hügeln am Rande des Brecon Beacons National Park im Süden von Wales kümmert sich Brian Bowen um rund 1500 Schafe und 200 Kühe für die Fleischproduktion.
"Es ist ein sehr traditioneller und simpler Beruf mit niedrigem Lohn. Aber es ist auch ein Lebensgefühl. Entweder du liebst es oder du hasst es."
In letzter Zeit fällt es Brian Bowen immer schwerer, die Landwirtschaft zu lieben. Die ungewisse Zukunft der Branche macht ihm zu schaffen, denn er fürchtet die Auswirkungen des Brexits und das Ausscheiden des Königreichs aus dem Binnenmarkt der EU.
"Wir machen uns Sorgen, dass wir unsere Produkte nicht mehr in die EU verkaufen können."
Brian Bowens Lamm- und Rindfleisch wird nämlich zu großen Teilen exportiert. Der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist enorm wichtig für die britische Wirtschaft. 2019 wurden Agrarprodukte im Gesamtwert von 26 Milliarden Euro aus Großbritannien ins Ausland verkauft – fast dreiviertel davon in die Mitgliedsländer der EU.
Druck auf Kosten und Produktionsstandards
Falls es kein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien gibt, droht dieser Anteil mit dem Ende der Übergangsfrist im Dezember 2020 kleiner zu werden oder gar ganz wegzufallen. Für Exporte in die EU wären dann Zölle fällig. Dafür macht Brian Bowen auch seine eigene Regierung verantwortlich.
"Es geht hier ja nicht nur um ein paar Lebensmittel. Es sind riesige Mengen, die dann an der Grenze auf den Transport warten müssen. Und weil die Regierung das Problem nicht löst, kann die Ware nicht exportiert werden, da Zölle sie verteuern."
Deswegen will Premierminister Boris Johnson zukünftig Handelsabkommen mit Drittstaaten abschließen, mit Australien und den USA wird bereits verhandelt. Dorthin könnte britisches Fleisch künftig zollfrei exportiert werden. Jedoch würden solche Abkommen vermutlich auch Billigimporten mit niedrigeren Standards die Tür zum britischen Markt öffnen. Um britische Produkte wettbewerbsfähig zu halten, müssten die Kosten und Produktionsstandards in Großbritannien gesenkt werden. Das hätte wiederum Auswirkungen auf das Tierwohl und die Natur.
Dabei gibt es aber ein Problem: Aktuell lasse das Gesetz eine Reduzierung der Produktionsstandards nicht zu, betont Agrarwissenschaftler David Rose von der University of Reading.
"Vor allem Fleischbauern müssten also mit ihrer hohen Qualität und hohen Preisen in den Wettbewerb gehen. Sie könnten nicht mit Brasilien oder Argentinien und deren niedrigen Tierhaltungsstandards konkurrieren."
Deswegen wird auch über ein Verbot für die Einfuhr von Billigware diskutiert. Jedoch hat das britische Parlament, in dem Boris Johnsons Tory-Partei die Mehrheit hat, erst kürzlich einen Gesetzeszusatz abgelehnt, der Billigimporte grundsätzlich verboten hätte. Ohnehin seien solche Ausnahmen für bestimmte Produkte eher unrealistisch, sagt Agrarforscher David Rose. Bei Freihandelsabkommen würde über alle Waren geredet.
Landwirte hoffen auf Brüssel
Aus Sicht des Wissenschaftlers ist ein Abkommen mit der EU die beste Lösung. Und je weniger sich dadurch im Vergleich zur aktuellen Situation ändern würde, desto besser für die britischen Landwirte:
"Wir brauchen ein Freihandelsabkommen mit der EU, das niedrige oder gar keine Zölle vorsieht. Es muss die Landwirte davor schützen, von Billigimporten erdrückt zu werden. Es muss die Produzenten berücksichtigen und die britischen Standards aufrechterhalten."
Das sehen auch der Dachverband der walisischen Farmer und Brian Bowen so. Landwirt Bowen ist überzeugt, dass die EU die Qualität der Lebensmittel besser schütze als die britische Regierung.