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Brexit
Britischer Immobilienmarkt unter Druck

Die Briten sind ein Volk der Hauskäufer – 65 Prozent von ihnen besitzen Wohneigentum. Vor dem Brexit wurden sie allerdings gewarnt: Die Immobilien könnten an Wert verlieren. Der Immobilienmarkt scheint vier Wochen nach dieser Prognose tatsächlich schwieriger zu werden. Doch liegt es nicht nur an den Folgen des Referendums.

Von Sandra Pfister |
    Stadtbild von London
    Seit der Finanzkrise sind Wohnungen in London jedes Jahr um acht bis 13 Prozent teurer geworden. (AFP / Rob Stothard)
    "Wenn wir die EU verlassen, wird das zur Folge haben, dass der Wert von Häusern und Wohnungen hier sinkt, um mindestens zehn Prozent, bis zu 18 Prozent. Gleichzeitig werden Immobilienkredite teurer werden, die Zinsen werden steigen. Manche Leute sagen: Das ist es uns aber wert."
    Die Londoner Börse schien Osborne schon am Tag nach dem Referendum Recht zu geben. Die Aktien von Bau- und Immobilienunternehmen gehörten zu den größten Verlierern. Der Markt für Immobilien scheint, etwas schwieriger zu werden.
    Das bestätigt auch der sogenannte Residential Survey des Immobilienverbandes "Royal Institute of Chartered Surveyors". Simon Rubinsohn sagt: Käufer und Verkäufer halten sich zurück: "Unser Indikator, der Verkäufe und Preise vorhersagt, suggeriert, das weiterhin gedämpfte Stimmung herrschen wird über den Sommer hinweg und bis in den Herbst hinein."
    Rücktrittsklausel für den Fall eines Brexit
    Schon vor der Volksabstimmung wurden viele Kaufverträge mit einer Rücktrittsklausel für den Fall eines Brexit versehen. Aber auch eine saftige Erhöhung der Grunderwerbssteuer trägt dazu bei, dass erstmals seit Jahren die Preise für Wohnungen wieder fallen könnten.
    Simon Rubinsohn: "Ich glaube, es führt ein wenig in die Irre, nur dem Brexit und der Politik die Schuld zuzuschieben für diesen Einbruch auf dem Hausmarkt. Das erste Quartal war sehr stark, weil Investoren und die, die eine Zweitimmobilie kaufen wollten, das noch schnell tun wollten, bevor die Grunderwerbssteuern gestiegen sind."
    Schwächer da stehen auch die Immobilienfonds. Seit dem Brexit haben Investoren viel Geld abgezogen – so viel, dass sieben offene Immobilienfonds, darunter auch der größte, M&M Property Portfolio, derzeit keine Anteile mehr zurücknehmen – de facto also Investoren nicht mehr auszahlen. Das erinnert an die Finanzkrise 2007 und 2008. Und auch das Verbrauchervertrauen ist bei der ersten Umfrage nach dem Brexit deutlich abgesackt.
    Doch diesmal, sagen Analysten, sei es bei Weitem nicht so schlimm; nicht zuletzt, weil sich vorwiegend Privatanleger zurückzögen, nicht institutionelle Investoren. Doch wenn Großbritannien erst einmal raus ist aus der EU, sinkt mit großer Wahrscheinlichkeit auch die exklusivste Londoner Lage im Wert.
    Judith Evans, Immobilien-Expertin der "Financial Times": "Analysten der Bank of America und von Merrill Lynch sind pessimistischer. Sie sagen einen zehnprozentigen Einbruch im kommenden Jahr voraus."
    Damit geht jetzt vielleicht erst mal ein jahrelanger Boom zu Ende. Denn niedrige Zinsen in Europa und den USA haben reiche Saudis, Chinesen und Russen en masse angelockt. Vor allem deshalb sind seit der Finanzkrise Wohnungen in London jedes Jahr um acht bis 13 Prozent teurer geworden.
    "London ist eine einzige Blase"
    Die Blase, sagt ein Immobilienmanager, der in den besten Lagen Londons kauft und verkauft, diese Blase müsse ohnehin mal platzen.
    "Eigentum ist im Moment sowieso total überbewertet, London ist eine einzige Blase. Die Immobilienpreise müssen sowieso mal runter, denn der durchschnittliche Arbeitnehmer kann sich überhaupt kein Haus mehr leisten. Alle sieben oder acht Jahre haben wir mal einen Crash, hier im Vereinigten Königreich. In Deutschland ist das anders. Bei uns sind die Preise oft aufgeblasen. Und wenn der Crash kommt, dann ist das eher eine Gelegenheit, noch mehr Wohnungen zu kaufen."