Jubel auf der einen Seite, Stirnrunzeln auf der anderen - es waren am Ende 45 Stimmen , die Theresa May gefehlt haben - bei einer Abstimmung, die noch vor zwei Tagen eher als eine Formaache eingestuft worden war. Jetzt also ein deutlicher Dämpfer für die britische Regierungschefin. Für Jeremy Corbyn von der Opposition, von der Labour-Partei – für den war das ein Abend zum Feiern:
"Dieses Votum zeigt, die Premierministerin hat keine Mehrheit für ihrem Kurs – sie hat hier im Parlament schon wieder verloren – diese Regierung kann ab sofort nicht so einfach so weiter planlos vor sich hin arbeiten - bis zum 29. März."
Keine Auswirkungen auf praktische Regierungsarbeit
Theresa May selbst war bei dieser Abstimmung im Unterhaus übrigens gar nicht dabei, aber sie hat anschließend schriftlich mitgeteilt, dass sie Jeremy Corbyn und das Nein seiner Labour-Partei für diese Niederlage verantwortlich macht. Praktische Auswirkungen auf die Regierungsarbeit in London hat dieses Ergebnis jetzt erst mal nicht, die Premierministerin bleibt im Fahrersitz – und Theresa Mays Verbündete haben natürlich versucht, dieses Ergebnis in allen Fernsehinterviews klein zu reden - hier James Cleverly, der Vize-Chef der Konservativen:
"Man kann aus diesem Ergebnis nicht allzu viel ableiten – die eigentlich wichtige Abstimmung hatten wir vor zwei Wochen – da hat das Parlament erklärt, dass es den Backstop für die irische Grenze nicht unterstützt. Und wenn die Regierungschefin daran etwas ändern kann, dann kann sie im Unterhaus wahrscheinlich auch eine Mehrheit gewinnen. Theresa May wird weiter mit der EU verhandeln, damit wir Ende März austreten."
Immer mehr Feinde in der eigenen Fraktion
Allerdings, auch das steht fest: Mögliche Nachverhandlungen in Brüssel werden für Theresa May jetzt noch schwieriger. Diese erneute Niederlage zeigt ihren Verhandlungsparteien in der EU einmal mehr: Theresa May hat bei entscheidenden Fragen keine Mehrheit im Parlament – und sie schätzt die Stimmung unter den Abgeordneten völlig falsch ein. Das macht Zugeständnisse von Brüsseler Seite extrem schwer. Für viele Beobachter in London zeigt sich hier aber noch etwas anderes: Die konservative Regierungschefin hat immer mehr Feinde in ihrer eigenen Fraktion, eine wachsende Gruppe von Parlamentariern, für die einen No Deal eine völlig vertretbare, vielleicht sogar eine willkommene Lösung wäre. Das sind die, die heute mit nein gestimmt oder sich enthalten haben. Einer von ihnen ist der Konservative Steve Baker:
"In dieser Abstimmung wollte die Regierung einem No-Deal-Brexit eine Absage erteilen – und in diese Position wollen wir uns nicht reinzwingen lassen. Deshalb haben wir uns enthalten. Wenn es darum geht, den Backstopp abzuräumen, dann bleiben wir auf der Seite der Regierung – aber einen No-Deal-Brexit darf sie auch nicht ausschließen."
Vertreter eines harten Brexits sehen sich gestärkt
Die kommenden zwei Wochen werden für die britische Regierung nun entscheidend – denn für ende Februar ist eine weitere Abstimmung über die Brexit-Strategie angekündigt – dann gibt es auch weitere Möglichkeiten für die Abgeordneten den EU-Austritt zu verzögern oder zu verändern, oder ein weiteres Referendum anzuschieben. Da werden schon jetzt erste Bündnisse zwischen Labour und Tory-Abgeordneten geschmiedet. Aber auch die Vertreter eines harten Brexits betrachten sich nach diesem Abend gestärkt – sie sehen sich als eine Art Lordsiegel-Bewahrer des Referendums von 2016. Die Fronten verhärten sich also – und die Uhr tickt – bis zum Brexit bleiben sechs Wochen.