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Brexit-Folgen für Unternehmen
Kaum Einschränkungen - aber auch keine Freiheiten

Großbritannien wollte aus der EU austreten, um mehr Freiheit zu gewinnen. Im aktuellen Entwurf zum Brexit ist davon wenig zu sehen. Für britische Unternehmen könnte das aber sogar eine gute Nachricht sein, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Denn diese könnten im Gegenzug ihre Handelsprivilegien behalten.

Ulrich Kater im Gespräch mit Dorothee Holz |
    Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, und EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani halten in Straßburg den Entwurf des Brexit-Vertrags in den Händen.
    Hart erarbeitet und dennoch vielleicht schon wieder fast überholt: EU-Chefunterhändler Michel Barnier und EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani mit dem Entwurf des Brexit-Vertrags. (AFP/FREDERICK FLORIN)
    Dorothee Holz: Es gibt nun Einigung zwischen der EU und London. Das betrifft auch die britischen Unternehmen und vor allem die Finanzwirtschaft, die ja für die Insel von enormer Bedeutung ist. Die britische Finanzaufsicht spricht gerade mit Banken über die Lage an den Finanzmärkten. Bei mir ist der Chefvolkswirt der DekaBank, Ulrich Kater. Herr Kater, für die Finanzbranche geht es um richtig viel. Passporting-Regelungen würden ersetzt durch sogenannte Äquivalenzregeln. Was heißt das, was bedeutet das?
    Äquivalenz-Regime wäre deutlich fragiler
    Ulrich Kater: Bisher ist es so, dass eine Finanzfirma im gesamten europäischen Wirtschaftsraum, also in der ganzen Europäischen Union, einheitlich ihre Leistungen anbieten kann. Tritt das britsiche Königsreich aus, dann gilt das nicht mehr. Ein Äquivalenz-Regime bedeutet nun, dass man sagt: Ja, es dürfen auch noch selektiv dort Finanzdienstleistungen grenzüberschreitend angeboten werden, wo die Regulierungsregeln dahinter gegenseitig kompatibel sind. Das ist ein sehr viel fragileres System. Da kann man dann auch mal sagen, nein, hier passen uns die und die Regeln des Nachbarlandes nicht mehr und deswegen werden die und die Finanzdienstleistungen verboten.
    Holz: Heißt das, dass der Finanzplatz London dann nachhaltig geschwächt werden könnte? Und trifft das auch die Bürger hüben wie drüben?
    Finanzplatz London macht Geschäft vor allem jenseits der EU
    Kater: Naja, eine Möglichkeit ist dann, Tochterfirmen auf dem Kontinent zu gründen. Das ist ja auch teilweise schon in Gange. Es ist natürlich das, was dem Finanzplatz London nun nicht gerade in den Kram passt. Nun muss man aber sehen, dass London nicht vom Finanzgeschäft des Kontinents hier in Europa lebt, sondern von den internationalen Kapitalmärkten, die wesentlich größer sind, gerade die angelsächsischen Märkte. Und da hat London eine dominierende Stellung hier in der europäischen Zeitzone, das bleibt natürlich erhalten. Aber eine gewisse Schwächung wird das schon bedeuten.
    Holz: Schauen wir auf andere Industriezweige. Großbritannien ist gerade dabei, seine Industrie wiederzubeleben. Wenn aus der EU-Mitgliedschaft eine Zollunion wird, was ändert sich dann zum Beispiel für die Autoindustrie?
    Marktzugang gegen Regulierung - so lautet der Deal
    Kater: In der Zollunion wird sich erstmal sehr wenig ändern; wie sowieso in der Übergangszeit in den nächsten zwei, drei Jahren nach dem Brexit alles beim Alten bleibt. Weil im Grunde genommen muss man ja einen Freihandelsvertrag aushandeln, das dauert fünf Jahre und alles andere bis dahin sind Behelfsmaßnahmen. In der Zollunion ändert sich für die Industrie generell, auch für die Automobilindustrie, möglichst wenig, aber eben auch zu einen hohen Preis. Großbritannien muss für die Mitgliedschaft in der Zollunion alle Regulierungen aus Brüssel weiterhin übernehmen und das zeigt eben, wie gering die Spielräume des Vereinigten Königreichs nach dem Brexit sind. Zumindest nach dem Deal, wie er jetzt niedergeschrieben wird und das erklärt auch, warum es hoch her geht in London.
    Holz: Schauen wir uns noch den Dienstleistungsbereich an, auch sehr wichtig, gerade für Großbritannien: Da stehen wohl auch einige Einschränkungen an. Könnten Sie uns da Beispiele nennen?
    Jede Branche muss eigene Regeln aushandeln
    Kater: Das ist jetzt Gegenstand dieses Freihandelsabkommens, wo jede einzelne Branche danach durch verhandelt wird, was möglich ist und was nicht möglich ist und auch da wird es genauso sein: Es gibt so weitgehende Freiheiten für britische Firmen auf dem Kontinent nur dann, wenn die Briten bereit sind, die Regulierung auf dem Kontinent eben auch zu übernehmen. Das ist der generelle Deal. Überall dort, wo Großbritannien nicht dazu bereit ist, wird es Einschränkungen gebne. Ob das im Bereich von Flugleistungen, Reiseleistungen oder im Bereich von Beratungsdienstleistungen oder von Finanzdienstleistungen ist. Das wird einzeln abgearbeitet und das ist eine sehr, sehr langwierige Sache, das wird die nächsten fünf Jahre benötigen mindestens.
    Großbritannien in schwacher Verhandlungsposition
    Holz: Jetzt haben wir aber tatsächlich eine andere Lage. Sie haben den Deal vorausgesetzt und einen chaotischen Brexit bisher ausgeschlossen. Aber die Unsicherheit steigt, das Kabinett scheint sich gerade aufzulösen und laut Labour auch der Deal. Also doch wieder alles auf Anfang?
    Kater: Das kann durchaus sein, weil die Freiheiten, die sich Großbritannien versprach vom Brexit, sind in diesem Deal überhaupt nicht vorhanden. Da zeigt sich, dass Großbritannien eine sehr, sehr kleine Verhandlungsmacht hat und die Europäer haben sich auf ganzer Linie durchgesetzt. Und dass das in London nicht gut ankommt, ist verständlich. Insofern ist es unsicher, ob der Deal durchgeht.
    Holz: Vielen Dank, dass war Ulrich Kater von der DekaBank.