Giegold reagierte mit Skepsis auf die neuerlichen Pläne von Premierminister Boris Johnson, wonach die Grenzkontrollen auf der irischen Insel auch ohne Backstop vermieden werden könnten. Demnach soll Nordirland auch nach dem Brexit zunächst die EU-Standards und -Vorschriften für Waren einhalten. Damit wären aus Sicht der Regierung in London regulatorische Kontrollen für den Warenhandel an der Grenze unnötig.
"Johnsons Vorschlag würde dazu führen, dass die Verpflichtung Großbritanniens, Teil des EU-Binnenmarktes zu sein, nur für kurze Zeit festgeschrieben ist. Das war schon damals eine sanfte Version der Angleichung der Regeln und würde nur für vier Jahre gelten. Danach könnte es logischerweise wieder zu harten Grenzkontrollen kommen", sagte Giegold.
Kritisch sein im Ungang mit freiem Kapitalverkehr
Auch seien die Sorgen berechtigt, dass Johnson und die britischen Konservativen aus ganz Großbritannien eine Steueroase machen wollten und dies nicht etwa nur auf die Insel Guernsey zu beschränken. "Die Gefahr besteht natürlich. Das Parlament hat mehrfach klargemacht, dass die Absenkung der Steuerstandards bei gleichzeitiger Freiheit des Kapitalverkehrs nicht akzeptabel ist", sagte der Europaparlamentarier.
Die City of London sei der wichtigste Finanzplatz in Europa. "Davon haben wir auch Vorzüge, das darf aber nicht missbraucht werden, um Steuerdumping zu betreiben. Das hat man leider den Briten schon bisher durchgehen lassen, und wenn jetzt jeder Regelungsrahmen durch einen Brexit nicht mehr gilt, dann muss man umso kritischer sein, was die Freiheit des Kapitalverkehrs angeht", so Giegold.
Populistische Versprechungen von Johnson und Co.
"Es sind populistische Versprechungen gemacht worden, nämlich dass man die intensiven Handelsbeziehungen mit Europa aufrecht erhalten könne und gleichzeitig seine eigenen Handelsverträge, seine eigenen Steuerregeln, seine eigenen Finanzmarktregeln ohne den gemeinsamen Regelungsrahmen in Europa noch beachten zu müssen. Das geht eben nicht."
"Wir wollen freien und offenen Waren- und Dienstleistungsverkehr auch in Zukunft. Dafür muss es auch gemeinsame Standards geben. Das gilt übrigens auch für Handelsverträge mit dem Rest der Welt", sagte der Grünen-Politiker.
Als positiven Schritt bezeichnete Giegold die Maßnahme von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, neue Kandidaten für das Kommisionsamt zu suchen, nachdem beim ungarischen Bewerber und der rumänischen Bewerberin Interessenkonflikte ausgemacht worden seien. "Es zeigt die Stärke des Europa-Parlamernts", sagte Giegold.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.