Die Staats- und Regierungschefs hatten auf dem Sondergipfel der 27 EU-Staaten einstimmig Leitlinien für die Verhandlungen mit Großbritannien beschlossen. Die entscheidende Sitzung hatte nur 15 Minuten gedauert. "Einheit in Aktion" - "Unity in action" - mit diesen Worten kommentierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Gipfelbeschluss auf Twitter.
Ratspräsident Tusk sagte, diese "bemerkenswerte Einigkeit" sei ein gutes Vorzeichen für den Verlauf der Austritts-Gespräche. Oberste Priorität für die EU hätten die Rechte der 4,5 Millionen Menschen, die vom Brexit direkt betroffen seien, weil sie als EU-Bürger in Großbritannien oder als Briten in der EU leben. Die Union brauche von der britischen Regierung konkrete Garantien, dass EU-Bürger weiter in Großbritannien leben, arbeiten und lernen könnten.
Kommissionspräsident Juncker unterstützte dies und sprach zudem den Streitpunkt Finanzen an. Er forderte Großbritannien auf, seine Blockade zügig aufzugeben. Die finanziellen Forderungen der EU werden auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt.
Austritt wird nur als Ganzes verhandelt
In den Leitlinien betonen die Staats- und Regierungschefs, dass der Brexit als Ganzes verhandelt werden soll. Kein einzelnes Thema werde ausgeklammert oder vorab geregelt: "Nothing is agreed until everything is agreed" - Nichts ist vereinbart, bevor nicht alles vereinbart ist. Der Zeitraum für die Gespräche, der durch den EU-Vertrag auf zwei Jahre festgelegt ist, wird auch in den Leitlinien noch einmal genannt: "Dieser Zeitrahmen endet am 29. März 2019."
Zentraler Punkt ist demnach die Forderung, in zwei Phasen zu verhandeln. Zuerst müssten Fragen des Austritts ausreichend geklärt sein, bevor die EU mit Großbritannien über die künftige Zusammenarbeit verhandele. Dies betonte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Gipfel. Sie nannte die Einigkeit der EU in diesen Belangen erstaunlich und erfreulich. Niemand habe sich gegen Großbritannien verbündet, aber die EU der 27 werde mit einer Stimme sprechen und ihre Interessen vertreten, so wie Großbritannien seine Interessen vertrete, erklärte Merkel.
Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel sagte im Deutschlandfunk, er halte den Austrittsantrag der Briten für einen schweren Fehler. Wenn Großbritannien den Binnenmarkt jetzt im Grunde beibehalten wolle, nur ohne die Arbeitnehmerfreizügigkeit, dann müsse die EU "mit absoluter Härte" verhandeln: "Hier darf es überhaupt keine Kompromisse und keine Tabus geben."
Scheitern nicht ausgeschlossen
In den nun beschlossenen Leitlinien wird auch ein möglicher Abbruch der Gespräche erwähnt. Die EU werde hart dafür arbeiten, ein faires Ergebnis zu erreichen. Man werde sich aber auch darauf vorbereiten, mit der Situation umgehen zu können, sollten die Verhandlungen scheitern.
Die Einzelheiten sollen nun die Europaminister der Staaten ausarbeiten und im Mai darüber einen weiteren Beschluss fassen. Die Gespräche mit London könnten dann nach den vorgezogenen britischen Wahlen vom 8. Juni beginnen.
(riv/mw)