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Brexit
In Brüssel startet die entscheidende Verhandlungsrunde

Spätestens im November sollen die Austrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU beendet sein. EU-Chefunterhändler Michel Barnier betont, dass man sich über einen großen Teil bereits geeinigt habe. Doch Kernprobleme sind nach wie vor ungelöst.

Von Peter Kapern |
    Michel Barnier, der Chefunterhändler der EU, zeigt einen Entwurf für das Austrittsabkommen Großbritanniens
    Michel Barnier, der Chefunterhändler der EU, zeigt einen Entwurf für das Austrittsabkommen Großbritanniens (imago/CTK Photo)
    Die Brexit-Verhandlungen laufen schon so lange, dass sich bei den Pressekonferenzen, die zum Abschluss einer jeden Verhandlungsrunde abgehalten werden, bereits Rituale herausgebildet haben. Jedes Mal greift Michel Barnier, der Chefunterhändler der EU, zu einer schmalen Akte, die von einem Heftrücken zusammengehalten wird. Der Entwurf für ein Abkommen, das den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU regelt. Dann spielt Barnier mit dem Papier Daumenkino, damit die Fotografen und Kameraleute festhalten können, dass der größte Teil des Textes mit einem Stift grün markiert ist. Und grün heißt: In all diesen Punkten besteht Übereinstimmung mit London:
    "Lassen Sie uns nicht vergessen, dass wir schon über einen großen Teil des Austrittsabkommens Übereinstimmung erzielt haben. Über einen sehr großen Teil, mehr oder weniger 80 Prozent."
    Ein wenig Hoffnung darauf, dass es nicht zu einem harten No-Deal-Brexit geht
    Grün ist also die Farbe der Hoffnung. Der Hoffnung, dass es doch nicht zu einem harten No-Deal-Brexit, einem Austritt ohne jede Übereinkunft kommt. Mehr als Hoffnung ist da allerdings bisher nicht. Erst kamen die Verhandlungen nicht von der Stelle, weil die zerstrittene britische Regierung sich nicht auf ein Verhandlungsziel verständigen konnte. Dann legte London ein sogenanntes Weißbuch vor mit einer Skizze für die Beziehungen zwischen der Insel und den EU-27 in der Zeit nach dem Brexit.
    Ein Papier, das aus Sicht der EU eher in Utopia als in London geschrieben worden war, voller Vorschläge, die für die EU entweder nicht praktikabel oder nicht akzeptabel sind. Zum Beispiel der Vorschlag einer künftigen Zollkooperation, der darauf hinausläuft, dass an allen Außengrenzen der EU und in Großbritannien zwei Zollsätze gelten sollen: Einer für Waren, die in die EU geliefert werden sollen, und einer für Waren, die auf die Insel sollen. Daniel Caspary, Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament:
    "Aus meiner Sicht taugen diese Vorschläge nicht viel. Der Vorschlag, den die Briten gemacht haben, nämlich dass man unterschiedliche Zölle an den Häfen benutzt, das ist doch ein abstruser Vorschlag. Damit ist der Umgehung unterschiedlicher Zölle doch Tür und Tor geöffnet. Und weil es dann keine Grenzkontrollen gibt, kann man den Betrug gar nicht kontrollieren."
    Kernprobleme des Brexits sind nach wie vor ungelöst sind
    Es bleibt also dabei: Die Kernprobleme des Brexits sind nach wie vor ungelöst sind. Beide Seiten brauchen eine Lösung für die Grenze zwischen Irland und Nordirland. Die wird mit dem Brexit zur Außengrenze, die also kontrolliert werden muss. Gleichzeitig wollen beide Seiten Grenzkontrollen verhindern, damit der fragile Friede in Nordirland nicht gefährdet wird. Wie das gehen soll, weiß bislang niemand. Ohne Vereinbarung in dieser Frage gibt es aber kein Austrittsabkommen. Und ohne Austrittsabkommen, das betont die EU immer wieder, wird es auch keine Vereinbarung über die künftigen Beziehungen geben. Und schon gar nicht zu den Bedingungen, die London im Weißbuch formuliert hat. Großbritannien will weiterhin Mitglied im Binnenmark bleiben, allerdings nur im Binnenmarkt für Waren. Alle anderen Dimensionen des Binnenmarkts, die Freizügigkeit für Kapital, Dienstleistungen und vor allem Menschen, will London nicht. Michel Barnier:
    "Es geht hier nicht um Ideologie oder Dogmatismus. Aber es ist absolut ausgeschlossen, dass die EU es akzeptiert, dass ihr Binnenmarkt destabilisiert wird, nur weil das Vereinigte Königreich austritt."
    So klingt Klartext. Und das war die eigentliche Neuerung der letzten Verhandlungsrunde. Nach den Gesprächen sagten sich Michel Barnier und sein britischer Counterpart Dominik Raab ungeschminkt die Meinung – auf der Bühne des Pressesaals. Man darf annehmen, dass das hinter verschlossenen Türen seit Beginn der Gespräche so ist. Mittlerweile aber lassen die Unterhändler die diplomatischen Konventionen beiseite, sagen unverhohlen auch öffentlich, was sie für akzeptabel, und was sie für inakzeptabel halten. Der Ton ist rauer geworden. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Verhandlungen in die entscheidende Phase eintreten. Im Oktober, spätestens im November, sollen sie beendet werden. Mit Deal – oder ohne.