Dublin vor gut zwei Wochen. Die britische Premierministerin Theresa May steigt aus einer schwarzen Limousine aus und wird vom irischen Ministerpräsidenten Enda Kenny empfangen. Die beiden Regierungschefs tauschen sich zum wiederholten Male über das Thema aller Themen aus: wie kann man dafür Sorge, dass sich trotz Brexit für das Verhältnis zwischen Irland und Großbritannien möglichst wenig verändert?
"Wir sagen klar, dass es keine Rückkehr zu den Grenzen der Vergangenheit kommen soll", versucht Theresa May einmal zu beruhigen. Wir räumen dem gemeinsamen Grenzraum und unseren wirtschaftlichen Beziehungen eine hohe Priorität ein."
Nur: wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr zur EU gehört, wie einfach wird es dann bleiben, zwischen beiden Ländern hin- und herzureisen und noch mehr, zollfreien Handel zu treiben? Dank der EU-Zollunion werden derzeit keine Abgaben beim Handel erhoben. Das soll so bleiben, wünscht sich Enda Kenny. "Gerade bei der Zollunion werden wir jetzt sehr hart dafür arbeiten, dass es keine harten Grenzen gibt, sondern dass der Handel nahtlos und ohne Probleme weiter läuft. Das ist es, was wir wollen."
Komplizierte Nordirland-Frage
Ob Irland das gewünschte Ergebnis bekommt, ist fraglich. Zwischen Großbritannien und Irland schiebt sich nahezu unweigerlich eine Zollgrenze, wenn Großbritannien die EU-Zollunion verlässt. Tony Connelly, der Brüssel-Korrespondent des irischen Rundfunks, ist pessimistisch.
"Unsere Regierung hat zulange darauf beharrt, dass das eine bilaterale Angelegenheit sei. Sie haben nicht genügend hingehört, das die anderen 26 Mitgliedsstaaten bei den Verhandlungen über einen neuen Handels- und Zollvertrag zustimmen müssen."
Großbritannien wird mit der EU zwei Dinge verhandeln: den eigentlichen Brexit und einen neuen Partnerschafts- oder Handelsvertrag mit der EU. Für den Brexit braucht es nur eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten, dem neuen Handelsvertrag aber müssen alle zustimmen. Eine hohe Hürde bleibt außerdem das zweite große Problem neben den Zöllen: die Nordirland-Frage.
"Wir werden bei unseren Brexit-Vorbereitungen genau auf die besondere Situation rund um Nordirland achten", verspricht Theresa May, "damit tausende Bürger weiter jeden Tag zwischen Irland und Nordirland pendeln können."
Wiedervereinigung beider Länder?
Nach einem Brexit wird die Landgrenze zwischen Irland und Nordirland zur EU-Außengrenze. Beim ersten All-Irland-Gipfel schlug der nordirische Sinn-Fein-Parteichef Gerry Adams daher eine radikale Lösung vor: eine Wiedervereinigung beider Länder.
"Wir sollten ein Referendum zu einer irischen Vereinigung nicht ausschließen. Das wäre eindeutig unsere Präferenz. Wir sollten aber auch auf bereits bestehende Vereinbarungen in der EU schauen. Grönland z.B. gehört nicht zur EU, bekommt aber über Dänemark Subventionen von der EU."
Eine Milliarde Euro etwa bekommt Nordirland jährlich an EU-Hilfen – wer zahlt das künftig? Die EU? Ein gemeinsamer Staat mit Irland, wie Adams sich das wünscht, steht nicht an – ebenso nicht die Idee einiger vor allem britischer Brexiteers, auch Irland könne doch die EU verlassen. Bleibt allerdings die Hoffnung, dass Irland unter dem Brexit zwar leiden wird – es aber auch Chancen gibt, wenn Unternehmen z.B. London verlassen und nach Dublin umsiedeln wollen.
"Unsere Mitarbeiter sind in London schon aktiv", vermeldet der irische Außenminister Charles Flanagan. "Wir freuen uns, wenn wir hier unsere Chancen ergreifen können – für unsere Leute und für die, die hierher kommen wollen."