Georg Ehring: Die Börsen haben auf den Verbleib von Großbritannien in der EU gesetzt. Entsprechend groß ist jetzt der Schock. In Frankfurt stürzte der DAX um bis zu zehn Prozent ab, in London der FTSE100-Index um acht Prozent, das britische Pfund verliert. Viele Profis, die mit schnellen Geschäften ihr Geld verdienen, müssen umsteuern. Wie sollte ich denn jetzt als privater Geldanleger auf die Nachrichten aus Großbritannien reagieren? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Niels Nauhauser. Er kümmert sich bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg um das Thema. Guten Tag, Herr Nauhauser.
Niels Nauhauser: Guten Tag, Herr Ehring.
Ehring: Herr Nauhauser, gibt es jetzt auch für Privatleute Grund, zum Beispiel schnell alle Aktien zu verkaufen?
Nauhauser: Nein. Es ist ja ein typisches Ereignis, was immer wieder an den Märkten auftritt: Ein kleiner Schock oder ein großer Schock und dann purzeln die Kurse. Allerdings ist Panik immer ein schlechter Ratgeber gewesen bei der Geldanlage. Unsere Position ist ganz klar: Wenn man breit die Risiken gestreut hat, dann sind die Auswirkungen heute auch für deutsche Anleger nicht sehr groß und sehr überschaubar und dann muss man auf solche Marktreaktionen auch gar nicht reagieren.
Nauhauser: Wer weltweit in Aktien investiert, spürt die Auswirkungen nicht
Ehring: Aber es könnte doch jetzt eine Abwärtsspirale einsetzen, weil es eine neue Entwicklung gibt, die möglicherweise zu einer Kettenreaktion führen kann, auch in der EU zum Beispiel.
Nauhauser: Ja das ist natürlich schon denkbar und solche Risiken sollte man als Anleger auch nie gleich null setzen und komplett ausblenden. Aber man muss auch sehen: Die Wirtschaftsleistung von Großbritannien, gemessen an der Weltwirtschaftsleistung, liegt irgendwo zwischen zwei und drei Prozent. Das ist also relativ überschaubar.
Selbst wenn dort die Wirtschaft jetzt ein bisschen schrumpft, was viele Ökonomen ja prognostizieren, das wird auf die gesamte unternehmerische Aktivität, auf die Gewinnsituation der Unternehmen weltweit wenig Auswirkung haben. Und wenn man sich daran beteiligt als Anleger, indem man weltweit in Aktien investiert, etwa über Aktien-Index-Fonds, die global anlegen, dann spürt man diese Auswirkungen auf lange Sicht nicht.
Ehring: Das heißt, so sichere Häfen wie Anleihen in US-Dollar, Schweizer Franken oder Gold sind jetzt nicht Ihre Empfehlung?
Nauhauser: Nein. Aber es zeigt sich, dass eine Diversifikation über verschiedene Anlageklassen und auch Gold und Staatsanleihen auch heute funktioniert. Die Aktienmärkte brechen zwar ein, aber gleichzeitig steigt der Goldpreis und die Staatsanleihen steigen weiter, obwohl man denkt, selbst in Europa, die sind doch so hoch schon im Kurs und die Zinsen so niedrig, das kann ja gar nicht mehr weiter fallen. Das Gegenteil ist heute passiert: Die Zinsen gehen noch weiter zurück, weil die Kurse der Staatsanleihen noch weiter fallen. Das heißt, Anleger, die hier nicht alles auf eine Karte setzen, sondern die Risiken sehr breit streuen, die können ganz gelassen bleiben.
"Wichtig ist, rauszufinden, was ist die eigene persönliche Risikotoleranz"
Ehring: Wie sieht denn eine Geldanlage aus, die mich in jeder Lage ruhig schlafen lässt?
Nauhauser: Wichtig ist, wirklich erst mal rauszufinden, was ist die eigene persönliche Risikotoleranz. Und wenn man feststellt, das Auf und Ab an den Märkten macht einem nichts aus und man kann auch 50 Prozent Aktienverluste zwischendurch aussitzen und aushalten, dann kann man fast den gesamten Löwenanteil seines Geldes in Aktienmärkte weltweit investieren, vorausgesetzt man nimmt kostengünstige und breit streuende Fonds, beispielswiese Index-Fonds. Dann kann man dazu noch ein bisschen Gold und Staatsanleihen mischen.
Anders ist es, wenn man nicht das Nervenkostüm hat, oder wenn man einen kürzeren Anlagehorizont hat und eine gewisse höhere Sicherheit haben will. Dann muss man die Quote an Aktien begrenzen, zum Beispiel auf 50 Prozent, auf 20, auf 10 Prozent, und dafür die sichereren Anlagen wie Staatsanleihen höherhalten. Aber das Ergebnis ist dann auch: die Rendite ist geringer.
Ehring: Es gibt ja auch deutsche Anleger, die Geld in britischen Banken angelegt haben, in Konten bei britischen Banken. Was heißt denn der Brexit für die Einlagensicherung?
Nauhauser: Das ist ein sehr wichtiges Thema, denn wir haben in der Europäischen Union zwar eigentlich eine überall gleichlautende Regelung. Es muss jedes Land eine Einlagensicherung installieren. Aber faktisch stehen da jeweils unterschiedliche Sicherungstöpfe und unterschiedliche Risiken der Bankenlandschaft dahinter. Das heißt, den Verbrauchern wird vorgegaukelt ein Stück weit, es ist überall in der Europäischen Union gleich sicher. Faktisch ist es das aber bei näherer Betrachtung nicht. Denn was passiert bei einer größeren Pleite? Letztendlich müsste der Staat irgendwie einspringen, denn all die Sicherungstöpfe sind niemals groß genug, um auch mittlere oder größere Banken aufzufangen und zu sanieren. Deshalb:
Der Staat ist letztendlich derjenige, der die Sicherheit garantiert, und der Staat wird repräsentiert durch den politischen Willen, und wir erleben im Fall des Brexits ja gerade, dass der politische Wille eben nicht immer sehr klar vorhersehbar ist. Das heißt, es kann auch irgendwann der Fall eintreten, dass der politische Wille nicht da ist, den deutschen Sparer, der englischen Banken Geld geliehen hat, zu entschädigen, wenn es dort mal klamm wird. Deshalb ist unsere Position klar: Deutsche Einlagensicherung ist für deutsche Anleger schon das höchste Maß an Sicherheit.
Ehring: Niels Nauhauser war das von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zu den finanziellen Folgen des Brexit für Privatpersonen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.