"Könnt ihr mich hören?" Der Londoner Labour-Abgeordnete David Lammy ruft die Frage den Demonstranten in Liverpool zu. Sie wollen, dass der Parteitag eine zweite Volksabstimmung beschließt.
Ein zweites Referendum also über den Brexit: das Thema könnte den Parteitag in Liverpool dominieren. Jeremy Corbyn, der Parteichef, hatte bislang die Linie vertreten, Labour müsse das Ergebnis des ersten Referendums akzeptieren. Am Sonntagmorgen öffnete dann der Labour-Chef in einem Interview doch die Tür einen Spalt weit auf.
"Ich bin als Vorsitzender gewählt worden, um mehr innerparteiliche Demokratie bei Labour umzusetzen. Es wird während des Parteitages eine Abstimmung geben. Warten wir es ab. Ich werde mich jedenfalls Beschlüssen der Partei beugen."
May lehnt neues Referendum ab
Premierministerin Theresa May und die Konservativen lehnen dagegen ein zweites Referendum strikt ab. Labour könnte ein neues Referendum also nur durchsetzen, wenn man die Mehrheit im Unterhaus besitzt – möglicherweise also nach Neuwahlen. "Die einzig saubere Lösung sind Neuwahlen", sagt Emily Thornberry von Labour, eine Vertraute Jeremy Corbyns. "Aber wir schließen andere Optionen nicht aus. Einige unserer Mitglieder wollen eine neue Volksabstimmung, aber alle wollen Neuwahlen."
Lieber Neuwahlen also statt eines neuen Referendums, lautet die Linie der Labour-Spitze. Wenn Labour sich jetzt für ein Referendum stark macht, riskiert die Partei, dass ihr die Brexit-Befürworter unter den Wählern den Rücken zuwenden. Die Delegierten in Liverpool sind denn auch geteilter Meinung.
"Ich bin zu 100 Prozent für eine neue Volksabstimmung. Wir wurden beim ersten Mal schlecht informiert." "Ein neues Brexit-Votum wäre schlecht, denn Demokratie ist nun einmal Demokratie." "Ich möchte ein neues Referendum, wenn die Regierung uns den Vertrag mit der EU vorlegen kann."
Was also wird der Parteitag beschließen? Momentum, die außerparlamentarische Bewegung, die Corbyns Aufstieg ermöglicht hat, will das zweite Referendum. Der mächtige Gewerkschaftsboss Len McCluskey dagegen sagt "Nein". Referenden seien selten, die Menschen hätten sich doch schon entschieden.