"Schämt euch!" riefen tausende Demonstranten, die sich vor dem Unterhaus versammelt hatten. Die Brexit-Anhänger wollten eigentlich feiern. Am 29. März sollte das Vereinigte Königreich eigentlich die EU verlassen. Aber es kam anders: Premierministerin Theresa May ist auch bei ihrem dritten Versuch, eine Mehrheit für den Vertrag mit der EU im Unterhaus zu erhalten, deutlich gescheitert.
286 Ja-Stimmen gegen 344 Nein-Voten: Das Ergebnis war für May eine herbe Enttäuschung. Sie hatte die Abstimmung an diesem symbolträchtigen Tag angesetzt. Über 100 Mal hatte sie im Unterhaus die letzten zwei Jahre versprochen, das Land an diesem Tag aus der EU herauszuführen. Theresa May wollte aber ihre schwere Niederlage nach der Abstimmung immer noch nicht eingestehen.
"Ich fürchte, wir sind jetzt an unseren Grenzen angekommen. Das Unterhaus hat es abgelehnt, ohne Vertrag die EU zu verlassen. Es ist dagegen, den Brexit zurückzunehmen. Am Mittwoch hat es alle möglichen Anträge abgelehnt. Diese Regierung wird weiter darauf drängen, das Ergebnis des Referendums umzusetzen."
"Der Vertrag muss jetzt geändert werden"
Die Premierministerin deutete damit an, dass sie in den jetzt verbleibenden zwei Wochen noch einmal einen Anlauf wagen will. Die EU hat bis zum 12. April ein Ultimatum gesetzt, ab dann droht eine lange Verschiebung des Brexits oder die Gefahr, ohne Vertrag aus der EU auszuscheiden. Labour-Chef Jeremy Corbyn will jetzt nicht mehr warten. "Der Vertrag muss jetzt geändert werden. Wir müssen eine Alternative finden. Wenn die Premierministerin das nicht akzeptieren will, dann muss sie gehen. Nicht irgendwann, sondern jetzt."
Oppositionsführer Corbyn setzt jetzt auf den Montag. Dann wird das Unterhaus wieder die Kontrolle des Verfahrens übernehmen und versuchen, eine Mehrheit für eine Alternative zu finden, zum Beispiel für eine Zollunion mit der EU und eine zweite Volksabstimmung. Auch der Labour-Politikerin Liz Kendall reicht es jetzt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Zukunft dieses Landes als Geisel gehalten wird für das endlose Psychodrama bei den Tories."
Labour wittert jetzt eine Chance für einen Neuanfang beim Brexit. Unter den Konservativen war die Stimmung dagegen düster. Richard Dray: "Es gibt noch eins, was die Premierministerin tun kann. Führen Sie uns zum 12. April aus der EU heraus und liefern Sie, was wir versprochen haben. Wenn wir das nicht schaffen, dann Gnade uns Gott."
Demonstrieren für den Brexit
Auf dem Vorplatz war die Menschenmenge inzwischen immer größer geworden. Die Demonstranten empfingen eine Abordnung von Brexit-Befürwortern, die zwei Wochen lang zu Fuß aus Sunderland nach Westminster marschiert waren. Der Ärger der Brexit-Anhänger ist erheblich. Ein großes Polizeiaufgebot sicherte die Protestaktion ab.
"Es ist eine Farce von diesen hinterhältigen Abgeordneten. Es ist wirklich ärgerlich."
"Wenn die für den Verbleib in der EU stimmen, dann ist das in einer Demokratie schwierig. Sie suchen den Ärger. Das kann, muss aber nicht zu Gewalt führen."
Für die Demonstranten sind alle Schuld: die Parlamentarier und die Premierministerin. Der Vertrag mit der EU gilt ihnen als Kapitulation. Sie fordern nur eins: "Leave means leave", "Raus aus der EU!"