Der Präsident des Supreme Court, Lord David Neuberger, sah sich im Dezember zu einer ungewöhnlichen Klarstellung veranlasst. Gleich am ersten Verhandlungstag erinnerte er daran, dass der Supreme Court nur dem Gesetz verpflichtet ist, "mögen die Emotionen im Land auch noch so hochgehen. Unsere Pflicht als Richter ist es, gemäß der Gesetze ein unabhängiges Urteil zu fällen."
Protest gegen Urteil der Vorinstanz
Das hatten vor dem Supreme Court auch die Richter des High Court getan. Im November kamen sie in erster Instanz zum Ergebnis: Das Parlament muss abstimmen, bevor die Premierministerin in Brüssel den Antrag zum Austritt aus der EU einreicht. Ein Orkan des Protests folgte. Die "Daily Mail" lichtete die drei Richter mit ihren Perücken auf der Titelseite ab mit den großen Lettern: "Enemies of the People", "Volksfeinde". Selbst in Großbritannien erinnerte das manchen an den "Völkischen Beobachter" in Nazi-Deutschland.
Alle berufen sich auf das Volk. Gina Miller, eine Investmentbankerin, hatte die Klage zu Beginn eingereicht und sprach von einem Sieg für die Zukunft Großbritanniens. Brexit-Minister David Davies berief sich dagegen "auf das größtdenkbare Mandat in der Geschichte". 17,4 Millionen hätten für den Brexit gestimmt, "das setzt die Regierung zum Wohle des britischen Volks um."
Eine Niederlage für May gilt als wahrscheinlich
Die Regierung ging in Berufung. Im Supreme Court werden jetzt erstmals alle elf Richter über einen Fall entscheiden, das gab es noch nie. Inzwischen soll die Regierung es schon bereuen, den Supreme Court eingeschaltet zu haben. Denn alle rechnen mit einer Niederlage für Theresa May. Deswegen ging sie letzte Woche mit ihrer Brexit-Rede in die Offensive. Schon bevor heute das Gericht entscheidet, gestand sie dem Parlament das letzte Wort zu: "Beide Kammern unseres Parlaments müssen am Ende über eine Einigung mit der EU abstimmen, bevor der Deal in Kraft treten kann."
Eine Abstimmung im Unter- und Oberhaus am Ende der zweijährigen Verhandlungen mit der EU - das war lange eine Forderung der Remainer, der EU-Befürworter. Nur über was wird am Ende abgestimmt? Nicht über Brexit oder Nicht-Brexit stellte Mays Regierungssprecherin später klar. Sondern über das ausgehandelte Paket oder den freien Fall ins Nichts, also zu den Regeln der Welthandelsorganisation. Also geht es doch vor allem darum, dass das Parlament vorher und während der zwei Jahre mitredet.
Labour vor Zerreißprobe
Jeremy Corbyn, der Vorsitzende von Labour, beschwerte sich, dass Theresa May ihre Brexit-Rede nicht im Parlament gehalten hatte. Die Tories jubelten über diesen matten Einspruch. Bei den Konservativen drehen die EU-Befürworter weitgehend bei, Labour aber steht vor der Zerreißprobe. Vor allem in Nordengland, wo Labour früher stark war und noch ist, wollen die allermeisten Wähler den Brexit. Zwei Nachwahlen drohen jetzt verloren zu gehen.
"Wir werden bei den Leuten der Arbeiterklasse anklopfen", kündigt der neue Chef der rechtspopulistischen UKIP, Paul Nuttall an. "Sie wollen weniger Kriminalität, eine Kontrolle der Einwanderung und dass Briten zuerst für Jobs in Frage kommen oder ganz nach oben auf die Wartelisten für Sozialwohnungen. Wir sind da näher als Labour."
In Nordengland könnte Labour ein ähnliches Fiasko erleben wie in Schottland. Die Schottische Nationalpartei hat dort fast alle Sitze gewonnen und führt jetzt in Westminster den Kampf gegen einen harten Brexit an. "Ihr harter Tory-Brexit macht 80.000 Schotten arbeitslos", greift Fraktionschef Angus Robertson Theresa May frontal an. "Glaubt die Premierministerin, dass ihr Ziel eines Klein-Britannien-Brexit das wert ist?"