Brexit
Unternehmen warnen vor Schrecken ohne Ende

Die britische Handelskammer in Deutschland warnt einerseits vor einem harten Brexit. Andererseits sieht sie auch ein zunehmendes Problem durch die Unsicherheit, die die nicht endenden Verhandlungen mit sich bringen. Derweil hat die Wirtschaft längst Schaden genommen – auch in Deutschland.

    Container auf einem Frachter am Terminal Eurokai (Eurogate) im Hafen Hamburg
    Der Handel zwischen Deutschland und Großbritannien hat sich seit Jahresbeginn reduziert (Christian Charisius/dpa)
    Der Brexit verursacht entweder großen Schaden - oder sehr großen Schaden. Diese Einschätzung der Britischen Handelskammer in Deutschland zeigt vor allem die große Unsicherheit, die die jüngsten turbulenten Tage im britischen Unterhaus zum wiederholten Mal ausgelöst hat. Und das mache den Unternehmen mehr und mehr zu schaffen, sagte Handelskammerpräsident Michael Schmidt in Wirtschaft am Mittag:
    "Die unklare Situation, wie es denn eigentlich weitergeht, hält nach wie vor an. Das ist nicht gut für Unternehmen, weil sich dadurch zwangsläufig Investitionsentscheidungen, Einstellungsentscheidungen und ähnliches verzögern. Man weiß schlicht nicht, wie es weitergeht."
    Die Botschaft der Unternehmen, die im deutsch-britischen Handel aktiv sind ist klar: Ein Ende mit Schrecken ist beim Brexit sicherlich besser als ein Schrecken ohne Ende. Andererseits sei ebenso klar, dass ein No-Deal-Brexit erhebliche Nachteile nicht nur für britische, sondern natürlich auch für deutsche Unternehmen habe.
    Verlängerung nur unter Bedingungen sinnvoll
    Grundsätzlich mache eine Verlängerung der Frist also durchaus Sinn – aber nur, wenn die wirtschaftlichen Folgen des Brexit dadurch abgemildert würden. Dass der Brexit kommt, davon geht man bei der Handelskammer aus, die Frage sei eben nur wann. Und genau betrachtet sei er ohnehin schon heute Realität, beobachtet Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG, die zusammen mit der britischen Handelskammer eine Studie zu den Auswirkungen des Brexit durchgeführt haben. Denn weil der Brexit nicht zu stoppen sei, habe unter den Unternehmen die Abstimmung mit den Füßen längst begonnen, sagte er in den Information am Mittag:
    "2017 war UK unser Handelspartner Nummer fünf, 2018 Nummer sechs und aktuell Nummer acht. Das heißt, Stück für Stück nehmen die Wirtschaftsbeziehungen bereits ab, Investitionen werden verlagert, Mitarbeiter werden abgebaut und eine Reihe von Konzerne in UK haben sich entschlossen, den Standort zu verlassen", sagte Glunz.
    Es werde also eine sehr harte Phase kommen, aber die Dinge würden sich, nachdem die Briten die EU verlassen haben, früher oder später auch einrenken. Großbritannien und die EU würden natürlich ihre neuen Beziehungen regeln und auf dieser Basis werden es dann zu einem eingeschwungenen Zustand kommen, mit dem Unternehmen dann leben könnten, erklärte Handelskammer-Präsident Michael Schmidt:
    "Diese hängt von der langfristigen Vereinbarung ab, wie sollen die Regelungen zwischen EU und Großbritannien langfristig aussehen. Die Briten müssen 22.000 Gesetze anpassen müssen und ich bin überzeugt, dass Unternehmen sich an diese Rahmenbedingungen anpassen werden."
    Noch jedoch seien die Unternehmen nicht auf den Umbruch eingestellt: Mehr als 40 Prozent der Unternehmen in Großbritannien seien nicht ausreichend auf die Folgen eines Austritts der Briten aus der EU vorbereitet, sagte Schmidt. Das müsse sich schnellstens ändern. Dass Zollformalitäten stark zunehmen werden, sei nicht schwer vorauszuahnen. Dafür könnten sich die Unternehmen besser vorbereiten.
    Schon jetzt bremst der Brexit
    Wobei die Brexit-Unsicherheit längst auch Schaden hierzulande angerichtet hat – so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Der Export schwächelt. Bei einem harten Brexit werde das EU-Wachstum in den kommenden zwei Jahren um jeweils 0,2 Prozentpunkte zurückgehen, sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen in Wirtschaft am Mittag. Er prognostiziert, dass das vor allem Deutschland spürbar treffen würde:
    "Der Brexit hat durch die Verunsicherung der Unternehmen dazu geführt, dass weniger investiert wurde. Dass seit Beginn des Jahres der Handel mit Großbritannien deutlich weniger intensiv geführt wird, als wir das in den Vorjahren beobachtet haben. Der zweite Effekt ist – wenn man sich nicht einigen kann - dann hat das neben der Verunsicherung der Unternehmen auch ganz konkrete Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen. Wir rechnen damit, dass ein harter Brexit ohne Abkommen dazu führen würde, dass wir im nächsten Jahr 0,4 Prozent weniger Wachstum in Deutschland sehen werden."
    Für Deutschland rechnet das Forschungsinstitut nur noch mit einem Gesamt-Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent für das laufende Jahr. DIW-Präsident Marcel Fratzscher fordert deshalb in Wirtschaft am Mittag, dass die Bundesregierung mehr investiert:
    "Größenordnung: Ein Prozent der Wirtschaftsleistung. Also rund 30 Milliarden Euro, die jedes Jahr - über einen Zeitraum von 15 Jahren - in eine bessere Verkehrsinfrastruktur, in den Aufbau der digitalen Infrastruktur, besonders in Energienetze, und auch in Bildung, Forschung und Entwicklung investiert werden sollten."
    Denn bislang sei es vor allem der private Konsum, der derzeit noch für Wachstumsimpulse sorge, nicht die notwendige Nachfrage nach Investitionsgütern.