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Brexit-Verhandlungen
"Ein Verbleib der Briten in der EU ist gut möglich"

Nach dem Rücktritt mehrerer Mitglieder der Regierung von Premierministerin Theresa May sei die politische Lage in Großbritannien festgefahren, sagte der britische Journalist Peter Bild im Dlf. Er glaubt, dass es vor einem harten Brexit eher ein zweites Referendum geben wird - und dass dieses die Pro-EU-Anhänger gewinnen würden.

Peter Bild im Gespräch mit Philipp May |
    Europäische und britische Flaggen wehen vor dem britischen Parlament.
    In Großbritannien gebe es fast nur Pattsituationen und fast keine Auswege, sagt der britische Journalist und Korrespondent Peter Bild. (imago / Alberto Pezzali)
    Philipp May: Zu unübersichtlich ist die Lage in London. Vielleicht kann uns Peter Bild weiterhelfen, britischer Journalist und langjähriger Korrespondent in Deutschland, unter anderem für die Times und den Guardian. Er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Abend, Herr Bild!
    Peter Bild: Ja, guten Abend.
    May: Hat dieser Brexit-Deal noch eine Chance?
    Bild: Ich glaube, keine Chance. Aber daran habe ich auch seit anderthalb Jahren nicht mehr geglaubt, oder seit fast zwei Jahren. Denn die Quadratur des Kreises, dafür hat man wirklich keine Chancen. Auch wenn Theresa May und andere davon gesprochen haben, natürlich werden wir eine Vereinbarung treffen mit der EU, die für beide Seiten gut ist, habe ich nie daran geglaubt, weil so was eigentlich außerhalb der EU einfach nicht möglich ist.
    May: Ist diese Vereinbarung, die Theresa May da getroffen hat, tatsächlich nur für eine Seite gut, nur für die EU, aber für Großbritannien taugt sie nichts?
    Bild: Auch nicht für die EU. Da hat Donald Tusk, glaube ich, schon gesagt, da gibt es nur Verlierer, Loser auf beiden Seiten. So wie ich das jetzt sehe, weil fast jede Lösung für die parlamentarische Pattsituation in Großbritannien unmöglich scheint, das heißt, es ist fast alles möglich.
    May: Auch ein No Deal am Ende? Rückt der damit näher?
    Bild: Ein No Deal ist natürlich eine Möglichkeit. Ich glaube aber nicht daran, denn ich glaube nicht, dass das britische Parlament so was erlauben würde. Bevor wir zu so einer Lösung kommen würden, glaube ich, gäbe es dann eine zweite Umfrage, ein zweites Referendum. Auch wenn Theresa May heute sagt, so was kann es nicht mehr geben.
    Viele, die für Brexit gestimmt haben, einfach gestorben, weil das die Älteren sind
    May: Kommen wir zum zweiten Extrem. Tatsächlich halten Sie auch am Ende einen Verbleib der Briten in der EU für möglich?
    Bild: Ja, halte ich für gut möglich. Wie hoch ich die Chancen da rechne, ist wirklich schwer zu sagen, ob 33 Prozent oder 50 Prozent oder sogar mehr. Das ist wirklich fast unmöglich zu sagen. Aber eines ist klar: Inzwischen sind sehr viele, die für Brexit gestimmt haben, einfach gestorben, weil das die Älteren sind. Die Jüngeren, die auch zum Teil gar nicht gewählt haben damals, davon gibt es natürlich mehr. Die sind inzwischen älter geworden. Und viel mehr davon werden jetzt wahrscheinlich wählen, wenn es ein zweites Referendum gibt. Die Vorhersagen sind schwer, wer weiß es genau, aber 54 Prozent für ein Verbleiben wird auch jetzt vorhergesagt.
    May: Aber waren die Vorhersagen nicht damals ganz ähnlich?
    Bild: Ja, natürlich! Deshalb ist es so unsicher, wie das rauskommen wird. Natürlich, es gibt drei Möglichkeiten, den Weg von Theresa May, Brexit mit EU-Deal, aber dafür sehe ich fast keine Chancen. Ein Ausstieg ohne Vereinbarung, aber auch das, glaube ich, wird dann verhindert. Und dann gibt es nur einen dritten Weg, und das wäre jetzt über ein Referendum. Wer das gewinnen würde? Ich glaube eher, dass die sogenannten Remainer, die, die bleiben wollen, würden das gewinnen. Aber dann hätten wir die Situation, einmal ziemlich knapp, aber doch deutlich für Brexit, und ein zweites Referendum dann wahrscheinlich genauso deutlich oder undeutlich für eine Bleibe. Bräuchte man dann ein drittes Referendum?
    May: Das ist die Frage. Die Frage ist natürlich auch erst mal: Weder Theresa May möchte ein Referendum, noch Jeremy Corbyn, der Oppositionsführer, den wir auch schon gehört haben hier in dieser Sendung. Der möchte auch kein zweites Referendum. Der sagt auch, die Briten haben einmal abgestimmt und daran wollen wir uns halten. Das heißt, wie sollte ein Fahrplan dahin überhaupt aussehen?
    Bild: Genau, da fragen Sie mich etwas Unmögliches. Da stellen Sie mir fast unmögliche Fragen.
    Dieser schlechte Ausweg, nämlich ein zweites Referendum, wäre fast die einzige Lösung
    May: Es tut mir leid!
    Bild: Jeremy Corbyn könnte auch jetzt, wenn es zu einer Wahl kommt, glaube ich, er würde die Wahl gar nicht gewinnen. Ob das jetzt Theresa May wäre oder ein Nachfolger von ihr oder eine Nachfolgerin, ist schwer zu sagen. Deshalb sage ich, es gibt da fast nur Pattsituationen und fast keine Auswege. Deshalb ist wahrscheinlich dieser schlechte Ausweg, nämlich ein zweites Referendum, fast die einzige Lösung, woran zu glauben wäre.
    May: Apropos Theresa May. Wie lange hält sie noch durch?
    Bild: Vor einigen Monaten oder sogar vor einem Jahr hätte ich gesagt, nein, das kann sie nicht mehr durchhalten. Denn sie bekommt Opposition nicht nur natürlich von der Opposition und von den Schotten, sondern jetzt inzwischen sogar von den schottischen Konservativen, inzwischen auch von den Nordirländern, die sie eigentlich unterstützen. Ohne diese Nordirländer hat sie überhaupt keine Mehrheit im Parlament. Und natürlich von der Labour Party und von den Liberalen. Es ist schwer zu sehen, von wo sie eigentlich eine Unterstützung bekommt, aber sie hält es aus, weil die Konservativen keinen besseren Führer haben oder sich sagen, wenn wir jetzt einen Wahlkampf machen unter uns für einen neuen Parteiführer, wissen wir gar nicht, wie das auskommen wird, ob wir überhaupt dann mit der EU verhandeln können, und vielleicht kommt dann einfach die Opposition an die Macht, und das ist auch für die Konservativen nicht besonders erfreulich.
    May: Aber jetzt scheint es ja ein parteiinternes Misstrauensvotum zu geben, beziehungsweise das scheint jetzt angekurbelt zu werden.
    Bild: Es scheint, angekurbelt zu werden.
    May: Was heißt das?
    Bild: Das bedeutet: Auch wenn diese 48 Briefe jetzt eingehen, um zu sagen, wir haben kein Vertrauen und es muss jetzt eine neue Wahl für einen Parteiführer geben, heißt das nicht, dass sie diese Wahl verlieren würde. Denn es hängt natürlich ganz davon ab, wer gegen sie gewählt werden soll. Es kann sein, dass es ein Brexiteers , ein Boris Johnson oder sogar ein Michael Gove oder ein Dominic Raab, der heute zurückgetreten ist - der zweite Brexit-Minister, der zurückgetreten ist - oder kommt vielleicht von der anderen Seite einer, der auch dann keine Unterstützung in der Partei hat, oder sagen wir unter dem Volk. Denn es gibt unter den Konservativen im Parlament weniger Brexiteers als unter dem Volk, wo die meisten Konservativen für Brexit gewählt haben. Es ist wirklich eine völlig festgefahrene Situation, wo wir einfach nicht wissen können, wie das ausgeht.
    May: Es ist auf jeden Fall sehr kompliziert: Der Brexit und die politische Lage im Allgemeinen in Großbritannien. Peter Bild war das, …
    Bild: Es wird nur komplizierter.
    May: Es wird immer komplizierter und dementsprechend werden wir wahrscheinlich bald wieder sprechen. – Peter Bild, Journalist in Großbritannien. Vielen Dank und einen schönen Abend Ihnen.
    Bild: Ja, ebenfalls.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.