Die Journalisten hatten den ganzen Nachmittag vor dem Regierungssitz No. 10 Downing Street die immer gleiche Frage gestellt: Ist ein unterschriftsreifer Vertrag in greifbare Nähe gerückt? Gestern Abend stellte sich dann in London heraus: dem ist so. Theresa May hat in Brüssel einen Vertragstext ausgehandelt. Er umfasst 500 Seiten und soll voll juristischer Details sein.
Allzu viel Zeit werden die Minister der Regierung May aber offenbar nicht bekommen, den komplexen Vertrag zu prüfen. Gestern Abend noch wurden sie einzeln von May ins Gebet genommen, heute ab 15 Uhr sollen sie sich im Kabinett äußern, wie zum Beispiel James Brokenshire, der Minister für Wohnungsbau.
"Wir sollten optimistisch sein, dass wir einen guten Vertrag für unser Land bekommen. Wir wollen unser Land weiterbringen und Politik auch nach dem Brexit gestalten."
Die Regierung May steht mehr denn je auf der Kippe: Die Premierministerin will die Rückendeckung ihrer Minister einfordern. Sie muss dabei befürchten, dass es zu Rücktritten kommt. Sollte das Kabinett sich aber weitgehend hinter die Regierungschefin stellen, dürfte in Kürze ein EU-Sondergipfel folgen. Und dann kommt es zum Schwur: Das Unterhaus muss entscheiden. Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg, Mays mächtige Gegenspieler in der Fraktion, senken schon den Daumen.
Hardliner in der Fraktion wollen dagegen stimmen
"Zum ersten Mal seit 1000 Jahren wird unser Parlament nicht selbst die Gesetze unseres Landes bestimmen. Es ist unglaublich. Wir sollen Regeln aus Brüssel akzeptieren, die wir nicht mehr mitbestimmen. Das ist absolut inakzeptabel."
"Wenn das stimmt, dann entspricht das nicht unserem Wahlprogramm. Wir sollen in der Zollunion und de facto im Binnenmarkt bleiben. Dann sind wir ein Vasallenstaat."
Die Hardliner in der konservativen Fraktion wollen also dagegen stimmen. Dabei sind Details noch nicht bekannt. Offensichtlich aber hat May zugestimmt, dass es notfalls doch eine Sonderbehandlung für Nordirland geben soll. Entsprechend entsetzt zeigte sich der Brexit-Sprecher der nordirischen Unionisten-Partei DUP, Sammy Wilson.
"Die Gerüchte, die wir hören, weisen darauf hin, dass es für Nordirland andere Regeln geben soll. Das gilt sowohl für Zölle als auch dafür, dass wir uns an EU-Standrads halten sollen."
Wilson erklärte, dem könne die DUP, die die Regierung Mays toleriert, nicht zustimmen. Der Widerstand in den eigenen Reihen also ist groß, aber Theresa May hat sich offensichtlich dazu entschlossen, jetzt eine Entscheidung einzufordern. Ob sie sich durchsetzen kann, ist aber mehr als ungewiss.