Der Brexit müsse bis spätestens März 2019 abgeschlossen sein, sonst komme der Bruch "mit aller Konsequenz", so Brok, der Brexit-Verantwortlicher seiner EVP-Fraktion im Europaparlament ist: "Dann ist Großbritannien ein Drittland unter WTO-Regeln." Das solle in der Härte vermieden werden. Bei einem Freihandelsabkommen aber müssten Übergangsfristen eingerechnet werden. Brok schätzt, dass solche Verhandlungen bis 2021 dauern würden. "Da ist in Großbritannien noch kein Realismus eingekehrt."
Man wolle den Schaden bei den Verhandlungen aber so gering wie möglich halten. "Der Brexit soll den Briten nicht weh tun, aber natürlich ist es so, wenn man in eine Scheidung geht, muss man auch Verpflichtungen übernehmen. Warum sollten Deutschland und die anderen Länger etwa Teile der Pensionsförderung übernehmen für Beamte, die für Großbritannien gearbeitet haben?"
Irland: "Karfreitagsabkommen nicht zerstören"
Weitere wichtige Themen sind laut Brok das Residenzrecht der Bürger, die mehr als fünf Jahre im EU-Ausland gelebt haben und auch die irische Frage: "Da geht es nicht nur um technische Fragen wie die Grenzüberschreitung und den Warenverkehr". Vor allem dürfe das Karfreitagsabkommen nicht zerstört werden, damit nicht wieder ein Bürgerkrieg entstehe.
Mit Blick auf die Terroranschläge in Großbritannien in den vergangenen Wochen sagte Brok: "Die Ereignisse zeigen, dass wir als Europäer zusammenstehen sollten und nicht auseinanderfallen."
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Sandra Schulz: Für das Europäische Parlament begleitet der EU-Abgeordnete, der CDU-Politiker Elmar Brok die Verhandlungen. Er ist der Brexit-Koordinator der EVP-Fraktion und jetzt am Telefon. Guten Morgen.
Elmar Brok: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Wir hören jetzt, in London sei eine Krisensitzung geplant wegen des möglichen Anschlags. Ist überhaupt schon klar, ob es bei dem Verhandlungstermin heute Vormittag bleibt?
Brok: Das wird eine britische Entscheidung sein. Aber ich glaube, es wäre nicht klug, das davon abhängig zu machen. Wir dürfen Terroristen nicht den Eindruck erwecken, dass unsere Zeitpläne von ihnen beeinflusst werden können. Deswegen gehe ich davon aus, dass die Verhandlungen beginnen werden.
Schulz: Wir sehen jetzt in Großbritannien eine ja kaum für möglich gehaltene Taktung von Anschlägen. Es gab in London diesen schweren Brand mit vielen Toten. Und dazwischen ja auch noch so eine Art politisches Erdbeben, als die Tories von Theresa May ihre absolute Mehrheit verloren haben. Mit welchem Mandat kommt die britische Regierung da jetzt nach London?
"Die Europäische Union hat klar Position bezogen"
Brok: Ich glaube, dass all diese Ereignisse zeigen, dass die Europäer zusammenstehen sollten und nicht auseinanderfallen sollten, wenn wir den Terrorismus bekämpfen wollen. Welches Mandat die britische Regierung, diese Verhandlungsdelegation hat, wissen wir nicht so genau. Die Europäische Union hat klar Position bezogen. Es gibt präzise ein Verhandlungsmandat, dem alle 27 Mitgliedsländer, das Parlament, der Rat und die Kommission zugestimmt haben. Sie sind selten so einig gewesen. Aber wir wissen ein Jahr nach dem Referendum immer noch nicht genau, was die Briten wollen. In dem Brief von Theresa May, mit dem jetzt diese Verhandlungen in Gang gesetzt worden sind und die am 29. März 2019 unwiederbringlich beendet sein müssen, wird angedeutet, dass man einen Freihandelsvertrag haben möchte, weil man nicht die Bedingungen erfüllen möchte für eine Zollunion oder für eine weitere Mitgliedschaft im Binnenmarkt.
Schulz: Wissen Sie denn, was die EU will?
Brok: Wir wollen den Schaden so gering wie möglich halten. Wir wollen erstens klare Scheidungsverhandlungen haben, die sauber die Dinge zu Ende bringen, so wie Ihr Mitarbeiter gerade zum Ausdruck brachte. Das sind gerade die Rechte der Bürger, die sich darauf verlassen haben, dass sie als Bürger der Europäischen Union Residenzrechte haben, wenn sie mindestens fünf Jahre in einem anderen EU-Land leben. Die müssten gewährleistet sein für diejenigen, die diese Zeitfrist schon erfüllt haben. Wir müssen feststellen, welche Verpflichtung Großbritannien übernommen hat, etwa bei der Bezahlung von Pensionen für die Beamten, die seit 45 Jahren auch für Großbritannien gearbeitet haben, aber in vielen anderen Bereichen auch. Und die irische Frage, die besonders auf den Nägeln brennt, muss angesprochen werden, nicht nur wegen der technischen Frage von Freizügigkeiten, von Grenzüberschreitungen, von freiem Warenverkehr, sondern auch, dass nicht wieder das Karfreitagsabkommen zerstört wird, das dazu führen könnte, dass wieder dort Bürgerkriegszustände kommen.
Schulz: Wenn Sie jetzt sagen, Sie wollen den Schaden so klein wie möglich halten, wie passt das dazu, dass es den Eindruck gibt, dass es den Briten schon ein bisschen weh tun soll mit diesen Milliarden-Forderungen, die da jetzt auf dem Tisch liegen? Sie haben es gerade angedeutet.
"Es soll den Briten nicht weh tun"
Brok: Es soll den Briten nicht weh tun. Aber selbstverständlich: Wenn man in eine Scheidung hineingeht, muss man auch die Verpflichtung daraus nehmen. Das sind Scheidungsverhandlungen. So wie man bei Scheidungen Verpflichtungen gegenüber dem anderen wahrnehmen muss, gilt das auch hier. Warum soll Deutschland oder die anderen Länder auch die Teile der Pensionszahlungen für Beamte übernehmen, die auch für Großbritannien gearbeitet haben, denn Großbritannien hat gemeinsam mit den anderen Partnern Verpflichtungen aus dem gegenwärtigen Haushalt auf sich genommen beispielsweise. Das muss, glaube ich, alles in Ruhe berechnet werden, welche Verpflichtungen daraus entstehen können.
Schulz: Jetzt gibt es den ersten Streit ja – Sie haben es auch gerade gesagt – schon darüber, in welcher Reihenfolge eigentlich was besprochen wird. Zeichnet sich da schon ab, wie das laufen könnte? Das ist ja, wenn ich es richtig verstanden habe, für heute auch das Arbeitsziel, diesen Zeitplan zustande zu bekommen.
Brok: Ja, das ist eigentlich völlig klar. Wir haben es mit zwei Verträgen zu tun. Das eine ist der Scheidungsvertrag, denn wenn wir nicht zu einer vernünftigen Lösung kommen, der ratifiziert sein muss im Europäischen Parlament bis zum 29. März 2019, ist der Bruch automatisch da mit allen Konsequenzen, dass Großbritannien ein Drittland ist unter den WTO-Umständen mit Zoll und all dem, was wieder eingeführt werden muss. Es gibt keinerlei Verbindungen mehr. Und das sollte man in dieser Härte vermeiden. Daneben werden jetzt, wenn man die drei Punkte, die ich nannte, im Wesentlichen behandelt hat, Verhandlungen stattfinden über den zukünftigen Status. Das wird nach bisherigen britischen Vorstellungen ein Freihandelsvertrag sein. Für den braucht man aber länger. Der kann auch nur abgeschlossen werden, rechtlich gesehen auch schon, mit Großbritannien als Drittstaat. Und das braucht sicherlich zwei, drei Jahre länger, bis zum Jahre 2021 oder so ähnlich. Und dafür braucht man dann auch Übergangsfristen, die dann geregelt werden müssen. Hier habe ich den Eindruck, dass in Großbritannien der Realismus noch nicht eingekehrt ist. Und dass von daher diese Abfolge von Verhandlungen, diese Zusammenhänge nicht deutlich sind.
Schulz: Aber ich habe jetzt noch nicht verstanden, das ist ja jetzt kein neuer Eindruck. Das ist ja eigentlich das, was wir sehen, seitdem dieses Brexit-Votum da ist, dass die Signale aus London so unklar sind und man jetzt auch nach dieser letzten Wahl gar nicht so genau weiß, wollen die Briten da eigentlich wirklich diesen Brexit noch. Da gibt es ja auch diese unterschiedlichen Signale aus der britischen Regierung. Aber wie die EU damit jetzt umgeht, das habe ich immer noch nicht verstanden.
Brok: Wir haben eine Verhandlungsposition, die auf dem Brief von Theresa May beruht, auszutreten. Dort ist darauf hingewiesen, dass man einen Freihandelsvertrag haben möchte. Dafür sind die Vorbereitungen da in allen Details, als auch für die Scheidungsverhandlungen selbst. Und diese Verhandlungsstrategie werden wir durchführen. Das ist völlig offenkundig. Die Europäische Union hat eine öffentlich bekannte, auch den Briten bekannte Verhandlungsposition.
Schulz: Der Brexit-Koordinator der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, der CDU-Abgeordnete Elmar Brok, heute hier bei uns in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen ganz herzlich.
Brok: Danke auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.