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Brexit-Verhandlungen
Politologe: EU wird keine weiteren Zugeständnisse machen

Die EU werde sich wohl nicht auf weitere Verhandlungen zum Brexit-Vertrag einlassen, sagte Piotr Buras vom European Council on Foreign Relations in Warschau im Dlf. Die EU müsse in erster Linie die Interessen ihrer Mitglieder berücksichtigen - "und nicht die Interessen des Landes, das die EU verlässt", so Buras.

Piotr Buras im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Die britische und die EU-Flagge vor dem Parlamentsgebäude in London
    Die EU werde bei ihrer harten Haltung gegenüber Großbritannien bleiben, meint Piotr Buras (imago stock&people / Alberto Pezzali)
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon begrüße ich jetzt herzlich Piotr Buras vom European Council on Foreign Relations in Warschau. Schönen guten Morgen, Herr Buras!
    Piotr Buras: Guten Morgen, Herr Heckmann!
    Heckmann: Herr Buras, die EU lehnt ja jede Änderung am Brexit-Vertrag ab. Kann die EU bei dieser Haltung bleiben? Denn ein harter Brexit würde ja auch die EU empfindlich treffen, und man hätte in dem Fall etwas, was man auf jeden Fall ja verhindern will, nämlich Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland und eventuell ein Wiederaufflammen des Konflikts dort?
    Buras: Ich glaube, die EU wird bei dieser Haltung bleiben. Sie hat auch keine Wahl. Die Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten haben Zugeständnisse an Großbritannien immer ausgeschlossen, die Zugeständnisse, die Theresa May wahrscheinlich heute von Jean-Claude Junker wird erkämpfen wollen. Und das ist auch, denke ich, die richtige Haltung, aus mehreren Gründen. Es geht um Nordirland und Irland natürlich, oder in diesem Fall um die Interessen des Mitgliedsstaates Irland. Aber es geht auch um den Zusammenhalt des gemeinsamen Marktes. Es geht im Grunde genommen auch darum, dass die Europäische Union eben die Interessen ihrer Mitgliedsstaaten an erster Stelle haben muss, und nicht die Interessen des Landes, das die EU verlässt. Und ich glaube, das wird sich auch heute und in den nächsten Tagen nicht ändern.
    Heckmann: Bisher war man ja stolz in der EU, dass man sich nicht hat auseinanderdividieren lassen. Je näher jetzt aber dieses Austrittsdatum rückt, wird das so bleiben aus Ihrer Sicht, aus Ihrer Sicht in Warschau?
    Buras: Ja. Sie spielen wahrscheinlich darauf an, dass die polnische Regierung vor circa zwei Wochen einen Vorschlag gemacht hat, diese Position der Europäischen Union ein bisschen aufzuweichen.
    Heckmann: Genau. Das war der polnische Außenminister, der vorgeschlagen hatte, diese Backstop-Lösung, diese umstrittene, die könnte man ja zeitlich befristen. Das war ja so ein Vorschlag, der ja schon mehrfach abgelehnt wurde vonseiten der EU.
    Buras: Genau. Und das ist auch der Vorschlag interessanterweise, mit dem Theresa May heute nach Brüssel kommt. Das heißt, der Backstop sollte dann auf fünf oder mehr Jahre befristet werden. Aber der Backstop ist eine Versicherung, und eine befristete Versicherung ist eben keine. Aber der Hintergrund des polnischen Vorschlags war in erster Linie, dass dieses No-Deal-Szenario, also ein Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen, wirklich eine große Gefahr für alle ist, aber speziell auch Polen. Manchmal vergisst man, dass heute fast eine Million polnische Staatsbürger in Großbritannien leben. Insofern, aus polnischer Sicht geht es hier nicht nur um die wirtschaftlichen Interessen, sondern auch um die Interessen der Bürger, die nach einem ungeregelten Austritt Großbritanniens wahrscheinlich gefährdet sein könnten.
    "Polen machen sich große Sorgen um ihre Rechte in Großbritannien"
    Heckmann: Da machen sich also viele Polen in Großbritannien, die in Großbritannien leben und arbeiten, die machen sich dann Sorgen, dass sie raus müssen aus Großbritannien?
    Buras: Ja, natürlich. Die machen sich große Sorgen um ihre Rechte, um Möglichkeiten, da in Großbritannien überhaupt zu bleiben, um die Familienzusammenführung. Und man weiß, was die Ausgangsposition Großbritanniens in diesen Austrittsverhandlungen war, nämlich die Briten haben letztendlich sich darauf festgelegt, die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien zu wahren. Und es gibt auch eine politische Erklärung von Theresa May, dass selbst, wenn es zu einem No-Deal kommt, diese Rechte nicht angetastet werden. Nur, man weiß, dass es nicht unbedingt eingehalten werden kann im Fall wirklich eines ungeregelten Austritts.
    Heckmann: Das ist sicher ein wichtiger Punkt, die Tatsache, dass viele Polen – eine Million, haben Sie, glaube ich, gesagt gerade –, eine Million Polen in Großbritannien leben. Deswegen möglicherweise auch dieser Vorstoß des polnischen Außenministers. Aber öffnet Warschau möglicherweise diese Phalanx, die ja bisher geschlossen war?
    Buras: Nein, das nicht. Das war nur ein Diskussionsbeitrag, wie ich ihn verstanden habe. Der ist aber gescheitert. Die anderen EU-Mitgliedsstaaten haben diese Idee aus guten Gründen, glaube ich, eindeutig abgelehnt. Ich nehme an, dieser Vorschlag ist jetzt vom Tisch, zumindest von der polnischen beziehungsweise von der EU-Seite. Wie gesagt, Theresa May wird versuchen, ihn wieder auf den Tisch zu legen, aber ich gehe davon aus, dass sie damit ebenfalls scheitert. Weil, wenn man sich heute die Brexit-Verhandlungen anschaut, dann sieht man, dass das eigentliche Problem tatsächlich auf der britischen Seite liegt. Und das ist eine absolute Unvorhersehbarkeit dessen, wie das britische Parlament auf bestimmte Zugeständnisse beziehungsweise auf neue Versionen der politischen Erklärungen oder des Verhandlungstextes reagieren würde.
    Heckmann: Sie haben ja gerade gesagt, es wäre ungünstig …
    Buras: Man kann natürlich Zugeständnisse machen, aber man weiß nicht, ob sie jetzt noch irgendwas bewirken können.
    "Es geht auch darum, wer eigentlich Schuld am Brexit trägt"
    Heckmann: Sie haben ja gerade auch schon gesagt, dass es nicht geschickt wäre aus Sicht der EU, da Zugeständnisse zu machen. Wenn sich die EU-Staaten doch dazu entschließen sollten, London entgegenzukommen in dem einen oder anderen Punkt, um dann einen harten Brexit doch noch zu verhindern, welche Folgen hätte das für die Stimmung in den osteuropäischen Mitgliedsländern? Würden dann die Kräfte stärker werden, die auch Sonderregeln haben wollen?
    Buras: Das ist natürlich sehr abzuschätzen. Ich glaube, das wäre für den gesamten Integrationsprozess ein großer Schaden, wenn weitgehende Zugeständnisse an Großbritannien möglich wären. Dann würden nicht nur Polen oder andere mittel- und osteuropäische Staaten vielleicht etwas von Brüssel, von anderen Partnern erkämpfen wollen, aber auch viele andere EU-Mitgliedsstaaten, auch in Westeuropa. Ich glaube, das ist eben die Gefahr, der man vorbeugen will. Aber hier, glaube ich, geht es auch noch um etwas anderes.
    Es geht auch darum, wer eigentlich Schuld am Brexit trägt. Sollte die Europäische Union heute sagen, na ja, wahrscheinlich war unsere Position etwas zu hart, wir müssen sie aufweichen, wir müssen weitere Zugeständnisse machen, ohne die Gewissheit zu haben, dass diese Zugeständnisse verhindern, dann würde sie sich praktisch dem Vorwurf ausliefern, na ja, diese harte Position der EU ist eigentlich an diesem Desaster schuld.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.