Der allgemeine Tenor in Großbritannien lautet: das Weißbuch enthüllt in Sachen Brexit kaum Neues. Es umfasst 76 Seiten und wiederholt die zwölf Leitforderungen, die die Premierministerin vor Wochen schon vorstellt hatte. Großbritannien will den EU-Binnenmarkt und auch die Zollunion verlassen, strebt aber einen Zollvertrag mit der EU an.
"Wir wollen eine neue Zollvereinbarung erreichen", erklärte Brexit-Minister David Davis. "Das soll ein direktes Ergebnis unseres Freihandelsvertrages mit der EU sein. Wenn wir dort keine oder nur niedrige Zölle erreichen, dann wird das zu einem raschen Zollabkommen führen und wir können weiter mit der EU Handel treiben."
Das Weißbuch macht keine speziellen Angaben zum angeblichen Plan der britischen Regierung, für einzelne Sektoren, wie Autoindustrie oder Finanzmärkte, gesonderte Lösungen im Zollvertrag zu finden. Die EU will keine Rosinenpickerei, so die Formel, der Plan gilt daher als schwer umzusetzen.
Keine Angaben zur Einwanderung
Davis glaubt aber, die EU sei es, die ein großes Interesse an Zollfreiheit haben müsste. Denn ihre Mitgliedsstaaten exportierten deutlich mehr nach Großbritannien als umgekehrt. Die Differenz beträgt 60 Milliarden Pfund, also über 70 Milliarden Euro.
Keine Details enthüllt das Weißbuch auch über die Art und Weise, wie Großbritannien seine Einwanderung kontrollieren will. Durch Erteilung spezieller Visa, mit Kontingenten? Nur allgemeine Aussagen dazu.
"Wir planen nicht, dass die britische Wirtschaft darunter leidet, dass nicht genügend Arbeitskräfte oder Talente vorhanden sind. Wir wollen unsere Einwanderung kontrollieren und das nicht unbestimmt lassen."
80 Prozent der Abgeordneten im Unterhaus haben gestern Abend in einem ersten Votum dafür gestimmt, dass die Regierung den Antrag auf Austritt aus der EU beantragen darf. Und noch ein Erfolg für die Regierung: Die Bank von England erwartet für das laufende Jahr ein Wachstum des BIP von zwei Prozent. Das ist ein Prozent mehr, als die Notenbank nach dem Referendum erwartet hatte.
Schwaches Pfund durch Brexit
"Das heißt aber nicht, dass das Referendum keine Konsequenzen hat", schränkte Gouverneur Mark Carney heute ein. "Investitionen werden wegen der Unsicherheit weiter zurückgehalten. Sie werden um ein Viertel bis 2018 niedriger ausfallen, was Folgen für Produktivität und Löhne haben wird."
Bis 2019 werde das Inlandsprodukt um 1,5 Prozent niedriger liegen, als es das ohne das Referendum der Fall gewesen wäre. "Die Inflation steigt Anfang nächsten Jahres weiter an auf 2,8 Prozent. Das hat ausschließlich mit dem schwachen Pfundkurs zu tun, und der entspricht dem, was die Märkte vom Brexit erwarten."
Damit macht sich Mark Carney bei den Brexit-Befürwortern weiterhin unbeliebt. Bis Mitte 2019 müssen sie aber noch mit dem Kanadier leben, der also noch bis zum Ablauf der zwei Jahre dauernden Brexit-Verhandlungen mit der EU Chef der Bank von England sein wird.