Die Faszination hat nachgelassen: Lange galten die sogenannten BRIC-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien und China, als Wachstumswunder. Inzwischen sind die Aussichten gedämpfter, warum, erklärt Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Maschinenbauverbands VDMA:
"Brasilien hat mit strukturellen Problemen zu kämpfen, leidet sicherlich auch unter dem Preisverfall, in Russland- braucht man eigentlich nicht viel zu sagen - sind in einer Wirtschaftskrise, sind im laufenden Jahr in einer Rezession, dazu kommen natürlich auch noch politische Probleme. China hat ein anderes Wachstumsmodell, und Indien ist im Augenblick eher der Lichtblick, nachdem wir dort auch in zwei, drei Jahren, bald ein Drittel unserer Ausfuhren verloren haben, da ziehen wir jetzt wieder an."
Rezession und Arbeitslosigkeit
In Brasilien etwa hält die Rezession an, die Arbeitslosigkeit steigt, und die Inflation liegt im zweistelligen Bereich. In dem südamerikanischen Land gelte es einiges nachzuholen, meint Janis Hübner, Volkswirt der Dekabank:
"Man hat insbesondere versäumt, das Budgetdefizit in den Griff zu bekommen. Und damit fängt die Regierung jetzt so langsam an. Das bedeutet aber auch, solange solche Maßnahmen anhalten, dass der Wirtschaftsausblick zunächst mal trübe bleibt. Wir gehen nicht davon aus, dass es in diesem Jahr deutlich besser wird, und wir befürchten, dass es auch im nächsten Jahr noch nicht durchgreifend besser wird."
Zweistellige Wachstumsraten von zum Teil 20 bis 30 Prozent in den vergangenen Jahren gehören in den BRIC-Staaten wohl für einige Zeit der Vergangenheit an. Die Schwellenländer leiden als Produzenten unter dem Verfall der Rohstoffpreise, umgekehrt haben sie diese aber auch als Nachfrager lange gestützt. So muss man sich auf eine neue Normalität einstellen, die bei Zuwachsraten von vielleicht vier bis fünf Prozent liegen könnte, meint Ralph Wiechers vom VDMA:
"Auch sie brauchen entsprechende strukturelle Reformen, um weiter wachsen zu können. Das Ganze ist nicht frei von Rückschlägen. Generell aber sind wir optimistisch: Schlicht und einfach die Bevölkerungsentwicklung und der Wunsch, an Wachstum, an Wohlstand zu partizipieren, wird dort der Industrie weiterhin den Boden bereiten und damit auch unseren Maschinen und Anlagen."
Zuwachsraten von vier bis fünf Prozent sind realistisch
Einer schnellen Erholung in den BRIC-Staaten könnte aber die anstehende Zinswende in den USA entgegenstehen, erklärt Janus Hübner von der Dekabank:
"Das ganze Umfeld ist für Emerging Markets nicht hilfreich. Denn die meisten Notenbanken in den Emerging Markets können es sich im Moment nicht leisten, die Zinsen anzuheben, das heißt, die Zinsdifferenz schrumpft. Damit wird der US-Markt attraktiver, und es wir Kapital aus den Emerging Markets abgezogen, eine Entwicklung, die wir schon seit Längerem sehen und die noch einige Zeit anhalten dürfte."
Diese Gelder könnten die Schwellenländer für ihr weiteres Wachstum gut gebrauchen. Dennoch sollten die westlichen Industrieunternehmen längerfristig agieren, mahnt Ralph Wiechers vom VDMA:
"Es ist wichtig, dass man hier am Ball bleibt, dass man die Erfolge, die wir ja schon erzielt haben, dort nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Wir haben das ja sehr lebhaft gesehen nach der Asienkrise. Wir hatten teilweise Unternehmen, die sich etwas zurückgezogen haben. Man sollte das nicht leichtfertig aufgeben, sondern sollte die langfristige Entwicklung im Auge behalten, und das auch über Rückschläge hinweg."