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Briefe an Beethoven
„Lieber Ludwig, Sie sind der Alchemist der Töne!“

Beethoven habe die Fähigkeit besessen, aus unspektakulären Tönen Gold zu machen, schreibt der Oboist Albrecht Rudolf Mayer in seinem Brief an den Komponisten. Vor allem mit seinen letzten Sonaten für Fortepiano habe Beethoven die Musikhistorie komplett auf den Kopf gestellt.

Von Albrecht Rudolf Mayer |
    Eine Oboe liegt auf einem aufgeschlagenen Heft mit Musiknoten.
    Wünscht sich, dass Beethoven sein unvollendetes Oboenkonzert zu Ende bringen könnte: Albrecht Rudolf Mayer (picture alliance / Imagebroker)
    Caro Maestro, cher Monsieur, hochverehrtester Ludwig van Beethoven,
    verzeihen Sie mir bitte meine Dreistigkeit, wenn ich mich direkt und ohne Umschweife an Sie wende. Zuerst einmal bin ich, wie der Rest der musikliebenden westlichen Hemisphäre, ein Bewunderer ihrer Kunst! Nicht nur ihre Fähigkeit, quasi aus dem Stegreif auf ihrem Fortepiano konzertreif zu improvisieren wie es die Welt noch nicht hören durfte, sondern Ihr für uns Sterbliche völlig unverständliches Genie, Musik zu schreiben ... hatte ich doch das Glück, mit Ihrer göttlich inspirierten Musik aufwachsen zu dürfen. Nach einem meiner Konzerte in Ihrer Heimatstadt Bonn wurde mir sogar die Ehre zuteil, einige Ihrer Autographen höchstderoselbst in meinen unwürdigen Händen halten zu dürfen!
    Verzweifeln vor dem übergroßen Oeuvre
    Cher Maître, je mehr Zeit ich darauf verwende, Ihre Partituren zu studieren, desto mehr erkenne ich den ungeheuren Abstand, den Sie zu dem Rest der musikschreibenden Zunft geschaffen haben. Es dürfte Ihnen, - in aller Bescheidenheit-, nicht entgangen sein, dass ganze Generationen von mehr oder minder begabten Komponisten an Ihrem übergrossen Oeuvre schier verzweifeln mussten. Sie besitzen die herkulische Fähigkeit, quasi aus "Nichts", das heißt aus wenigen unspektakulären Tönen eines Motivs (siehe der dramatische Beginn Ihrer fünften Sinfonie) Gold zu machen!
    Der Pianist Boris Giltburg
    Briefe an den Komponisten - "Ich liebe Sie, Beethoven"
    Für Boris Giltburg ist Beethoven ein ständiger Begleiter. Der Pianist glaubt, den Komponisten zu verstehen: in seiner Menschlichkeit, in seiner Wut und in seinem Bedürfnis, Mauern zu zerbrechen.
    Ja soweit möchte ich gehen: Für uns alle sind Sie der Alchimist der Töne! Ich durfte Zeuge werden, wie Sie, obwohl Sie mit ihren letzten Streichquartetten und vor allem Ihren letzten Sonaten für Fortepiano die Musikhistorie komplett auf den Kopf gestellt haben, trotzdem - quasi gleichzeitig -, mit Ihrer neunten Sinfonie, der "Ode an die Freude", uns allen ein Stück ihrer eigentlich vollkommen unverständlichen Genialität haben verstehen lassen.
    Das unvollendete Oboenkonzert zu Ende bringen
    Verzeihen Sie mir deshalb meine äusserst unziemliche Bitte an Sie: Ich selber bin nur ein einfacher Oboenspieler und leidenschaftlicher "Luftzerteiler (will sagen Dirigent), aber ich würde mir wünschen, dass Sie, caro Maestro, falls es Ihre überaus kostbare Zeit im Olymp zulassen würde, Ihr einmal angefangenes Konzert für Oboe zu einem glücklichen Ende bringen könnten. Die "incipits", das heißt die Satzanfänge dieses nicht vollendeten Oboenkonzertes lassen die schönsten Hoffnungen in uns allen wachsen. Ich würde mein linkes Bein opfern, natürlich nur sinnbildlich gemeint, um dieses Kleinod aus Ihren Händen zu erhalten, und, - mit Ihrem göttlichen Ratschlag versehen -, dasselbige zur Aufführung bringen zu dürfen! Wollen Sie, caro Maestro, diese meine Worte in ihrem grosszügigen Herzen bewegen?
    Es grüsst Sie Ihr alleruntertänigster Diener
    Albrecht Rudolf Mayer (zu Berlin)