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Briefkastenfirmen
Deutsche Banken unterstützen Transparenzregister

Die deutschen Banken fühlen sich im Zuge der Enthüllung der Panama Papiere pauschalen Vorverurteilungen ausgesetzt. Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, Michael Kemmer, sagte im DLF, die Sensibilität in der Branche sei gestiegen. Kemmer warnte vor einem Verbot von Briefkastenfirmen. Ein Transparenzregister für solche Firmen hält er aber für sinnvoll.

Michael Kemmer im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, Michael Kemmer.
    Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, Michael Kemmer. (Imago / Horst Galuschka)
    Man müsse sich jeden Fall einzeln anschauen, fordert der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Michael Kemmer, im Hinblick auf so genannte Briefkastenfirmen oder Off-Shore-Gesellschaften. Durch die Enthüllung der "Panama Papiere" sind diese in den Fokus gerückt. Eine Reihe von Bankkunden nutzen solche Briefkastenfirmen zum Beispiel, um Geld vor den Steuerbehörden zu verstecken oder auch um Geld aus kriminellen oder terroristischen Aktivitäten zu waschen.
    "Steuerhinterziehung und Geldwäsche - das geht überhaupt nicht. Da besteht Einigkeit im Verband", sagte Kemmer im DLF. Aber es gebe auch legale Zwecke für solche Konstrukte: ein Reeder etwa, der in Panama, ein Schiff aufflaggen wolle, wofür dieser gute Gründe habe. Dafür brauche er vor Ort eine Firma und deshalb gründe man eben eine Off-Shore-Gesellschaft. Die deutschen Banken hätten ihre Strategien in der Vergangenheit bereits geändert und achteten verstärkt darauf, mit wem sie zusammenarbeiteten. Die Sensibilität für solche Themen wie Steuerhinterziehung und Geldwäsche bei den Banken sei gestiegen, betonte Kemmer.
    Vor diesem Hintergrund warnte er vor einem Verbot von Briefkastenfirmen. Die Lösung liege in der Schaffung von Transparenz, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Man unterstütze daher die Planungen der Bundesregierung in diese Richtung. - Justizminister Maas hatte nach der Enthüllung der so genannten Panama Papiere vorgeschlagen, ein Transparenzregister einzuführen, in dem alle wirtschaftlich Berechtigten einer Briefkastenfirma aufgeführt werden müssen. SPD-Fraktionschef Oppermann sprach sich für ein Verbot solcher Firmen aus.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Seit dem Wochenende berichten Dutzende Medien international über mehr als 200.000 Briefkastenfirmen in Panama, in denen Politiker, Prominente und Sportler Geld versteckt haben sollen. In den Blick geraten auch die beteiligten Banken. In Deutschland sollen mindestens 28 Geldinstitute Vermittlungsdienste mit der Wirtschaftskanzlei Mossack Fonseca zusammengearbeitet haben und mehr als 1200 Briefkastenfirmen gegründet oder für Kunden verwaltet. Am Telefon ist Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der deutschen Banken. Schönen guten Morgen.
    Michael Kemmer: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Eine Frage, die sich viele in diesen Tagen stellen, ist: Warum vermitteln Banken ihren Kunden eigentlich Kontakt zu solchen Wirtschaftskanzleien, Kontakt zu der Möglichkeit, Briefkastenfirmen zu gründen, wenn denn allseits bekannt ist, dass oft dunkle Geschäfte mit solchen Geschäftskonstruktionen verbunden sind?
    Kemmer: Da ist unsere Position und auch die Position unserer Mitgliedsinstitute ganz klar. Steuerhinterziehung und Geldwäsche geht überhaupt nicht. Da gibt es auch kein Vertun. Und es kann auch nicht sein, dass ein Kunde zu diesem Zweck an solche Gesellschaften vermittelt wird. Das ist schon seit vielen Jahren sehr deutlich.
    Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, es gibt auch Zwecke von solchen Gesellschaften, die völlig legal sind und auch nichts mit den von Ihnen genannten dunklen Geschäften zu tun haben. Wenn ein Reeder beispielsweise in Panama ein Schiff ausflaggen will, und dafür gibt es wohl gute rechtliche Gründe, dann braucht er in Panama eine Gesellschaft und dann gründet er eine solche Offshore-Gesellschaft. Es werden Immobilien darüber verwaltet. Da gibt es viele Möglichkeiten. Das muss nicht von vornherein anrüchig sein. Es ist natürlich einzuräumen, dass das immer schon ein bisschen komisch klingt, und natürlich gehen da bei den Banken auch die roten Lampen an und es wird sehr genau kontrolliert, wer hinter den Gesellschaften steckt. Da haben die Banken auch sehr strenge Geldwäsche- und Compliance-Vorschriften. Da gucken sie auch sehr genau hin.
    "Wir bewegen uns hier im Bereich Spekulation"
    Barenberg: Lassen Sie uns das gleich noch im Einzelnen besprechen. Aber noch mal zurück zu diesem Punkt, warum vermitteln Banken überhaupt Briefkastenfirmen, warum werden die von Banken betreut und verwaltet. Jetzt haben Sie diesen Reeder genannt, das klang plausibel, der ein Interesse hat, in Panama selber ein solches Unternehmen zu gründen. Aber ist das nicht die absolute Ausnahme bei Hunderttausenden von Firmen, wo oft genug der Verdacht naheliegt, dass gerade mit dieser Konstruktion Gelder versteckt werden sollen, Geldwäsche gemacht werden soll, von organisierter Kriminalität ist die Rede und so weiter?
    Kemmer: Ja. Ich kann das nicht ausschließen und das gibt es da sicherlich auch in vielen Fällen. Nur das Problem ist: Wir bewegen uns hier im Bereich der Spekulation und wir bewegen uns auch ein Stück weit im Bereich der pauschalen Vorverurteilungen, und da muss man einfach genau hinschauen und sich jeden Einzelfall anschauen.
    Barenberg: Aber warum sagen Sie, wir bewegen uns im Bereich der Vorverurteilung? Es gibt ja nun erwiesenermaßen Banken, die Strafgelder gezahlt haben aufgrund solcher Geschäftspraktiken, beispielsweise die Commerzbank, die diese inzwischen ja eingestellt haben?
    Kemmer: Ja das ist völlig richtig und da hat es in der Vergangenheit sicherlich Probleme gegeben. Das ist einzuräumen, das ist überhaupt keine Frage. Aber dennoch ist, glaube ich, eine Verallgemeinerung dieser Dinge schwierig. Und noch mal: Die Banken haben hier auch ihre Strategie geändert und die achten schon sehr genau darauf, mit wem sie welche Geschäfte machen. Da ist auch in den letzten Jahren sehr viel geschehen. Da sind auch die Vorschriften sehr stark verschärft worden. Die Sensibilität für solche Themen ist absolut gestiegen. Gleichwohl, da bleibt schon noch ein Rest an Unbehagen. Das ist überhaupt keine Frage. Das hat jeder von uns und das will ich auch gar nicht wegdiskutieren. Aber man muss die Dinge wirklich immer auch von beiden Seiten sehen. Und letztendlich ist es auch Sache einer jeden Bank und auch eines jeden Kunden, welche Art von Geschäften er machen möchte, welche Art von Geschäften aus welchen Gründen er machen möchte. Da werden immer wieder auch private Gründe angeführt, dass man mit seinem Vermögen auch gerne in der Anonymität bleibt. Ich beurteile das nicht. Ich sage nicht, das ist gut oder das ist schlecht. Aber ich wehre mich einfach ein bisschen dagegen, dass der pauschale Eindruck erweckt wird, dass alle, die mit solchen Gesellschaften zu tun haben, sich irgendwo im dunklen Bereich bewegen. Wie gesagt, da muss man sich jeden Einzelfall genau anschauen. Es ist auch gut und richtig, dass man da hinschaut, und die Banken tun da wirklich einiges dafür.
    Transparenzregister besser als Verbote
    Barenberg: Herr Kemmer, wenn Sie sagen, ein Rest Unbehagen bleibt, heißt das dann auch, dass Sie trotzdem dagegen sind zu tun, was beispielsweise Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel von der SPD jetzt vorschlägt, nämlich Briefkastenfirmen schlicht da, wo es technisch möglich ist, zu verbieten?
    Kemmer: Da geht die Diskussion ja sehr kontrovers. Ich selber habe dazu keine persönliche Meinung. Da kenne ich mich zu wenig dazu aus. Aber es gibt viele Experten, die sagen, Briefkastenfirmen sind notwendig. Gestern hat beispielsweise der neue Chef des Ifo-Instituts sehr klar darauf hingewiesen, dass es wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre, die Briefkastenfirmen zu verbieten, weil es eben auch viele vernünftige Zwecke gibt. Ich glaube, die Lösung liegt nicht in generellen Verboten, sondern die Lösung liegt darin, dass man alle Beteiligten dazu verpflichtet, Transparenz zu schaffen. Das hat ja auch gestern die Bundesregierung noch mal gefordert. Wir unterstützen diese Initiative. Wir haben schon letztes Jahr bei der Verabschiedung der Richtlinie zur Geldwäsche-Terrorfinanzierung darauf hingewiesen, dass es gut wäre, ein solches Register zu haben. Da ist die Bundesregierung nicht drauf eingegangen. Jetzt möchte sie es tun. Das begrüßen wir. Ich glaube, das ist der richtige Weg, dass man Transparenz schafft, um möglichst auszuschließen, dass hier unlautere Dinge passieren können. Aber mit generellen Verboten von bestimmten wirtschaftlichen Aktivitäten bin ich eigentlich in einer Marktwirtschaft immer recht vorsichtig.
    Barenberg: Lassen wir vielleicht einen Augenblick offen, was solche vernünftigen Zwecke sein könnten. Sie haben ein Beispiel genannt. Vielen fällt es schwer nachzuvollziehen, welche wirtschaftlichen Zwecke sonst noch in Frage kommen würden. Aber lassen Sie uns über die Transparenz reden. Da geht es ja unter anderem um die Frage, wer eigentlich diese Informationen über am Ende die Begünstigten solcher Geschäftskonstruktionen bekommen soll. Sind Sie dafür, dass im Grunde jeder die Information bekommen können soll, wer hinter einer solchen Firma steckt?
    Kemmer: Es ist richtig, das offenzulegen. Es ist richtig, das den Steuerbehörden offenzulegen. Es ist natürlich richtig, darauf zu achten, dass hier keine Transaktionen damit verbunden sind, wo der Verdacht besteht, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung dadurch ausgelöst werden könnte. Da muss man ganz genau hinschauen. Ob man jetzt ein Register machen muss, wo Sie im Internet nachschauen können, welcher Name steckt hinter welcher Firma, wahrscheinlich wäre es kein Problem, aber ich sehe da jetzt auch nicht unbedingt die Notwendigkeit dazu.
    Barenberg: Für Journalisten beispielsweise, die ja jetzt überhaupt erst diesen Skandal aufgedeckt haben.
    Kemmer: Ich kann mir das durchaus vorstellen. Wie gesagt, ich will da kein abschließendes Urteil abgeben. Aber es würde viel von der Skandalisierung, glaube ich, weggehen, wenn man hier Transparenz hätte und man in jedem einzelnen Fall nachschauen könnte, wer hat so eine Firma und zu welchem Zweck hat er so eine Firma. Inwieweit das praktikabel ist, vermag ich nicht zu ermessen. Ich finde es nur ein bisschen schade, dass so wie jetzt natürlich eine Riesenskandalisierungsmaschinerie anläuft, wo alle Dinge in einen Topf geschmissen werden. Noch mal, da sind sicherlich schwierige Sachen dabei. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Aber es ist schon ein Problem, wenn man hier mit großen Rundumschlägen und großen Verallgemeinerungen dann auch ganz schnell eher populistische Forderungen aufstellt. Vielleicht ist Ihre Idee, da eine große Transparenz für alle zu schaffen, gar nicht so schlecht, weil dann wirklich die Aufregung sich ein bisschen legen würde.
    Barenberg: Um solche Pauschalisierung zu vermeiden, reden wir ja schließlich auch miteinander, Herr Kemmer.
    Kemmer: Ja.
    Strenge Geldwäsche-Vorschriften in Deutschland
    Barenberg: Nun sagt der grüne Finanzpolitiker Sven Giegold aus dem EU-Parlament, die Banken sind die Schwachstelle des Systems, sie werden benötigt, um beispielsweise gewaschenes Geld wieder in den internationalen Kreislauf einzuspeisen. Was ist daran falsch, dass die Banken jedenfalls eine wichtige Funktion haben in solchen Geschäften?
    Kemmer: Ich kann Ihnen nur sagen, dass Giegold da mit seiner Meinung durchaus alleine steht. Wenn Sie das Interview vom Präsidenten des Bundeskriminalamts Münch gestern in der Osnabrücker Zeitung lesen, dann lesen Sie, dass er gesagt hat, die Banken sind bei der Bekämpfung der Geldwäsche vorbildlich. Es gibt hier durchaus noch Schwachstellen in anderen Bereichen der Wirtschaft, aber die Banken sind vorbildlich. Deshalb ist das, was Giegold sagt, zumindest für die deutschen Banken - nur dafür kann ich sprechen, nur das kenne ich - einfach unzutreffend. Wir haben in Deutschland extrem strenge Geldwäsche-Vorschriften. Die werden auch sehr gut eingehalten, die werden auch sehr gut überwacht von Wirtschaftsprüfern, von der Bankenaufsicht, von verschiedenen Institutionen. Das kostet die Banken sehr viel Geld, ist ein hoher bürokratischer Aufwand, aber das funktioniert seit einigen Jahren ziemlich gut. Also ich kann das nicht nachvollziehen, was er da sagt.
    Barenberg: Macht Ihnen Sorgen, dass die Bundesfinanzaufsicht jetzt auch Fälle in Deutschland, die im Zuge dieser ganzen Daten-Leaks zutage kommen, in den Blick nehmen will?
    Kemmer: Das macht mir keine Sorgen. Das ist völlig normal. Das ist auch Aufgabe der Bankenaufsicht, dass sie, wenn solche Dinge hochkommen, nachschauen muss, dass sie prüfen muss, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Nur wie gesagt, die Regeln sind sehr streng. Die Banken haben ja auch in den letzten Jahren häufig ihre Strategie geändert und sind hier sehr penibel, dass da auf jeden Fall nichts anbrennt und nichts Anrüchiges passiert. Ich erwarte nicht, dass aus diesen Untersuchungen der Bankenaufsicht schlimme Dinge zutage kommen. Ich finde gut, dass sie diese Untersuchungen macht. Wie gesagt, das ist in Teilen auch Routine. Wir begrüßen das. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da irgendetwas Schreckliches ans Tageslicht kommt.
    Barenberg: Wir haben schon darüber gesprochen, es wird Vorschläge auf dem politischen Parkett geben. Es geht auch darum, dass die Banken - und das haben sie in den vergangenen Jahren ja getan, das haben Sie dargestellt - von sich aus etwas getan haben. Wir haben kurz darüber gesprochen. Wie überprüfen denn die Banken in Deutschland, ob es sich um einen vertrauenswürdigen Kunden handelt mit Blick auf solche Offshore-Geschäfte?
    Kemmer: Da gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten. Da gibt es Register, in die Personen aufgenommen werden, die sich da schon etwas haben zuschulden kommen lassen. Da gibt es bestimmte Adressen, wo Finanzströme herkommen, wo Finanzströme hingehen. Da gibt es ein sehr detailliertes Netz an Compliance-Vorschriften und Compliance-Maßnahmen. Das ist sehr engmaschig und wird über all diese Geschäfte gestülpt. Sie können natürlich nie hundertprozentig sicher sein, dass nicht irgendeiner durch ein wie engmaschig auch immer geknüpftes Netz durchschlüpft, aber es ist schon sehr engmaschig geknüpft und da werden auch viele Dinge im Vorfeld angehalten. Ich habe gestern noch gelesen, dass es von einigen deutschen Banken auch durchaus schon Geldwäsche-Verdachtsanzeigen gab bei Transaktionen, die mit dieser Kanzlei in Panama gelaufen sind. Da hat man schon ein sehr enges System etabliert, was schon viele Dinge anhält. Wie gesagt, eine hundertprozentige Garantie, dass gar nichts mehr passiert, die haben Sie nie in solchen Fällen. Das ist ein Massengeschäft. Aber die Systeme sind schon ziemlich gut.
    Barenberg: … sagt Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der deutschen Banken. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Kemmer: Gerne! Alles Gute.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.