Donald Trump lässt keine Gelegenheit aus, um gegen die Briefwahl zu polemisieren: Sie lade zur Wahlfälschung geradezu ein, behauptete er in mittlerweile 70 öffentlichen Verbalattacken in fünf Monaten.
Für Wahlbetrug gibt es beim Mittel der Briefwahl jedoch keinerlei Beweise, sagen die Experten, die sich auf ungezählte Gutachten stützen. Doch Donald Trump will ihnen keinen Glauben schenken. Wenn sich immer mehr Bundesstaaten für die Briefwahl entscheiden, könnte die Wahlbeteiligung steigen, so seine Befürchtung, und das könnte am 3. November zu seinen Lasten gehen. Deshalb erklärt er die Briefwahl kurzerhand zur nationalen Katastrophe.
In den Strudel dieser Kampagne ist nun auch der US Postal Service geraten, die staatliche Post – ein durch viele Budgetkürzungen des Kongresses heruntergewirtschaftetes Unternehmen, das laut Donald Trump auf die Flut von Millionen von Briefunterlagen überhaupt nicht vorbereitet ist:
Post lieferte Briefwahlunterlagen zu spät aus
Er verweist dabei auf Probleme bei den jüngsten Vorwahlen zum Beispiel in Wisconsin, Michigan, North Carolina oder Pennsylvania – also vorwiegend Wechselwählerstaaten, die Donald Trump für seine Wiederwahl unbedingt gewinnen muss. Dort konnten entweder Tausende von Stimmen nicht mitgezählt werden oder die Auszählung verzögerte sich um viele Tage. Schuld war die Post: Sie lieferte Briefwahlunterlagen zu spät aus oder brachte ausgefüllte Wahlscheine nicht rechtzeitig zurück in die Wahllokale. Trump fühlte sich bestätigt: Die Post wird nicht gut geführt, sagte er, die Ausstattung sei völlig veraltet.
Deshalb setzte Donald Trump im Mai einen neuen postmaster general ein – einen neuen Postchef, der seither den Rotstift ansetzt, mitten in der Coronakrise und nur wenige Monate vor der Wahl. Louis DeJoy heißt er, und er setzte durch, dass Schichten gestrichen, Überstunden abgebaut und Sortiermaschinen frühzeitig abgeschaltet werden. Außerdem veränderte er die eingespielten Auslieferungsrouten der Post. Das Ergebnis: Die gesamte Briefpost leidet mittlerweile an chronischer Verspätung. Allerdings darf man dieses pikante Detail nicht unterschlagen: Louis DeJoy, der von seinen Mitarbeitern nur noch Louis DeLay, Verspätung, genannt wird, ist ein strammer Trump-Anhänger.
Zwei Millionen Dollar hat er seinem Präsidenten gespendet. Kein Wunder, dass die Demokraten misstrauisch vermuten, dass DeJoy mit Freude umsetzt, was sein oberster Dienstherr politisch eingefädelt hat: Nämlich die Post in seiner Kampagne gegen die Briefwahl politisch zu instrumentalisieren. Niemand Geringeres als Barack Obama beschuldigte die Trump-Administration unlängst bei dem Begräbnis von John Lewis, die Post in Misskredit zu bringen, um die Menschen davon abzuhalten, zur Wahl zu gehen.
Demokraten: Feuer und Flamme für die Briefwahl
Louis DeJoy wurde jetzt von den Demokraten für Mitte September in den Kongress geladen, wo er Rede und Antwort stehen soll. Indes ist auch vielen Republikanern nicht ganz wohl bei Trumps allzu durchsichtiger Kampagne. Trump könnte damit der Wahlbeteiligung der Republikaner erheblich schaden. Während die Demokraten Feuer und Flamme für die Briefwahl in Coronazeiten sind, ist das Interesse bei den Republikanern nur lau. Kim Wyman, Republikanerin und gewissermaßen Außenministerin des Bundesstaates Washington, fordert vom Kongress die Freigabe von Geldern, um die Unpässlichkeiten der Post auszugleichen – etwa durch mehr Wahllokale.
Kim Wyman kann sich allerdings mit Blick auf ihre Parteifreunde nicht viel Hoffnung machen. Die Demokraten wollen in ihrem Entwurf für das vierte Corona-Hilfsprogramm 25 Milliarden Dollar für die Post lockermachen. Die Republikaner keinen Cent.