In Jugoslawien drohte Krieg. Zwei der sechs Teilrepubliken, Slowenien und Kroatien, hatten im Juni 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt. Die Armee des Bundesstaats war ausgerückt, um die Grenzübergänge Sloweniens zu Österreich und Italien in Besitz zu nehmen. Mit Panzern versuchten die Truppen, in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana Barrikaden aus dem Weg zu räumen. Die Europäische Gemeinschaft, im Jahr des Gipfels von Maastricht gerade im Begriff sich zu vertiefen, verstand die Krise als Bewährungsprobe.
"Unser erstes Anliegen ist, dass die Waffen schweigen, dass es nicht mehr zu einem weiteren Blutvergießen kommt, dass die Armee in ihre Kasernen zurückkehrt und dass auch die Ausführung dieser Unabhängigkeitserklärungen suspendiert wird für eine gewisse Zeit, also ein Moratorium."
So Luxemburgs Außenminister Jacques Poos, der damals als Ratspräsident fungierte. In Begleitung seines Vorgängers und seines Nachfolgers reiste Poos auf die Adria-Insel Brioni und handelte mit den streitenden Parteien ein Abkommen aus. Erfolgreich, wie es schien: Der Krieg in Slowenien war nach zehn Tagen zu Ende, am 8. Juli 1991 begann die Volksarmee, sich zurückzuziehen. Wenigstens die Slowenen konnten aufatmen. Ihr heutiger Regierungschef Miro Cerar:
So Luxemburgs Außenminister Jacques Poos, der damals als Ratspräsident fungierte. In Begleitung seines Vorgängers und seines Nachfolgers reiste Poos auf die Adria-Insel Brioni und handelte mit den streitenden Parteien ein Abkommen aus. Erfolgreich, wie es schien: Der Krieg in Slowenien war nach zehn Tagen zu Ende, am 8. Juli 1991 begann die Volksarmee, sich zurückzuziehen. Wenigstens die Slowenen konnten aufatmen. Ihr heutiger Regierungschef Miro Cerar:
"We were all very happy that it was only 10 days of war … Wir waren alle sehr glücklich, dass es nur zehn Tage waren, obwohl es schwierig war. Wir wollten natürlich einen bewaffneten Konflikt verhindern. Aber als wir dann sahen, was danach auf dem Balkan alles passiert ist, waren wir doch sehr froh, dass wir unsere Nachbarn und die EG nach zehn Tagen überzeugen konnten, dass wir die Unabhängigkeit verdient hatten. … that we deserved this independence."
Ein Gegenspieler weniger
Aber die europäischen Freunde verstanden nicht, dass Frieden für Slowenien zugleich Krieg für Kroatien bedeutete. Nicht um den Erhalt Jugoslawiens ging es in Wirklichkeit, sondern nur noch um die Verteilung der Konkursmasse. Am ethnisch homogenen Slowenien hatten die Mächtigen in Belgrad gar kein Interesse, nur an Kroatien: Dort lebte eine starke serbische Minderheit, deren Siedlungsgebiete der serbische Präsident Slobodan Milošević einem künftigen serbischen Nationalstaat einverleiben wollte. Das Friedensabkommen von Brioni, das die Europäer als Erfolg feierten, verblasste hinter dem folgenden Geschehen vollkommen.
"Wenn man jetzt nicht als Historiker spricht, sondern als eine einfache Bürgerin, würde ich sagen: Es war total bedeutungslos. Und wenn man jetzt heute auf die Straße gehen [würde] und die Leute fragt, was die Brijunska deklaracija ist: Ich bezweifle, dass irgendjemand was dazu zu sagen hat", meint die bosnische Südosteuropa-Historikerin Armina Galijaš.
Dass Slowenien unabhängig werden konnte, war längst beschlossene Sache. Aber in Kroatien nahm der Krieg erst jetzt richtig Fahrt auf: Nachdem die Armee sich aus Slowenien zurückgezogen hatte, wo sie nichts gewinnen konnte, konnte sie sich jetzt ganz auf den kroatischen Schauplatz konzentrieren. Und auch politisch war das Abkommen für Milošević günstig: Mit dem Ausscheiden des lästigen Slowenien hatte der serbische Präsident in Jugoslawien einen wichtigen Gegenspieler weniger.
Symbol für die Ahnungslosigkeit der Europäer
"Der slowenische Egoismus ist auch ein Stereotyp, das in Jugoslawien damals geherrscht hat. Und am Anfang hat man schon in Kroatien die Slowenen als Verbündete gesehen. Sie haben gesagt: Okay, wir ziehen das jetzt zusammen durch, und sie haben auch am gleichen Tag die Unabhängigkeitserklärung ausgerufen, und dann hatten plötzlich die Slowenen die besseren Karten."
Brioni wurde sprichwörtlich für die Ahnungslosigkeit der Europäer – und für ihre Uneinigkeit. Ihre Uneinigkeit hinderte die Staats- und Regierungschefs der EG aber nicht, sich zu Verhandlungsführern aufzuschwingen. Die Troika aus den drei Außenministern hatte sich überhaupt erst im Flugzeug nach Jugoslawien auf eine gemeinsame Taktik für die Gespräche in Brioni verständigt, plauderte später ein Begleiter aus. Armina Galijaš erkennt in den Differenzen der Europäer auch ein Wahrnehmungsproblem.
"Alle haben über Jugoslawien gesprochen, aber alle haben eine andere Vision von Jugoslawien gehabt. Jugoslawien heißt jetzt nicht das gleiche für Milošević oder das gleiche für Ante Marković zum Beispiel oder das gleiche für die Europäische Gemeinschaft damals."
Verschiedene Perspektiven aber, so Galijaš, haben die Europäer ja auch auf sich selbst, ganz wie seinerzeit die Jugoslawen: Die einen sehen eine Art neuen Nationalstaat in Europa, die anderen eine reine Zweckgemeinschaft. Für den geschickten Milošević war es eine Klaviatur, auf der sich hervorragend spielen ließ.