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Briten im französischen Périgord (5/5)
Der Brexit sitzt mit am Tisch

Europa hat Fortschritte gemacht seit dem 13. Jahrhundert. In Beaumont – einem Dorf, das einst zur Kriegsführung erbaut wurde – trinken Briten, Franzosen und Deutsche heute gemeinsam Wein. Doch auch unter Auswanderern wird um Positionen zum Brexit gerungen.

Von Simonetta Dibbern |
    Im Mittelalter verschanzen sich die Engländer in Frankreich gegen die Franzosen noch in solchen Festungen. Heute sitzen sie friedlich beim Wein
    Im Mittelalter verschanzen sich die Engländer in Frankreich gegen die Franzosen noch in solchen Festungen. Heute sitzen sie friedlich beim Wein (Deutschlandradio / Simonetta Dibbern)
    "Das ist Keith, König des Périgord. Er lebt hier seit 30 Jahren und kennt jeden."
    Martin Walker hat einen großen Tisch reserviert, beim Marché Gourmand im Städtchen Beaumont – ein gemeinschaftliches Abendessen unter freiem Himmel für Einheimische, Zugezogene und Touristen. Ein fröhliches Sprachengemisch herrscht an den Tischen und an den Essenständen, die Spezialitäten der Region anbieten.
    "Hier sprechen wir auf dem Platz eines Dorfes, das ursprünglich dafür gebaut wurde, Krieg zu führen, im 13. Jahrhundert. Um diesen Ort gegen die Franzosen zu verteidigen. Schauen Sie, die Kirche sieht aus wie eine Festung. Und jetzt sitzen wir umgeben von den alten Häusern, über uns ein Dach aus Holzbalken. Und um uns herum hunderte von Deutschen, Franzosen, Engländern, Schotten – und wir sind alle glücklich. Welchen Pass einer hat, interessiert niemanden. Was hier wichtig ist sind Fragen wie: Weinen die Kinder? Hast du gut gegessen? Ist noch Wein da? Wir haben Fortschritte gemacht, das ist doch großartig!"
    Er hebt das Glas und prostet seinem Freund Raymond zu, der gerade angekommen ist.
    Sympathie für den Brexit unter Auswanderern
    Beaumont ist ein sogenanntes Bastidenstädtchen, wie es viele gibt im Périgord. Auch hier leben viele Briten. Noch, sagt der Schriftsteller Martin Walker:
    "Und ich bin, so wie viele von uns, sehr besorgt, wie sich der Brexit auswirken wird. Viele Engländer, die hierherziehen, sind Rentner, also schon älter und mit entsprechenden Gesundheitsproblemen. Solange wir in der EU sind, ist das kein Problem. Aber das könnte es werden. Und ich finde es ausgesprochen erstaunlich, dass einige der Briten hier für den Brexit gestimmt haben. Was tut ihr?' habe ich sie gefragt."
    Einer von denen, die dem Brexit etwas abgewinnen können, sitzt direkt neben ihm am Tisch: ein kleiner runder Mann mit weißem Haar und Sommersprossen auf der hohen Stirn: "Keith Samuel Lunn Duffin."
    Der König des Périgord, 87 Jahre alt. Früher war Keith Samuel Autohändler in Yorkshire. Er hat sich gerade eine Entenwurst geholt, die ist nirgends so köstlich wie hier, sagt er. Im Sommer geht er mit seiner Frau jeden Abend zu einem kulinarischen Nachtmarkt in der Gegend. Dann braucht er nicht zu kochen:
    "I do the cooking at home normally. So it's my holiday."
    "Lebte ich in England, hätte ich für Austritt gestimmt"
    Er streicht die Stoffserviette glatt, die an einem goldenen Kettchen vor seinem Bauch hängt.
    "Hier zu leben, ist das Paradies, das sage ich jedem, der herkommt – weil es wirklich wahr ist! Die Leute sind so nett hier, wir kommen sehr gut aus, mit den Franzosen und mit allen anderen Nationalitäten – und die Straßen sind so schön ruhig, es ist wirklich der Himmel auf Erden."
    Vor mehr als 30 Jahren ist Keith nach Beaumont gezogen, seiner ersten Frau zuliebe, die nach dem Tod der Tochter depressiv geworden war. Weil er geblieben ist und damit seit mehr als 15 Jahren im Ausland lebt, konnte er sich am Brexit-Votum nicht beteiligen.
    "Doch wenn ich eine Stimme gehabt hätte, weiß ich nicht, was ich gemacht hätte. Würde ich in England leben, hätte ich für den Austritt gestimmt. Denn wir wollen unsere Angelegenheiten selbst regeln, nicht diese Eurokraten alles bestimmen lassen, wir brauchen Freiheit! Und auch wenn ich in Frankreich lebe: Ich bin durch und durch Engländer."
    "Nun hat sich herausgestellt, dass ich Europäerin bin"
    Keith ist mit seiner Meinung allein am Tisch – doch gestritten werden soll heute Abend nicht. "Politik bei Tisch stört die Gemeinschaft", sagt man in Frankreich. Martin Walker, der Brite, ist Franzose genug, um das zu beherzigen – er stimmt lieber ein Lied an.
    Ein altes Lied aus Yorkshire über einen Mann, der ohne Hut durch das Moor geht. Eine Frau am Nachbartisch dreht sich um und hört den beiden lächelnd zu. Auch sie ist Engländerin. Jedenfalls dem Pass nach, sagt sie:
    "Das habe ich immer gedacht: dass ich eben Engländerin bin. Aber nun hat sich herausgestellt, dass ich Europäerin bin. Als die Abstimmung kam, fragte ich mich, was wichtiger ist. Ich bin Europäerin – und darum werde ich demnächst hierher umziehen."