Bei der Vermehrung von Viren entstehen Fehler, Mutationen. Weltweit sind weit mehr als 10.000 Mutationen von SARS-CoV-2 registriert. Allerdings haben sich bislang nur wenige Mutanten so entwickelt, dass sie dem Erreger selektive Vorteile verschaffen und den Pandemieverlauf beschleunigen. Vier bedenkliche Varianten (Variants of Concern, abgekürzt VOC) sind derzeit besonders unter Beobachtung. Die WHO hat ihnen Namen aus dem griechischen Alphabet gegeben: Alpha, Beta, Gamma, Delta und Lambda.
- Delta-Variante (B.1.617.2, Indien)
- Alpha-Variante (B.1.1.7, Großbritannien)
- Beta-Variante (B.1.351, Südafrika)
- Gamma-Variante P.1 (Brasilien)
- Lambda-Variante C.37 (Peru)
- Welche Folgen haben infektiösere Varianten?
- Führen hohe Fallzahlen zu mehr gefährlichen Mutationen?
- Wie bekämpft man Escape-Varianten?
Von den Varianten ist bekannt, dass sich bei ihnen die Struktur des Spike-Proteins verändert hat. Mit diesem Eiweißmolekül dockt das Virus an der Oberfläche von Körperzellen an und verschafft sich Einlass. Somit haben die Mutationen bildlich gesprochen einen besseren Schlüssel und gelangen schneller und effektiver in die Zellen des Menschen.
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Die WHO hat den Virus-Varianten mittlerweile Namen aus dem griechischen Alphabet gegeben. Damit will sie vermeiden, dass Länder oder Regionen mit bestimmten Varianten in Verbindung gebracht und Menschen stigmatisiert werden. Nach dem neuen Schema wird die zuerst in Großbritannien aufgetauchte Virusmutante (B.1.1.7) nun als Alpha bezeichnet, die in Südafrika entdeckte (B.1.351) Beta und die in Brasilien bekannt gewordene (P.1) Gamma. Die in Indien verbreitete Mutante B.1.617.2 heißt jetzt Delta. Die Variante aus Peru heißt Lambda
Die Bestimmung der verschiedenen Virusvarianten unter den Neuinfektionen erfordert aufwendige Analysen. Deshalb blicken die VOC-Berichte des RKI nur bis in die Zeit vor rund zwei Wochen zurück. Danach sieht die aktuelle Verteilung der Virusvarianten in Deutschland wie auf der folgenden Grafik aus:
Die Delta-Variante (B.1.617.2) trat zum ersten Mal in Indien auf, verbreitet sich aber inzwischen unterschiedlich stark in Regionen auf der ganzen Welt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet damit, dass Delta zur weltweit dominierenden Variante wird.
Ausführliche Informationen zur Delta-Variante finden Sie hier:
Die Coronavirus-Mutante B.1.1.7, die zunächst als "britische Variante" bezeichnet wurde, setzte sich in Deutschland im Frühjahr 2021 durch und war bis zum Juni die klar dominierende Variante. Inzwischen zeichnet sich aber bereits ab, dass Alpha von der Delta-Variante überholt wird - womöglich schon im Laufe des Sommers. (Stand 29.6.2021)
Unterschiede B.1.1.7 zum Wildtyp
Bei der Alpha-Variante ist das Virus an mehreren Stellen mutiert. Das Spike-Protein ist so verändert, dass es besser an menschliche Körperzellen andocken kann. Forscher vermuten, dass sich damit auch die Virenlast erhöht und der Krankheitsverlauf sich um mehrere Tage verlängert - statt acht auf mehr als 13 Tage. Daher werden in Deutschland aktuell 14 Tage Quarantäne verhängt.
Welche Krankheitsverläufe sind bei einer Infektion mit B.1.1.7 zu erwarten?
Die Virusmutante ist zwischen 43 und 90 Prozent ansteckender als das Ursprungsvirus. Sie ist aber laut einer Studie von April 2021 möglicherweise nicht gefährlicher, was den Krankheitsverlauf angeht. Die Wissenschaftler konnten keinen Zusammenhang der Variante mit einer schweren Krankheit oder Tod feststellen. Der Infektiologe Clemens Wendtner erklärte im Deutschlandfunk, dass die Symptome dieselben seien wie bei der Standardvariante – mit einer Ausnahme: Auch Kinder könnten schwerer erkranken.
Wie wirksam sind bisherige Impfstoffe gegen B.1.1.7?
Die in Deutschland zugelassen Impfstoffe schützen auch gegen die britische Mutante. Der Impfstoff von BioNTech/Pfizer wirkt effektiv, entsprechende Daten zu der Studie wurden im Fachblatt "Nature Medicine" veröffentlicht. Auch Moderna meldet eine hohe Wirksamkeit bei der Variante. Der Impfstoff von AstrazenecaZeneca weist laut einer noch nicht abgeschlossenen Studie eine ähnlich hohe Wirksamkeit wie gegen den Wildtyp auf - er ist zu 75 Prozent wirksam.
Die als "südafrikanische Variante" bekannt gewordene Mutation spielt in Deutschland nur eine sehr geringe Rolle. Ihr Anteil liegt laut RKI konstant bei gut einem Prozent der untersuchten Proben.
Unterschiede Beta zum Wildtyp
Auch B.1.351 beinhaltet mehrere Mutationen, davon eine im Spike-Protein, die offenbar die Bindung von Antikörpern beeinträchtigt. Diese Mutante kann somit der Immunantwort besser ausweichen. Forscher schätzen, dass B.1.351 etwa 50 bis 60 Prozent ansteckender ist als der Wildtyp, also nicht ganz so ansteckend wie die britische Mutante. Auch hier scheinen sich vermehrt jüngere Menschen anzustecken - auch Kinder.
Welche Krankheitsverläufe sind bei Beta zu erwarten?
Weil Beta ansteckender ist als der Wildtyp, sind nur geringere Mengen an Viren vonnöten, um eine Infektion auszulösen. Es gibt zudem Hinweise, dass sich Menschen nach überstandener Infektion wieder mit dieser Variante anstecken können. Laut der K.R.I.S.P.-Forscher aus Durban in Südafrika scheint die neue Mutante aber nicht tödlicher zu sein als das Ursprungsvirus.
Wie wirksam sind bisherige Impfstoffe gegen B.1.351?
Die südafrikanische Mutante B.1.351 bereitet Sorgen, weil sie der Immunantwort teilweise ausweichen kann. Die Wirksamkeit der Impfstoffe könnte dadurch verringert sein. So soll der Astrazenecazeneca-Impfstoff laut einer Studie nur einen "minimalen Schutz" gegen milde und mittelschwere Krankheitsverläufe bieten. "Die Geimpften können sich anstecken, entwickeln dann auch Symptome", erläutert der
Dlf-Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth
und fügt an: "Vor einem schweren Krankheitsverlauf scheinen sie aber nach wie vor geschützt zu sein."
Die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna wirken dagegen auch gegen die in Südafrika aufgetauchten Mutationen von SARS-CoV-2 effektiv.
Die Variante P.1 wurde bisher nur vereinzelt in Deutschland nachgewiesen und liegen laut RKI aktuell bei einem konstant niedrigen Anteil von 0,1 Prozent.
Unterschiede Gamma zum Wildtyp
P.1 weist mehrere Mutationen auf, sie ähnelt laut Angaben des RKI in ihren Veränderungen der südafrikanischen Variante. Auch hier scheint es eine reduzierte Wirksamkeit neutralisierender Antikörper bei Genesenen oder Geimpften zu geben. Außerdem scheint auch diese Mutante ansteckender zu sein als der Wildtyp. Forscher berichten von einer um 1,4- bis 2,2-mal erhöhten Übertragbarkeit.
Welche Krankheitsverläufe sind bei Gamma zu erwarten?
Dazu gibt es nur wenige belastbare Daten. Eine Studie kommt zwar zu dem Schluss, dass es einen Anstieg des relativen Sterblichkeitsrisikos durch P.1. gibt, allerdings untersuchten sie nur die Situation in der brasilianischen Stadt Manaus, dessen Gesundheitssystem überlastet war. Die Forscher kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass man sich trotz einer überstandenen Infektion mit dem Wildtyp wieder anstecken kann.
Wie wirksam sind bisherige Impfstoffe gegen Gamma?
Dazu gibt es bisher nur wenige und noch dazu widersprüchliche Untersuchungen. Ein vorläufiger Bericht kommt zu dem Schluss, dass Impfstoffe gegen Gamma besser wirken als gegen die südafrikanische Variante - aber schlechter als gegen den Wildtyp. Nach einer weiteren noch nicht veröffentlichen Studie haben die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Modena allerdings eine geringere Schutzwirkung.
Die sogenannte Lambda-Variante ist bei der WHO seit dem 15. Juni 2021 eine "Variante unter Beobachtung". Sie tritt vor allem in Südamerika auf und wurde zuerst im August 2020 in Peru nachgewiesen. Die neue Variante könnte antsteckender sein. Umfangreiche Studien gibt es dazu allerdings noch nicht, wie die Behörde Mitte Juni mitgeteilt hat.
In Peru sind seit April 81 Prozent der untersuchten Proben auf die Lambda-Variante zurückzuführen. In anderen südamerikanischen Ländern wie Argentinien und Chile waren es rund ein Drittel der Proben. Mittlerweile wurden auch Fälle in Spanien und Großbritannien nachgewiesen, in Deutschland sind sie bisher laut Stichproben des RKI nur vereinzelt aufgetreten.
Unterschiede Lambda zum Wildtyp
Laut RKI weist C.37 mehrere Mutationen im Spike-Protein auf (D614G T859N F490S, L452Q, T76I, G75V). Einige Mutationen bei Lamda sind neu, andere kennt man schon von den Varianten Alpha, Beta und Gamma, sagt Dlf-Wissenschaftsexpertin Julia Polke.
Die Variante scheint auch ansteckender als der Wildtyp zu sein, zeigt aber dennoch bisher kein aggresiveres Verhalten als die anderen Varianten, so Jairo Méndez-Rico, Experte für Viruserkrankungen bei der WHO, gegenüber der Deutschen Welle: "Bisher gibt es keine Hinweise auf ein aggressiveres Verhalten der Lambda-Variante. Obwohl die Möglichkeit einer höheren Ansteckungsrate besteht, haben wir noch nicht ausreichend belastbare Studien, um sie mit Gamma oder Delta vergleichen zu können." Erste Daten zeigen aber: Dei Impfung wirkt schon, vor allem wenn sie vollständig ist.
Durch Mutationen verändert sich ein entscheidender Parameter der Modellrechnungen: die Ansteckungsgefahr des Virus. Gesellschaftlich macht es einen großen Unterschied, ob ein Virus sich schneller verbreitet. Denn dann greifen die Gegenmaßnahmen nicht mehr so gut.
Hohe Inzidenzwerte in Kombination mit vorerst geringer Impfgeschwindigkeit sind wie eine Art Brutkasten für Mutationen. Nach einem aktuellen Forschungsprojekt von der New Yorker Rockefeller Universität ist allerdings eher nicht davon auszugehen, dass das Virus beliebig viele neue Mutationen bilden kann. Es ist daher möglich, dass bereits alle relevanten Mutationen entdeckt wurden.
Solange sich das Virus weiter verbreitet, können neue Mutanten entstehen, die die Immunantwort unterlaufen und die Wirksamkeit einer Impfung verringern, die Escape-Mutationen. Impfstoffe lassen sich aber verhältnismäßig leicht auf neue Mutationen anpassen, denn der zentrale Bestandteil der meisten Impfstoffe ist Erbinformation – und diese lässt sich verhältnismäßig leicht verändern. Nahezu alle bekannten Impfstoffhersteller arbeiten bereits daran. Es werden also Auffrischungsimpfungen wahrscheinlich nötig sein.
Mathias Pletz, Direktor der Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene an der Universität Jena erklärte dazu im Dlf, dass sich andererseits bei einer niedrigen Viruszirkulation auch weniger Viren replizieren. Damit sinke auch die Wahrscheinlichkeit, dass dabei neue Mutanten entstehen. Durch die dann erlangte Grundimmunität in der Bevölkerung werde dann nicht mehr die Vielzahl an schweren Verläufen auftreten, selbst wenn es Mutanten gibt.
Quellen: Dlf, RKI, Volkart Wildermuth, Tiroler Tageszeitung, ORF, jma, og