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Britische Studie
Wie schwache Radioaktivität auf den Körper wirkt

Britische Forscher haben wissenschaftliche Studien über die gesundheitlichen Auswirkungen von Radioaktivität untersucht. Ihr Augenmerk lag dabei auf niedrigen Strahlungsdosen. Deren Folgen sind schwer zu beurteilen - schon aus statistischen Gründen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Eine Mutter und ihr Kind werden nach dem Atomunfall von Fukushima im März 2011 auf radioaktive Bestrahlung untersucht.
    Wie gefährlich sind niedrigen Dosen Radioaktivität? (dpa/picture alliance/EPA/Asahi Shimbun)
    Seit Jahrzehnten werden die gesundheitlichen Folgen der Radioaktivität erforscht. Während bei mittleren und hohen Dosen der Zusammenhang zwischen Strahlung und Krebs eindeutig ist, wird es bei niedrigen Werten schwierig - genauer: unterhalb von 100 Millisievert. Statistisch gesehen tritt bei 100 Menschen, die eine solche Dosis erhalten, ein zusätzlicher Krebsfall auf. Unterhalb dieser 100 Millisievert erkennen die Epidemiologen keinen Zusammenhang mehr.
    Das Problem: "40 Prozent aller Menschen im Vereinigten Königreich entwickeln im Lauf ihres Lebens Krebs. Angesichts dieser vielen Fälle, die nichts mit Strahlung zu tun haben, ist es äußerst schwierig, jenen einzelnen zusätzlichen Fall zu erkennen. Das gelingt nur bei sehr großen Studien und bei Erkrankungen, die stark auf Strahlung reagieren wie Leukämie im Kindesalter", erläutert Richard Wakeford von der University of Manchester. Er ist einer der Experten, die die Zusammenfassung der Forschungsergebnisse von Jahrzehnten evaluiert haben.
    Dass sich ein Zusammenhang zwischen niedrigen Strahlungsdosen und Krebs aus den Statistiken nicht ablesen lässt, heißt nicht, dass er nicht existiert: "Letztendlich geht es um Strahlenbiologie, darum, ob Reparaturmechanismen in den Zellen auch bei niedrigen Dosen wirken."
    Reparaturfehler bei Körperzellen
    Trifft radioaktive Strahlung auf eine Zelle, kann sie unter anderem die DNA im Kern schädigen. Meist sterben solche Zellen ab. Werden die Schäden am Erbgut repariert, überleben die Zellen und teilen sich weiter. Diese Reparaturmechanismen sind effizient, allerdings nicht hundertprozentig zuverlässig. Reparaturfehler passieren und werden an die Tochterzelle weitergegeben - und das kann zu Krebs führen.
    Penny Jeggo von der University of Sussex: "Wir sehen, dass die Zellschäden durch radioaktive Strahlung linear mit der Dosis ansteigen. Die Frage ist, ob die Mechanismen zur DNA-Reparatur bei allen Dosen gleich gut arbeiten. Wir sehen in Zellkulturen beispielsweise, dass bei mittleren und hohen Dosen überproportional mehr Veränderungen in der DNA zurückbleiben als bei niedrigen. Andererseits kann bei niedrigen Dosen ein Schutzmechanismus ausfallen, der die Teilung einer Zelle aufhält, bis ein Erbgutschaden repariert ist. Es gibt es also Unterschiede."
    Keine Anzeichen für Schutzwirkung von niedrigen Strahlendosen
    Doch es ist unklar, was solche Unterschiede, die in Zellkulturen auffallen, für einen lebendigen Organismus bedeuten: ob sie in der Summe nichts verändern oder schaden oder schützen. Und so zweifeln die Experten auch an einer Hypothese, die von einigen Anhängern derzeit vehement propagiert wird: Dass niedrige Strahlendosen vor Krebs schützen, weil sie das Immunsystem stimulieren.
    "Es mag eine Immunantwort geben. Wir sehen in Zellkulturen auch, dass sich manche Reparaturmechanismen auslösen lassen. Insofern könnten sehr niedrige Dosen helfen. Doch besonders stark können solche Effekte nicht sein", urteilt Penny Jeggo. Falls sie bei einem lebenden Organismus einen nennenswerten Schutz böten, müsste sich das statistisch niederschlagen. Doch dafür finden sich keine Anzeichen in den epidemiologischen Studien.
    Die fehlen auch bei einem ganz anderen Thema: dem Anstieg von Geburtsdefekten bei Kindern, deren Eltern einer erhöhten Strahlung ausgesetzt waren, erklärt Richard Wakeford:
    "Ein Anstieg der Geburtsdefekte ist bislang nur bei riesigen US-Studien aufgetreten, bei denen ganze Warenlager von Mäusen mit wirklich hohen Dosen bestrahlt worden sind. Erst dann lässt sich dieser Effekt beobachten. Wir sehen ihn weder bei den Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki, noch bei der inzwischen recht großen Gruppe von Patienten, die als Kinder oder Heranwachsende an Krebs erkrankten und strahlentherapeutisch behandelt worden sind. Dabei geht es um nennenswerte Dosen, und trotzdem sehen wir bei ihren Kindern keine Zunahme der Geburtsdefekte über den normalen statistischen Hintergrund hinaus."
    Bei niedrigen Strahlendosen sei deshalb damit erst recht nicht zu rechnen, erklärt Wakeford.