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Britischen Pubs droht allerletzte Runde

Der Pub gehört zu England wie die Queen, Fish and Chips oder der Fünf-Uhr-Tee. Doch Großbritanniens Kneipen stecken in der Krise, viele müssen schließen. Eine Initiative setzt sich für den Erhalt der Pubs als soziale Treffpunkte ein.

Von Ruth Rach | 16.08.2013
    Das britische Pub ist eine ganz besondere Institution. Pete Brown, Schriftsteller, Bierkenner und Pub-Liebhaber, muss es wissen. Schließlich hat er sein halbes Leben damit verbracht, die Geschichte der britischen Pubs sowie die Gepflogenheiten der Pub-Besucher zu studieren.

    Pubs sind eine der wenigen klassenfreien Zonen in Großbritannien. Hier verkehren alle gesellschaftlichen Schichten. Und es ist absolut tabu, mit dem eigenen Status zu punkten. Denn vor dem Zapfhahn sind alle gleich.

    Und wenn der Herr der Zapfhähne die Sperrstunde einläutet - zumeist um 23 Uhr, auch wenn die Bestimmungen gelockert wurden -, muss jeder gehorchen. Aber nun schlägt für manches Pub sogar die letzte Stunde. Jeden Monat schließen im Land rund 100 Pubs. Die Gründe seien nicht nur die Rezession, die demografischen Veränderungen und das Rauchverbot, sondern vor allem auch die fortdauernde Immobilienspekulation, sagt Jane Jephcote. Jane ist langjähriges Mitglied der "Campagne für Real Ale", kurz CAMRA, die sich für den Erhalt traditioneller Pubs und Braumethoden einsetzt.

    "Ein Pub bringt seinem Besitzer viel mehr Geld, wenn es in Wohnungen unterteilt beziehungsweise abgerissen und durch einen Wohnblock ersetzt wird. Neuerdings werden Pubs auch von Supermarktketten aufgekauft und in Filialen umgebaut. Wir finden diese Entwicklung bedenklich, denn Pubs sind ein wichtiger sozialer Treffpunkt. Wer ein Pub schließt, reißt der Community das Herz heraus."

    Aber Supermärkte bedrohen die Existenzgrundlage britischer Pubs auch noch aus einem weiteren Grund, sagt Jane Jephcote. Supermärkte verkaufen Alkoholika zu Schleuderpreisen. Mit solchen Lockangeboten können Pubs niemals mithalten. Und so lassen sich Jugendliche bereits daheim mit Billigfusel vollaufen, den sie mit ihrem Taschengeld gekauft haben, bevor sie sich in irgendwelchen Clubs endgültig bewusstlos trinken. Würden sie ein traditionelles Pub besuchen, wären sie einer gewissen sozialen Kontrolle ausgesetzt. Wegen des zunehmenden Alkoholismusproblems in Großbritannien setzt sich nicht nur CAMRA, sondern auch der britische Ärzteverband schon seit Jahren dafür ein, Mindestpreise für Alkoholika einzuführen - vergebens. Die Getränkelobby ist zu mächtig.

    Einen Kampf hat CAMRA allerdings weitgehend gewonnen, sagt Jane Jephcote. Britische Biertrinker entdecken das traditionelle Ale wieder. Und das ist im Supermarkt nun wirklich nicht zu haben.

    "In letzter Zeit sind zahlreiche Mikrobrauereien gegründet worden. Kleinstunternehmen, die von idealistischen jungen Unternehmern ins Leben gerufen wurden, denen der lokale Bezug wichtig ist, aber auch von ehemaligen Bankern, die der City den Rücken kehren. Das Angebot ist also da – aber irgendwo müssen die Biere auch verkauft werden. Und daran hapert es weiterhin."

    Viele britische Pubs werden nämlich von Braukonzernen und Pubketten kontrolliert, die vor allem daran interessiert sind, ihre eigenen Produkte abzusetzen. Die Wirte stecken in Knebelverträgen: Sie müssen ihre Biere überteuert einkaufen. Und dürfen nur ganz wenig aushäusig hergestellte Sorten anbieten. Ihre Gewinnmargen sind so gering, dass ihre Pubs nur überleben können, wenn sie möglichst viel Essen anbieten.

    Die besten Chancen haben unabhängige, lokal verwurzelte Pubs, die den Bezug zur Community pflegen. Sie lasse sich alle möglichen Veranstaltungen einfallen, um ihre Kunden an die Zapfhähne zu locken. Ausgefallene Spiele, Wettbewerbe, Philosophie-, Dichter- und Debattierabende. Und erst neulich wurde sogar der Vorschlag laut, Pubs und Kirchen sollten sich zu informellen Events zusammentun, beide seien vom Niedergang bedroht und könnten vielleicht gemeinsam besser überleben.