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Britischer Rapper Loyle Carner
Fern von Homohass und Protzerei

Der britische Rap-Musiker Loyle Carner jagt in seinen Texten keinen Statussymbolen nach, sondern konzentriert sich auf seine Familie und Freunde. "Ich verdanke Frauen sehr viel“, sagt der Brite. Der weibliche Einfluss auf sein Leben klingt auch auf dem neuen Album „Not Waving, But Drowning“ an.

Von Christian Lehner |
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"Viele haben eine falsche Vorstellung von Erfolg": Loyle Carner (Charlie Cummings)
Ein Rapper und Sohn, wie ihn sich wohl jede Mutter wünscht. Auf seinem Debütalbum "Yesterday’s Gone" richtete Loyle Carner gleich mehrmals die Stimme an seine Mom - die Raps: voller Liebe, Wärme und Dankbarkeit. Auf dem Album-Cover standen Loyle und "Mrs. C.", wie ein Songtitel heißt, im Zentrum eines Gruppenbildes, umringt von Verwandten und Freunden. Der Rapper aus Süd-London feiert die Familie, weil er erlebt hat, wie brüchig ihr Glück sein kann:
"Mein Vater ist früh gestorben, und ich musste sehr bald Verantwortung übernehmen. Das Verhältnis zu meiner Mutter war wie zu einer Schwester. Meine Großmutter nahm eine wichtige Rolle in der Erziehung ein. Ich verdanke Frauen sehr viel."
Sorge um die Familie
Auch auf dem neuen Album begegnen wir Frau Carner in mehreren Songs. Es sind nun einige Jahre vergangen. Aus einem der größten Talente des britischen Hip-Hop ist ein erfolgreicher Rapper geworden. Andere würden jetzt vor ihren Sportwagen posieren und Goldketten in die Kamera halten. Loyle Carner aber plagen noch immer Selbstzweifel und die Sorge um die Familie - auch wenn sich die Perspektiven etwas verschoben haben.
"Viele haben eine falsche Vorstellung von Erfolg. Sie glauben, man hat es geschafft, nur weil man eine erfolgreiche Platte veröffentlicht hat. Aber das Geld, das jetzt reinkommt, geht auch sofort wieder raus. Ich habe zwei Kredite laufen, einen für mich, einen für Mom. Mein Bruder will auf die Uni, Rechnungen flattern ins Haus. Es gibt einen neuen Mann im Leben meiner Mutter. All das setzt mich unter Druck".
Trotz der empfundenen Belastungen klingt Loyle Carner auch auf dem neuen Album sanftmütig. Carners Art zu rappen hat nichts mit der Sprache der Straße gemein, wie sie etwa in der britischen Hip-Hop-Variante Grime gepflegt wird. Auch der derzeit so beliebte Auto-Tune-Stimmeffekt ist ihm ein Gräuel. Der Sound auf dem neuen Album "Not Waving, But Drowning" ist beeinflusst vom US-Conscious-Rap eines Mos Def, von Spoken-Word-Poetry und dem britischen Acid-Jazz der 90er-Jahre.
Album-Cover von Loyle Carners „Not Waving, But Drowning“ zeigt einen Mann, der im Wasser versinkt
Album-Cover von Loyle Carners „Not Waving, But Drowning“ (Caroline Press)
"Der Rap, der mich als Aufwachsender interessierte, war nie homophob, sexistisch oder angeberisch. Hip-Hop ist so viel mehr als das. Ich fand Gleichgesinnte. Kids, die auch ohne Vater oder Mutter aufgewachsen sind und sehr zornig waren. Kids, die aber ihren Zorn im Rap kanalisierten, anstatt ihn aufzublasen. Es ist eine Art Safe Space, das Innerste nach außen zu kehren."
Begleitet von ADHS
Schon früh wurde bei Loyle Carner ADHS diagnostiziert, also die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Er sagt, das Rappen habe ihm geholfen, seine innere Konzentration zu finden. Daneben hat er für sich das Kochen als Therapie-Form entdeckt und eine Kochschule für Kinder mit ADHS gegründet. Einer seiner Freunde ist der israelisch-britische Starkoch Yotam Ottolenghi, dem er einen Song auf dem neuen Album gewidmet hat.
"Die Idee hinter der Kochschule ist, die Kinder mit etwas zu beschäftigen, das sie angreifen können. Jede physische Tätigkeit hilft enorm bei ADHS. Wir nehmen jedes Jahr zehn bis zwölf Kinder auf und machen das jetzt seit vier Jahren. Es hat auch für mich einen therapeutischen Effekt. Ich stürze mich dermaßen in die Arbeit mit den Kids, dass sich die Musik für mich wie eine Nebenbeschäftigung anfühlt und das macht mich freier."
"Kitchen Sink Drama", so heißt eine britische Kunstströmung der 50er-Jahre. Der Fokus liegt auf dem Häuslichen, den scheinbar kleinen Dingen des Lebens. Bei der Musik von Loyle Carner erleben diese Küchendramen ein zeitgerechtes Update in Rap-Form. Gastbeiträge der Neo-Soul-Stars Jorja Smith und Sampha runden das "Slow Cooking"-Menü von Loyle Carner ab. "Not Waving, But Drowning" ist ein sehr gutes Hip-Hop-Album, das auch Pop-Fans gefallen wird, die mit zeitgenössischem Rap eher weniger anfangen können.
Am 16. Mai kommt Loyle Carner für ein Konzert nach Berlin.