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Britisches Parlament
Das große Brexit-Theater

"Order"-Rufe und skurrile Traditionen: Die Brexit-Debatten im britischen Unterhaus werden mit exzentrischer Leidenschaft geführt. Der Journalist Quentin Peel sagte im Dlf, er vermisse bei den Briten die Fähigkeit zum Kompromiss - und führte das auch auf die Debattenkultur zurück.

Quentin Peel im Gespräch mit Sandra Pfister |
Debatte im britischen Unterhaus in London
Regierung und Opposition sitzen sich frontal gegenüber: Blick ins britische Unterhaus (dpa / picture-alliance)
Wir blicken zurück auf eine turbulente Woche im britischen Parlament: In der Nacht von Montag auf Dienstag ereignete sich Unerhörtes im britischen Unterhaus: Abgeordnete der Opposition stellten sich dem Speaker, dem Parlamentspräsidenten, in den Weg. Sie wollten ihn daran hindern, an der Spitze einer kleinen Prozession zum House of Lords zu gehen und dort das Parlament für fünf Wochen nach Hause zu schicken.
Es gab erregte Rufe im Hohen Haus, Protestplakate gegen die Suspendierung wurden hochgehalten. Der Regierungschef schickt das britische Parlament, die Mutter aller Parlamente, in eine Zwangspause – das klingt für deutsche Ohren bedrohlich. Das klingt, als sei die älteste Demokratie der Welt in Gefahr. Viele Deutsche machen sich Sorgen. Und sie verstehen die Briten nicht mehr. Sie verstehen nicht, warum so viele den Brexit wollen. Sie verstehen nicht, wie man sich darüber so streiten kann, dass ein Riss durch Familien und Freundeskreise geht.
Politische Debatte ist Frage von Sieg oder Niederlage
Aber zugleich hat das älteste Parlament der Welt, das House of Commons, gezeigt - noch bevor es suspendiert wurde -, wie man die Regierung in Schach hält, mit einem Gesetz, das "no deal" verhindern soll. Zeigt die älteste Demokratie der Welt hier, wie viel Widerstandskraft sie besitzt? Oder wird das Parlament zermürbt in einem Prozess, der insbesondere bei Brexit-Befürwortern eine Wut auf das Parlament schürt? Wie exzentrisch ist die britische Politik – und wie wirkt sich das auf die Demokratie aus?
Darüber hat Sandra Pfister mit Quentin Peel gesprochen. Er war lange Jahre Korrespondent der "Financial Times", hat oft aus dem Ausland auf die britische Demokratie und ihre Eigenheiten geschaut. Heute arbeitet er zudem für die Londoner Denkfabrik Chatham House. Quentin Peel sagt: Für die Briten ist die politische Debatte traditionell eine Frage von Sieg oder Niederlage.
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Es gibt für sie nur schwarz oder weiß, gewinnen oder verlieren. Deshalb tun sich die Briten auch so schwer mit der EU-Politik, die in der Regel über Kompromisse funktioniert: "Die Briten verstehen nicht, dass ein Kompromiss eigentlich besser ist." Gleichzeitig diagnostiziert Peel dem Vereinigten Königreich eine Verfassungskrise und fordert ein neues Wahlsystem.
//Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.//