Peter Kapern: Seit dem vergangenen Dienstag, seit EU-Ratspräsident Herman van Rompuy seinen Plan zur Beendigung der Eurokrise vorgelegt hat, ist der Ton rauer und dringlicher geworden. Spaniens Regierungschef Rajoy warnt zum Beispiel, sein Land könne steigende Zinsen nicht mehr lange tragen. Sein italienischer Amtskollege Monti fürchtet, dass der Euro, so wörtlich, zur Hölle fahren könnte, und Angela Merkel positioniert sich als "Kanzlerin No", keine gesamtschuldnerische Haftung in Europa. Gestern Abend war sie also bei Francois Hollande, der wenig hält von drastischen Reformen und Sparprogrammen, von Eingriffsrechten der EU-Kommission in die nationalen Haushalte, dafür aber sehr viel von Eurobonds oder ähnlichen Konstrukten, die Deutschland mit in die Haftung nehmen würden für die Schulden anderer Staaten.
Mitgehört hat der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. Guten Tag!
Elmar Brok: Guten Tag, Herr Kapern.
Kapern: Herr Brok, wie gravierend ist die Konfrontation zwischen Paris und Berlin, zwischen den sparsamen Nordländern und den anderen Euroländern, die mehr auf gemeinsame Schulden als auf gemeinsame Reformen setzen?
Brok: Ich hoffe, dass wir diesen Gegensatz überwinden, denn gemeinsame Reformen brauchen wir. Und dass wir hier stärkere Regelungen haben müssen, die wir ja zum Großteil schon erreicht haben mit dem Fiskalpakt und dem neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt und europäischen Semester, dass die Länder sich an die Regeln halten, ich glaube, das wird fortgesetzt und das wird auch akzeptiert. Hier muss man nur die Frage sehen, wie kann man der Außenwelt und den Märkten signalisieren, dass hier dann auch gemeinsame Solidarität und gemeinsamer Schutz da ist, unter der Bedingung von fiskalischer Solidität und unter der Bedingung von Strukturveränderungen, die mehr Wettbewerbsfähigkeit bringen, und dass man hier jetzt auch deutlich macht, dass man auch bereit ist, dazu Vertragsveränderungen zu machen, um wirklich zu einer politischen Union mit größeren Verpflichtungen zu kommen.
Kapern: Wie kann man denn, noch mal nachgefragt, diese europäische Solidarität, von der Sie sprechen, den Finanzmärkten signalisieren, ohne das Leben von Angela Merkel zu gefährden - nach dem Satz aus der Sitzung mit der FDP-Fraktion?
Brok: Ich stimme mit dem Bericht aus Berlin überein, dass es da noch einigen Spielraum gibt, bis man unbegrenzte, unkonditionierte Eurobonds hat. Ich glaube, dass es dazwischen noch viele Möglichkeiten gibt, und ich finde es richtig, dass hier der Auftrag geht an die vier Präsidenten, dass diese Wege weiter eruiert werden, denn auch hier werden ja die Eurobonds, die ja gar nicht namentlich erwähnt sind, dargestellt in dem Sinne, dass man auch solche Fragen der Solidarität unter dem Gesichtspunkt bestimmter Haftungsfragen, aber auch unter bestimmten Kontrollmöglichkeiten sieht. Haftung und Kontrolle müssen beide in einem vernünftigen Zusammenhang stehen und ich glaube, dass es da noch Wege geben wird, auch guter Nutzung, vielleicht einer stärkeren Nutzung des europäischen Budgets, hier die Sicherheiten zu geben, die die Märkte brauchen.
Kapern: Bislang war es ja Usus in der EU, Herr Brok, dass man, wenn es gravierende Konflikte gab, Arbeitsaufträge, Planungsaufträge vergeben hat, um die Sache auf die lange Bank zu schieben. Ist dafür diesmal die Zeit da, wird das heute auch wieder so oder morgen auch wieder so zum Abschluss des EU-Gipfels beschlossen werden?
Brok: Nein. Es wird eine Reihe von Elementen sein, die sofort in Gang gesetzt werden, etwa die Vereinbarungen, die die vier Regierungschefs ja in Rom gefunden haben, mit der stärkeren Nutzung des Europäischen Strukturfonds, um Wettbewerbsfähigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen herzustellen. Mit dem Fiskalpakt und dem ESM ist ja einiges da, das wird weiterhin ausgebaut werden. Ich bin sicher, dass die Kommission den Auftrag bekommt, hierzu Gesetzgebungsvorschläge vorzulegen, noch in diesem Jahr, zu Beratungen im europäischen Bündnis mit dem Ministerrat für eine Bankenunion, um hier eine strikte europaweite Kontrolle über die systemisch wichtigen, grenzüberschreitend tätigen Banken zu haben, damit die uns nicht erneut in solche Fallen hineinlocken können. Ich glaube, da wird einiges passieren.
Das was längerfristig ist, ist die Frage von Vertragsänderungen. Das ist wie bei uns eine Verfassungsänderung. Das braucht Zeit und Beratung, muss überall ratifiziert werden. Aber wir dürfen uns darauf nicht beschränken, denn dann hätten Sie leider recht.
Kapern: Wie viel Zeit braucht denn eine solche Vertragsänderung, die ja so dringend nötig ist?
Brok: Die Vertragsänderung braucht sicherlich drei Jahre und deswegen ist es wichtig, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die innerhalb des heutigen Vertrages schon möglich sind, und die Bankenunion beispielsweise ist innerhalb des heutigen Vertrages möglich, das kann mit Sekundärgesetzgebung sofort betrieben werden.
Kapern: Die Bankenunion stößt bei deutschen Banken, heute beispielsweise bei den Sparkassen, auf entschiedene Ablehnung.
Brok: Der Vorschlag, der hier vorliegt, heißt "Banken mit europäischer Dimension". Damit wären in Deutschland beispielsweise die Sparkassen und Volksbanken gar nicht mit einbezogen, denn die haben ja auch andere Sicherungsregelungen schon. Es geht um diese systemischen großen Banken, die hier in Solidarität hineingebracht werden sollen, aber insbesondere wo wir eine klare Kontrolle haben. Wenn die Märkte europäisch sind, muss auch die Kontrolle europäisch laufen, damit solche Pannen nicht passieren, und dann müssen sich griechische und französische und andere Banken einer solchen Kontrolle einer gemeinsamen Aufsichtsbehörde unterwerfen. Das hat das Europäische Parlament bei der Einsetzung der koordinierenden Kontrollbehörden im letzten Jahr schon gefordert und nun kommen auch die Regierungschefs zu dieser Auffassung, dass dieses unbedingt geschehen muss, denn in vielen Fällen ist es ja keine Staatsschuldenkrise, Spanien hat nach wie vor weniger Schulden als Deutschland, sondern ist eine Bankenkrise. Das ist sogar in Irland der Fall. Deswegen muss dieser Bankensektor so gesichert sein, dass er die Staaten, dadurch, dass die Staaten sie herauskaufen müssen, nicht in ungeahnte Unsicherheiten hineingeraten.
Kapern: Mario Monti, der italienische Regierungschef, hat die Befürchtung formuliert, der Euro könne zur Hölle gehen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies tatsächlich passiert?
Brok: Ich rechne mit der Vernunft aller, denn der Crash ist das Größte, das schlimmste, was passieren könnte. Die schwächeren Länder würden sofort in eine ungeheuere Situation hineinkommen, wo sie völlig unfähig werden, mit ihren Schulden fertig zu werden oder auch in der Lage zu sein, noch so einzukaufen, dass die Bevölkerung versorgt werden kann, oder wenn man Geld benötigt, dafür unter vernünftigen Bedingungen zu zahlen, und Deutschland würde seine Exportmärkte verlieren. Wenn das dazu führt, dass die D-Mark oder die Währung der Deutschen dann 20, 30, 40 Prozent höher wäre, könnte beispielsweise man in Ostwestfalen-Lippe bei Maschinenfirmen und Elektronikfirmen den Laden zuschließen, weil sie dann international nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Also hier denken manche nicht darüber nach, welche Implikation das insgesamt hat. Und wenn selbst die Amerikaner hoffen, dass wir das hinkriegen, dann stehen wir möglicherweise vor einem Crash von weltweiter Bedeutung, wo die Sache von 2008/2009 nur ein Gesäusele war, und ich hoffe, dass diese Vernunft uns dazu bringt, die Regeln zu haben, damit wir im gemeinsamen Interesse hier etwas zuwege bringen. Und übrigens ist das nicht nur ein Problem der Euroländer und hat mit dem Euro nur am Rande zu tun, sondern aus dem Euro gibt sich die Verpflichtung, diese Dinge zu lösen und zusammenzuhalten, damit der Crash nicht kommt.
Kapern: Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Brok, danke, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben. Auf Wiederhören.
Brok: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mitgehört hat der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. Guten Tag!
Elmar Brok: Guten Tag, Herr Kapern.
Kapern: Herr Brok, wie gravierend ist die Konfrontation zwischen Paris und Berlin, zwischen den sparsamen Nordländern und den anderen Euroländern, die mehr auf gemeinsame Schulden als auf gemeinsame Reformen setzen?
Brok: Ich hoffe, dass wir diesen Gegensatz überwinden, denn gemeinsame Reformen brauchen wir. Und dass wir hier stärkere Regelungen haben müssen, die wir ja zum Großteil schon erreicht haben mit dem Fiskalpakt und dem neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt und europäischen Semester, dass die Länder sich an die Regeln halten, ich glaube, das wird fortgesetzt und das wird auch akzeptiert. Hier muss man nur die Frage sehen, wie kann man der Außenwelt und den Märkten signalisieren, dass hier dann auch gemeinsame Solidarität und gemeinsamer Schutz da ist, unter der Bedingung von fiskalischer Solidität und unter der Bedingung von Strukturveränderungen, die mehr Wettbewerbsfähigkeit bringen, und dass man hier jetzt auch deutlich macht, dass man auch bereit ist, dazu Vertragsveränderungen zu machen, um wirklich zu einer politischen Union mit größeren Verpflichtungen zu kommen.
Kapern: Wie kann man denn, noch mal nachgefragt, diese europäische Solidarität, von der Sie sprechen, den Finanzmärkten signalisieren, ohne das Leben von Angela Merkel zu gefährden - nach dem Satz aus der Sitzung mit der FDP-Fraktion?
Brok: Ich stimme mit dem Bericht aus Berlin überein, dass es da noch einigen Spielraum gibt, bis man unbegrenzte, unkonditionierte Eurobonds hat. Ich glaube, dass es dazwischen noch viele Möglichkeiten gibt, und ich finde es richtig, dass hier der Auftrag geht an die vier Präsidenten, dass diese Wege weiter eruiert werden, denn auch hier werden ja die Eurobonds, die ja gar nicht namentlich erwähnt sind, dargestellt in dem Sinne, dass man auch solche Fragen der Solidarität unter dem Gesichtspunkt bestimmter Haftungsfragen, aber auch unter bestimmten Kontrollmöglichkeiten sieht. Haftung und Kontrolle müssen beide in einem vernünftigen Zusammenhang stehen und ich glaube, dass es da noch Wege geben wird, auch guter Nutzung, vielleicht einer stärkeren Nutzung des europäischen Budgets, hier die Sicherheiten zu geben, die die Märkte brauchen.
Kapern: Bislang war es ja Usus in der EU, Herr Brok, dass man, wenn es gravierende Konflikte gab, Arbeitsaufträge, Planungsaufträge vergeben hat, um die Sache auf die lange Bank zu schieben. Ist dafür diesmal die Zeit da, wird das heute auch wieder so oder morgen auch wieder so zum Abschluss des EU-Gipfels beschlossen werden?
Brok: Nein. Es wird eine Reihe von Elementen sein, die sofort in Gang gesetzt werden, etwa die Vereinbarungen, die die vier Regierungschefs ja in Rom gefunden haben, mit der stärkeren Nutzung des Europäischen Strukturfonds, um Wettbewerbsfähigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen herzustellen. Mit dem Fiskalpakt und dem ESM ist ja einiges da, das wird weiterhin ausgebaut werden. Ich bin sicher, dass die Kommission den Auftrag bekommt, hierzu Gesetzgebungsvorschläge vorzulegen, noch in diesem Jahr, zu Beratungen im europäischen Bündnis mit dem Ministerrat für eine Bankenunion, um hier eine strikte europaweite Kontrolle über die systemisch wichtigen, grenzüberschreitend tätigen Banken zu haben, damit die uns nicht erneut in solche Fallen hineinlocken können. Ich glaube, da wird einiges passieren.
Das was längerfristig ist, ist die Frage von Vertragsänderungen. Das ist wie bei uns eine Verfassungsänderung. Das braucht Zeit und Beratung, muss überall ratifiziert werden. Aber wir dürfen uns darauf nicht beschränken, denn dann hätten Sie leider recht.
Kapern: Wie viel Zeit braucht denn eine solche Vertragsänderung, die ja so dringend nötig ist?
Brok: Die Vertragsänderung braucht sicherlich drei Jahre und deswegen ist es wichtig, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die innerhalb des heutigen Vertrages schon möglich sind, und die Bankenunion beispielsweise ist innerhalb des heutigen Vertrages möglich, das kann mit Sekundärgesetzgebung sofort betrieben werden.
Kapern: Die Bankenunion stößt bei deutschen Banken, heute beispielsweise bei den Sparkassen, auf entschiedene Ablehnung.
Brok: Der Vorschlag, der hier vorliegt, heißt "Banken mit europäischer Dimension". Damit wären in Deutschland beispielsweise die Sparkassen und Volksbanken gar nicht mit einbezogen, denn die haben ja auch andere Sicherungsregelungen schon. Es geht um diese systemischen großen Banken, die hier in Solidarität hineingebracht werden sollen, aber insbesondere wo wir eine klare Kontrolle haben. Wenn die Märkte europäisch sind, muss auch die Kontrolle europäisch laufen, damit solche Pannen nicht passieren, und dann müssen sich griechische und französische und andere Banken einer solchen Kontrolle einer gemeinsamen Aufsichtsbehörde unterwerfen. Das hat das Europäische Parlament bei der Einsetzung der koordinierenden Kontrollbehörden im letzten Jahr schon gefordert und nun kommen auch die Regierungschefs zu dieser Auffassung, dass dieses unbedingt geschehen muss, denn in vielen Fällen ist es ja keine Staatsschuldenkrise, Spanien hat nach wie vor weniger Schulden als Deutschland, sondern ist eine Bankenkrise. Das ist sogar in Irland der Fall. Deswegen muss dieser Bankensektor so gesichert sein, dass er die Staaten, dadurch, dass die Staaten sie herauskaufen müssen, nicht in ungeahnte Unsicherheiten hineingeraten.
Kapern: Mario Monti, der italienische Regierungschef, hat die Befürchtung formuliert, der Euro könne zur Hölle gehen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies tatsächlich passiert?
Brok: Ich rechne mit der Vernunft aller, denn der Crash ist das Größte, das schlimmste, was passieren könnte. Die schwächeren Länder würden sofort in eine ungeheuere Situation hineinkommen, wo sie völlig unfähig werden, mit ihren Schulden fertig zu werden oder auch in der Lage zu sein, noch so einzukaufen, dass die Bevölkerung versorgt werden kann, oder wenn man Geld benötigt, dafür unter vernünftigen Bedingungen zu zahlen, und Deutschland würde seine Exportmärkte verlieren. Wenn das dazu führt, dass die D-Mark oder die Währung der Deutschen dann 20, 30, 40 Prozent höher wäre, könnte beispielsweise man in Ostwestfalen-Lippe bei Maschinenfirmen und Elektronikfirmen den Laden zuschließen, weil sie dann international nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Also hier denken manche nicht darüber nach, welche Implikation das insgesamt hat. Und wenn selbst die Amerikaner hoffen, dass wir das hinkriegen, dann stehen wir möglicherweise vor einem Crash von weltweiter Bedeutung, wo die Sache von 2008/2009 nur ein Gesäusele war, und ich hoffe, dass diese Vernunft uns dazu bringt, die Regeln zu haben, damit wir im gemeinsamen Interesse hier etwas zuwege bringen. Und übrigens ist das nicht nur ein Problem der Euroländer und hat mit dem Euro nur am Rande zu tun, sondern aus dem Euro gibt sich die Verpflichtung, diese Dinge zu lösen und zusammenzuhalten, damit der Crash nicht kommt.
Kapern: Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Brok, danke, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben. Auf Wiederhören.
Brok: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.