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Brok: Snowden sollte befragt werden

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien zu wichtig, als dass man Edward Snowden Asyl anbieten sollte, sagt Elmar Brok, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des EU-Parlaments. Allerdings sollten sich Vertreter des Untersuchungsausschusses mit ihm in der deutschen Botschaft in Moskau treffen.

Elmar Brok im Gespräch mit Christine Heuer |
    Christine Heuer: Heute werden Hans-Georg Maaßen vom Bundesnachrichtendienst und Gerhard Schindler vom Verfassungsschutz in Washington vorstellig – ihr Thema natürlich die NSA-Affäre. Elmar Brok, CDU-Politiker und Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments, war in Sachen NSA schon letzte Woche in der US-Hauptstadt. Mit ihm möchte ich jetzt über Konsequenzen aus den US-Spähaktionen und auch über die Causa Edward Snowden sprechen. Guten Morgen, Herr Brok!

    Elmar Brok: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Ein deutsch-amerikanisches No-Spy-Abkommen soll im Grundsatz beschlossen sein und bis zum Jahreswechsel stehen. Wie sicher sind Sie, dass es tatsächlich dazu kommt?

    Brok: Mein Gefühl ist, dass man jetzt Schadensbegrenzung in Washington machen will und sich auf verschiedene Dinge einlassen wird, die vor einem Vierteljahr noch nicht vorstellbar waren. Deswegen halte ich das für möglich, dass so etwas gelingt. Aber wir sollten auch darauf achten, dass es nicht nur eine deutsche Angelegenheit ist, sondern auch andere europäische Länder mit in dieses Boot hineinkommen.

    Heuer: Dazu kommen wir gleich. Was vor allem muss denn aus Ihrer Sicht in so einem Vertrag stehen?

    Brok: Es muss drinstehen, dass man enger kooperiert in Fragen der Terrorismusbekämpfung und von Cyber-Crime und dass es keine unilateralen Ausforschungen gibt, die mit diesen Themen nichts zu tun haben, nach dem Grundsatz der Kanzlerin, Freunde spionieren nicht gegeneinander, und ich glaube, das muss festgelegt werden, wie das die Amerikaner ja auch mit Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada gemacht haben.

    Heuer: Kanzlerinnen-Handys wären dann mal Tabu, nehme ich an. Industriespionage auch?

    Brok: Ja, es muss insgesamt sein. Es kann nicht nur um das Handy der Kanzlerin gehen, die sich ja noch schützen kann, sondern es müssen insgesamt die Bürgerrechte hier einbezogen werden.

    Heuer: Und wenn die Amerikaner das alles zusichern, vertrauen Sie persönlich ihnen dann wieder?

    Brok: Ich glaube, wenn das dann rauskäme, dann wäre der Bruch so gewaltig, denn das Entscheidende ist ja jetzt der Vertrauensverlust, der entstanden ist zwischen großen Teilen Europas und den Vereinigten Staaten, die ja Weiterungen haben und miteinander vertragliche Beziehungen und die von daher für uns alle schlecht wären, wenn es hier zu einem Zusammenbruch der Beziehungen käme.

    Heuer: Herr Brok, in Ihrem Gespräch, in Ihren Gesprächen in Washington, da soll NSA-Chef Keith Alexander in Ihrer Gegenwart zugegeben haben, dass das Handy von Angela Merkel ausgespäht wurde. Da sind wir natürlich neugierig. Was genau hat er denn gesagt?

    Balance zwischen Freiheit und Sicherheit wiederherstellen
    Brok: Er hat auf Fragen von Senatorin Feinstein und von mir schließlich gesagt die berühmten drei Worte: "not any more". Das heißt, nicht mehr, und das ist das Eingeständnis, dass es vorher passiert ist.

    Heuer: Und das ist das Eingeständnis, das wir von den Amerikanern, wenn wir welches hören, immer hören?

    Brok: Das ist richtig. Aber es geht jetzt vor allen Dingen darum, wie können wir in Zukunft so was verhindern, und ich hoffe, dass diese Balance zwischen persönlichen Freiheiten und Sicherheit wiederhergestellt wird. Dieser Kampf findet ja auch in Amerika statt zwischen Teilen der Administration, des Kongresses gegen andere. Hier ist ein Sicherheitsapparat so übermächtig geworden aufgrund der Sicherheitspsychose in Teilen der amerikanischen Gesellschaft, dass es jetzt an der Zeit ist, dieses zu durchbrechen.

    Heuer: Sie haben die Europäische Union schon angesprochen. Aus dem Europaparlament kommt auch vereinzelt Kritik an einem Abkommen nur zwischen Deutschland und den USA, über das wir ja schon gesprochen haben. Muss es ein solches Abkommen auch zwischen der EU und den USA geben?

    Brok: Mit der direkten Spionage hat die Europäische Union nichts zu tun. Wir haben keine Sicherheitsdienste. Aber der Auftrag ist ja an Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande vom Europäischen Rat gegeben worden. Ich hoffe, dass das dann entsprechend auch mit diesen Weiterungen versehen wird, dass mehr europäische Länder verbunden sind. Und weiterhin – das kann die Europäische Union machen – laufen ja Verhandlungen über ein Datenschutz-Rahmenabkommen, in dem die Informations- und Klagerechte der europäischen Bürger bei Missbrauch von ihren Daten in Amerika geregelt sind und auch eingeführt wird. Hier haben die Amerikaner in den letzten anderthalb Jahren blockiert und ich glaube, dieser Punkt ist genauso wichtig, damit wir entsprechende Rechtsinstrumente für unsere Bürger haben, dass sie sich hier schützen können.

    Heuer: Auch darauf haben Sie bei Ihren Gesprächen in Washington gedrängt, dass es endlich ernst wird mit diesem Datenschutz-Rahmenabkommen. Machen die Amerikaner da denn jetzt mit?

    "Kündigung von Safe Harbor wäre das Richtige"
    Brok: Das ist noch an einer Grenze. Sie sagen, das geht rechtlich nicht, wir können nicht europäischen Bürgern dieselben Rechte geben wie amerikanischen. Aber ich halte das für ein falsches Argument. Das Verständnis für dieses Problem ist inzwischen da und darauf muss man aufbauen. Die Amerikaner haben viele exterritoriale Gesetzgebungen und deutsche Unternehmen können in Amerika verklagt werden, auch wenn der Fall selbst nicht in Amerika angesiedelt ist, und ich meine, dass sie aus diesem Grund hier Rechtsmöglichkeiten schaffen müssen, wenn wir beispielsweise einen transatlantischen Markt errichten wollen.

    Heuer: Bisher wehren sich die Amerikaner noch, sperren sich gegen ein solches Datenschutz-Rahmenabkommen. Wenn es dabei bliebe, für welche Konsequenzen wären Sie denn dann? Kann man dann Abkommen wie das zu SWIFT oder Safe Harbor kündigen?

    Brok: Ich glaube, die Kündigung von Safe Harbor wäre das Richtige, weil hier Druck auf die amerikanische Wirtschaft erfolgt, die dann erhebliche Schwierigkeiten bekommen würde. Aber ich glaube auch, die vom Europäischen Parlament gerade in erster Lesung verabschiedete europäische Datenschutzverordnung sollte schnell im Ministerrat geregelt werden, weil wir dort Vorschläge gemacht haben, dass Unternehmen, auch amerikanische Unternehmen bei Verstößen gegen den Datenschutz bis zu fünf Prozent des Umsatzes zahlen müssten an Strafgeldern, und ich glaube, dass das auch ein wichtiges Instrument ist, jetzt endlich die amerikanische Wirtschaft in Gang zu bringen, auf ihre Regierung entsprechend einzuwirken.

    Heuer: In Deutschland führen wir eine Debatte über die mögliche Aufnahme von Edward Snowden hierzulande. Was sagen Sie denn dazu?

    Brok: Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dass Vertreter des Untersuchungsausschusses nach Moskau fahren, sich in der deutschen Botschaft dort mit Herrn Snowden unterhalten, ihn einvernehmen. Das scheint mir der normale Weg zu sein. Man sollte jetzt nicht die Emotionen so hochkochen lassen, dass wir dann anschließend ein Problem haben, was machen wir mit jemandem, gegen den ein Haftbefehl vorliegt, ein internationaler Haftbefehl vorliegt.

    Heuer: Na ja, man könnte ihm Asyl gewähren.

    Brok: Ja, Asyl gewähren, aber da gibt es auch andere Weiterungen, die damit zu tun haben. Ich glaube nicht, dass wir in dieser Phase, wo es ja jetzt Möglichkeiten gibt, dass die Amerikaner sich bewegen, die Reißleine ziehen sollten. Die europäisch-, deutsch-amerikanischen Beziehungen sind zu wichtig, als dass wir jetzt an solchen Emotionen das klar machen sollten. Ich halte es für richtig, Snowden einzuvernehmen, von ihm die weiteren Erkenntnisse zu bekommen. Da wird wahrscheinlich noch sehr viel mehr an Erkenntnissen kommen. Ich habe in Amerika gehört, dass er 1,6 Millionen Seiten zur Verfügung hat. Dann müssen wir sehen, was da noch kommt. Und wenn er das vorsorglich schon sagt, was ich bezweifele, denn das ist ja eine Salami-Taktik, die da gegeben wird, die in den nächsten Monaten uns noch sehr beschäftigen wird, dann sollte man das versuchen.

    Heuer: Herr Brok, verstehe ich Sie richtig? Sie befürchten, wenn Deutschland Edward Snowden kommen lässt und vielleicht auch dauerhaft aufnimmt, dann machen die Amerikaner dicht, was zum Beispiel bilaterale No-Spy-Abkommen oder auch Vereinbarungen mit der Europäischen Union angeht?

    Grünen-Politiker Ströbele hat Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden getroffen
    Grünen-Politiker Ströbele hat Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden getroffen (picture alliance / dpa / Büro Hans-Christian Ströbele)
    "Wir müssen diese Spionage beenden"
    Brok: Ich fürchte, oder lassen Sie es mich so sagen: Wir sollten jetzt nicht versuchen, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, sondern versuchen, mit aller Nüchternheit da voranzugehen. Wir müssen diese Lage verändern, wir müssen diese Spionagen beenden und wir müssen aber auch dieses sehen als eine Chance, mit Amerika wieder gut ins Geschäft zu kommen. Wir sehen, das ist der Unterschied zwischen Amerika und Russland. Dort findet eine innere Diskussion statt, dass wir sehen – das ist wie am Ende der McCarthy-Zeit in den 50er-Jahren -, dass die Systeme der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit dort wieder zu funktionieren zu beginnen und dort gegen vorzugehen. Das ist der große Unterschied zu China und Russland, dass diese Debatte öffentlich kritisch geführt wird in den Vereinigten Staaten, und hier sollten wir die richtigen Leute unterstützen und sie nicht versuchen, auf die Art und Weise doch wieder hintanzubringen.

    Heuer: Aber, Herr Brok, gehört Edward Snowden nicht zu den richtigen Leuten? Immerhin verdankt Deutschland, verdanken wir alle ihm eine Menge Aufklärung über die US-Ausspähaktion, inklusive der Tatsache, dass Angela Merkels Handy abgehört wurde. Haben wir da nicht eine Verantwortung, moralisch und auch politisch?

    Brok: Diese Verantwortung hat nicht Deutschland alleine, das ist eine weltweite Angelegenheit und wir sollten nicht dazu kommen, dass uns das zu einer Konfrontation Deutschland-Amerika führt.

    Heuer: Und wenn Edward Snowden nach Frankreich geht, das finden Sie dann aber gut?

    Brok: Ja das müssen die Franzosen entscheiden, ob sie das machen.

    Heuer: Sie sind dagegen. – Es gibt die Forderung an Angela Merkel, sich persönlich mit Barack Obama zu treffen, um über die Ausspähaktionen zu sprechen. Soll sie das tun?

    Brok: Ich glaube, man sollte die Verhandlungen der nächsten Tage abwarten und dann das deutlich machen, dass das in einer vernünftigen, glaubwürdigen Weise abgeschlossen ist. Es muss klar sein, dass dies eine politische Vereinbarung ist und nicht ein Abkommen zwischen Sicherheitsdiensten. Sicherheitsdiensten vertraue ich insgesamt nicht, auch nur begrenzt, und deswegen können die Herren, die dort rüberfahren, technische Fragen klären. Am Ende des Tages muss es eine politische Entscheidung sein und aufgrund der Situation wäre es gut, dass dann dieses auch von den Regierungschefs persönlich verantwortet wird.

    Heuer: Und dafür sollte Merkel nach Washington reisen und nicht umgekehrt Obama nach Berlin?

    Brok: Wer jetzt wohin reist, sollte man, glaube ich, nicht zu einer Protokollfrage machen. Ich glaube, erst sollte man das vernünftig verhandeln und nicht hier jetzt - Das sind alles Protokollfragen, die da hochgezogen werden und die eigentlich nichts mit der Substanz zu tun haben.

    Heuer: Elmar Brok, CDU-Politiker, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments, und von seinen Gesprächen in Washington hat er unter anderem eine Erkältung mitgebracht. Wir wünschen gute Besserung, Herr Brok, und haben Sie vielen Dank fürs Gespräch.

    Brok: Danke schön! Alles Gute!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.