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Bruder-Klaus-Kapelle
Ein Bauwunder in der Eifel

In Wachendorf, einem kleinen Dorf in der Eifel, hat der Schweizer Stararchitekt Peter Zumthor vor acht Jahren eine Kapelle gebaut: die Bruder-Klaus-Kapelle. Inmitten einer kargen Landschaft steht ein fantastisches Gebäude, das Bewunderer und Pilger aus aller Welt anzieht - und doch vielen Einheimischen immer noch vorkommt wie ein Fremdkörper.

Von Susanne Luerweg |
    Die Bruder-Klaus-Kapelle in der Eifel von Peter Zumthor.
    Die Bruder-Klaus-Kapelle in der Eifel von Peter Zumthor. (Deutschlandradio / Andreas Main)
    Wer die Bruder Klaus Kapelle besuchen möchte, muss erst einmal laufen. Ein knapp halbstündiger Spaziergang führt vom Parkplatz über die Felder, hin zur Kapelle. Von Beginn an ist das Gebäude im Blick des Betrachters. Es ragt wie ein Monolith aus der kargen Landschaft und scheint doch gleichzeitig mit ihr verschmolzen. Im Vorfrühling wirken die Farbe der Kapelle und die des Bodens identisch. Ein helles Lehmbraun. Der Anblick dieses einfachen, aber perfekt konzipierten Bauwerks, lässt das Herz vieler Pilger und Architekturfans höherschlagen.
    "Diese Kapelle ist ja schon sehr speziell, gerade weil sie hier auf dem freien Feld so herausragt, dass wir gar nicht wussten, was uns hier erwartet. Wir haben eher nicht die Stille des Ortes erwartet, sondern eher das Bauwerk an sich, und das moderne Bauwerk im Prinzip gewidmet einem ja Heiligen, der schon im Prinzip eher schon Historie verkörpert."
    Selbst an einem tristen Donnerstagvormittag sind zwanzig Besucher in dem kleinen Ort Wachendorf, um die Zumthor-Kapelle zu bewundern. Ein Betonbau, ohne Fenster, ausgestattet mit lichtspendenden Glasröhren, oben offen und zugänglich nur über eine massive Stahltür.
    "Ich finde es einfach interessant und hab ja gehört, je nachdem wie das Licht auch fällt, dass es mit diesem Perlenspiel auch noch interessanter wird."
    Licht, Feuer, Wasser und Luft sind die vier Elemente, die sich in der Kapelle widerspiegeln. Manch einen Einheimischen bleibt das an einen riesigen Wigwam erinnernde Gebäude allerdings fremd. Als die Kapelle 2007 eröffnete, war in den umliegenden Orten die Aufregung groß, erzählt Stadtplaner Thomas Schreiber.
    "Am Anfang gab es natürlich Diskussionen. Klar, in der Eifel! Alles, was neu ist, da denkt man drüber nach, diskutiert drüber; und einige haben sich auch darüber aufgeregt, weil man so was nicht kannte: Eine ganz moderne Form der Architektur, eine ganz moderne Form einer Kapelle. Das waren auch Dinge, mit denen die Leute nicht so unbedingt umgehen konnten, weil eine Kapelle sieht eigentlich anders aus, als das, was heute da steht, und das war natürlich klar, dass es ein bisschen Widerstand gab."
    Licht, Feuer, Wasser und Luft
    Der Widerstand bröckelt dennoch stetig. Denn mit den Jahren hat sich das Bauwerk immer stärker mit der Landschaft verzahnt.
    "Die Kapelle ist mit Materialen gemacht hier aus der Region und mit Holz und mit Weißzement. Man hat die ja auch ausgebrannt. Das waren ja auch Holzstämme, die da ausgeköhlert wurden, und als man damals da rein kam, da roch es nach Feuer. Das kann man sich vorstellen: Der Einsiedler, der am Feuer gesessen hat, der muss auch so gerochen haben."
    Die Kapelle ist dem Einsiedler und Schweizer Nationalheiligen Nikolaus von der Flüe gewidmet, den auch die Mutter von Stararchitekt Peter Zumthor zutiefst verehrte. An ihn erinnert nicht nur der Köhlergeruch, sondern auch ein Rad im Innenraum und eine ihm nachempfundene Büste. Ohne die Verbindung zu Nikolaus von der Flüe hätte sich der viel beschäftigte Planer wohl niemals auf das Vorhaben eingelassen.
    "Es heißt, er hätte kein Honorar genommen, sondern er hätte es für Gottes Lohn gemacht. Und der Prozess, der Planungsprozess an sich, hat auch sehr lange gedauert. Die Scheidtweilers haben nach Jahren noch mal angerufen und gefragt, wie weit er denn sei. Da war wohl die Frau am Telefon, die hat gesagt: Ja, mein Mann hat hier irgendwelche Skizzen gemacht, die hängen hier am Küchenschrank, der ist da wohl dran."
    Seit 2007 reißen die Besucherströme nicht ab. Ein Parkplatz musste gebaut, Anwohner beruhigt werden. Dennoch kommt es immer wieder zu kleineren Konflikten. Die Besucher haben unterschiedliche Interessen.
    "Auf der einen Seite die Gläubigen, die in Deutschland wenig Möglichkeiten haben für Bruder Klaus zu beten, und auf der anderen Seite die Architekten, die kommen und alles fotografieren wollen. Die beiden treffen sich jetzt in diesem wunderschönen Innenraum. Die einen wollen Ruhe finden, die anderen wollen fotografieren und das klappt nicht immer so ganz gut."
    Es nagt der Zahn der Zeit
    Der Bauherr, Landwirt Herman – Josef Scheidtweiler aus der Eifel, hat mit der Bruder-Klaus-Kapelle eine Touristenattraktion erschaffen, die so nicht geplant war. Peter Zumthor hat auf dem freien Feld die perfekte Symbiose von Gebäude und Umgebung geschaffen hat, glaubt Architekturtheoretiker Thorsten Scheer.
    "Ich empfinde diese Kapelle in der Eifel auch als hochgradig integriert. Das ist ja unübersehbar, das ist jetzt nicht irgendwas Fremdes. Und selbst wenn man sich annähert, dann ist zwar die Form im ersten Moment überraschend, aber es hat ja auch so was ganz Archaisches. Das sind eben auch die Qualitäten dieses Bauwerks, dass es das schafft, obwohl es eine Kulturleistung ist, sich mit der Landschaft in besonderer Weise zusammenzubringen."
    Langsam aber sicher nagt der Zahn der Zeit am Gebäude. Doch das ist gewollt und passend. Immer wieder fällt Regen durch das offene Dach, lässt auf dem Boden eine Pfütze entstehen, die an eine Wolke erinnert. Im Winter ist es kalt und unwirtlich im kleinen Innenraum der Bruder-Klaus-Kapelle. Aber die Ausstrahlung des Gebäudes wirkt auf die meisten Besucher dennoch beruhigend, sodass sie es schaffen, Fotoapparate und Handys für kurze Zeit auszuschalten. Stadtplaner Thomas Schreiber.
    "Es bringt einen einfach runter. Man erlebt diesen Raum. Man hat natürlich auch ein schönes Umfeld, wenn man jetzt vor der Kapelle steht und schaut in die Landschaft. Die ist einfach toll hier; und dann geht man eben in diesen massiven Baukörper. Es ist total ruhig, es ist erst mal dunkel. Das Licht kommt ganz langsam zurück. Das ist schon eine Wirkung, die trifft jeden."
    So geht der Besucher leichteren Herzens den Weg zum Parkplatz zurück. Hinter sich die beeindruckende Kapelle, vor sich die Landschaft, die wie geschaffen scheint für dieses Bauwerk. Das einst Fremde hat sich wunderbar integriert. Manchmal muss man den Dingen einfach etwas Zeit lassen.