Friedbert Meurer: Das Mittelmeer südlich von Italien ist ein Friedhof geworden. Erst starben über 300 Flüchtlinge aus Somalia und Eritrea, als ihr Flüchtlingsboot in Brand geriet. Und nur eine Woche später – das war jetzt am Freitag vor dem Wochenende – wieder eine Tragödie. 100 Kilometer von Lampedusa entfernt kenterte ein völlig überladenes Schiff mit Frauen und Kindern an Bord. 34 Leichen wurden aus dem Meer gezogen. Zwei Forderungen werden diskutiert: Die Seenot-Rettung soll besser werden vor Ort. Und die andere Forderung lautet: Es muss einfach legale Möglichkeiten geben für afrikanische Elendsflüchtlinge, um nach Europa zu kommen. Dann müssen sie sich nicht mehr skrupellosen Besitzern von Seelenverkäufern ausliefern. Sachsens Innenminister Markus Ulbig von der CDU sagt jetzt: Gebt qualifizierten Asylbewerbern eine Chance, in Deutschland zu arbeiten. Guten Morgen, Herr Ulbig!
Markus Ulbig: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Ist das mehr als ein Strohhalm, den Sie den Flüchtlingen anbieten?
Ulbig: Wenn wir uns die Ausgangssituation anschauen, dann ist es ja so, dass wir im Jahr 2008 rund 28.000 Asylanträge in Deutschland hatten. Und fünf Jahre später, also in diesem Jahr, werden es wohl über 100.000 sein. Wir haben darüber diskutiert und es ist festgestellt worden, dass bei diesen Asylbewerbern circa zehn Prozent sind, die eine gute Ausbildung haben, also eine Qualifikation haben, die bei uns hier in Deutschland gebraucht wird.
Meurer: Welche Qualifikationen sind das?
Ulbig: Das sind zum Beispiel Hochschulabschlüsse, Fachhochschulabschlüsse oder zumindest ein Abitur. Das sind alles solche Abschlüsse, die wir ja in Deutschland suchen. Wir reden seit einiger Zeit in Deutschland von sogenannten Fachkräftebedarfen und da ist der Ansatz aus meiner Sicht, dass man dieses Potenzial nicht verschenken sollte. Denn es ist ja so, dass die Menschen nur über den falschen Weg nach Deutschland gekommen sind. Sie haben Asylantrag gestellt und werden am Ende abgelehnt, weil sie keine politisch Verfolgten sind.
Meurer: Was ist der richtige Weg?
Ulbig: Der richtige Weg wäre, wenn sie ganz normal nach Deutschland kämen, mit einem Visum, und hier sich um Arbeit bemühten. Wir haben ja vor Kurzem über eine Bundesratsinitiative vom Freistaat Sachsen das Aufenthaltsrecht geändert. Danach gibt es zum Beispiel einen Titel für Aufenthaltssuche. Und über einen solchen Titel wäre es ganz legal möglich, nach Deutschland zu kommen, hier nach Arbeit zu schauen und dann auch Arbeit aufzunehmen. Meine Überlegung ist, diese beiden Sachen miteinander zu kombinieren, also Brücken zu suchen zwischen dem Asylrecht und der Arbeitsmigration.
Meurer: Mit diesem Visum, Herr Ulbig, wie soll das funktionieren?
Ulbig: Schauen Sie, bisher ist es ja möglich, dass man über den Weg, den ich gerade beschrieben habe, nach Deutschland kommt. Und wenn jetzt die Leute über Asyl nach Deutschland kommen, möchte ich an der Stelle eigentlich schauen, wo gibt es eine Brücke? An welcher Stelle im Asylverfahren ist es sinnvoll, die Menschen, die eine Qualifikation haben, an den Arbeitsmarkt zu bringen und nicht nach Hause zu schicken.
Meurer: Das heißt, erst einmal müssen alle ins Asylverfahren. Warum machen Sie nicht das, was Einwanderungsexperten seit Jahr und Tag fordern, nämlich: Ihr Deutschen, macht doch bitte ein Punktesystem wie die Kanadier beispielsweise, und dann ist das ein ordentliches Einwanderungsverfahren.
Ulbig: Diese Diskussion gibt es ja in Deutschland seit Langem und da kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein. Wir haben das Aufenthaltsrecht im letzten Jahr erst geändert, wonach es die Möglichkeit gibt, deutlich leichter nach Deutschland zu kommen, um an den Arbeitsmarkt zu kommen. Jetzt haben wir auf der anderen Seite das Problem, dass viele gerade in den Ländern, die Sie beschrieben haben, Schleppern in die Fänge geraten, dort sogar teilweise noch viel Geld bezahlen, sich mühsam auf den Weg machen, auf einen gefährlichen Weg, und dann in Europa und bei uns in Deutschland ankommen. Jetzt ist ja die Frage: Was machen wir mit den Menschen, die über diesen Weg nach Deutschland gekommen sind und vielleicht in ihrem Herkunftsland gar nicht wussten, dass es die Möglichkeit gibt, auch anders am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Und über diese Menschen mache ich mir Gedanken, weil ich denke, wenn wir über 100.000 Leute in diesem Jahr reden und zehn Prozent davon eine gute Qualifikation haben, sind das immerhin 10.000 Menschen, die aus diesen Verfahren rauskommen, die nicht abgeschoben werden müssten, sondern die wir in irgendeiner Form am Arbeitsmarkt integrieren könnten.
Meurer: Sie denken also nur an die geduldeten Flüchtlinge, wenn ich das richtig sehe. Sie denken nicht daran, dass in Botschaften Deutschlands in Afrika jetzt ein Schalter aufgemacht wird, hier könnt ihr euch melden, wenn ihr in Deutschland arbeiten wollt?
Ulbig: Das wäre eine zusätzliche Möglichkeit, die ja die veränderte Rechtslage jetzt schon hergibt. Wir müssen aus meiner Sicht beides tun: einerseits in den jeweiligen Ländern dafür werben und deutlich machen, dass es eine ganz legale Möglichkeit gibt, nach Deutschland zu kommen, hier am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Wir müssen uns aber auch auf der anderen Seite über diejenigen unterhalten, die über den falschen Weg nach Deutschland gekommen sind und dann, wenn es keine andere Möglichkeit geben würde, wieder abgeschoben werden müssten. Das ist ein Grund, darüber wirklich intensiv nachzudenken.
Meurer: Herr Ulbig, was sagen Sie den Hardlinern in Ihrer Partei, der CDU oder der CSU, die sagen: Das Boot ist voll?
Ulbig: Wissen Sie, wir haben uns zum Thema Veränderung bezüglich der Arbeitsmarktmigration auch sehr lange unterhalten. Aber mittlerweile ist es jedem ersichtlich, dass es einen Fachkräftebedarf gibt, dass also Menschen hier bei uns in Deutschland, in Europa am Arbeitsmarkt gebraucht werden. Und ich denke, wenn wir uns die Zeit nehmen und darüber intensiv diskutieren, wird es auch bei den Innenpolitikern in meiner Partei eine entsprechende Mehrheit geben, die diesen Weg für richtig erachten.
Meurer: Der sächsische Innenminister Markus Ulbig von der CDU hier bei uns im Deutschlandfunk zu seinem Vorschlag: Zehn Prozent aller Asylbewerber sind so qualifiziert, dass sie hier auch arbeiten können. Herr Ulbig, danke und auf Wiederhören.
Ulbig: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Markus Ulbig: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Ist das mehr als ein Strohhalm, den Sie den Flüchtlingen anbieten?
Ulbig: Wenn wir uns die Ausgangssituation anschauen, dann ist es ja so, dass wir im Jahr 2008 rund 28.000 Asylanträge in Deutschland hatten. Und fünf Jahre später, also in diesem Jahr, werden es wohl über 100.000 sein. Wir haben darüber diskutiert und es ist festgestellt worden, dass bei diesen Asylbewerbern circa zehn Prozent sind, die eine gute Ausbildung haben, also eine Qualifikation haben, die bei uns hier in Deutschland gebraucht wird.
Meurer: Welche Qualifikationen sind das?
Ulbig: Das sind zum Beispiel Hochschulabschlüsse, Fachhochschulabschlüsse oder zumindest ein Abitur. Das sind alles solche Abschlüsse, die wir ja in Deutschland suchen. Wir reden seit einiger Zeit in Deutschland von sogenannten Fachkräftebedarfen und da ist der Ansatz aus meiner Sicht, dass man dieses Potenzial nicht verschenken sollte. Denn es ist ja so, dass die Menschen nur über den falschen Weg nach Deutschland gekommen sind. Sie haben Asylantrag gestellt und werden am Ende abgelehnt, weil sie keine politisch Verfolgten sind.
Meurer: Was ist der richtige Weg?
Ulbig: Der richtige Weg wäre, wenn sie ganz normal nach Deutschland kämen, mit einem Visum, und hier sich um Arbeit bemühten. Wir haben ja vor Kurzem über eine Bundesratsinitiative vom Freistaat Sachsen das Aufenthaltsrecht geändert. Danach gibt es zum Beispiel einen Titel für Aufenthaltssuche. Und über einen solchen Titel wäre es ganz legal möglich, nach Deutschland zu kommen, hier nach Arbeit zu schauen und dann auch Arbeit aufzunehmen. Meine Überlegung ist, diese beiden Sachen miteinander zu kombinieren, also Brücken zu suchen zwischen dem Asylrecht und der Arbeitsmigration.
Meurer: Mit diesem Visum, Herr Ulbig, wie soll das funktionieren?
Ulbig: Schauen Sie, bisher ist es ja möglich, dass man über den Weg, den ich gerade beschrieben habe, nach Deutschland kommt. Und wenn jetzt die Leute über Asyl nach Deutschland kommen, möchte ich an der Stelle eigentlich schauen, wo gibt es eine Brücke? An welcher Stelle im Asylverfahren ist es sinnvoll, die Menschen, die eine Qualifikation haben, an den Arbeitsmarkt zu bringen und nicht nach Hause zu schicken.
Meurer: Das heißt, erst einmal müssen alle ins Asylverfahren. Warum machen Sie nicht das, was Einwanderungsexperten seit Jahr und Tag fordern, nämlich: Ihr Deutschen, macht doch bitte ein Punktesystem wie die Kanadier beispielsweise, und dann ist das ein ordentliches Einwanderungsverfahren.
Ulbig: Diese Diskussion gibt es ja in Deutschland seit Langem und da kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein. Wir haben das Aufenthaltsrecht im letzten Jahr erst geändert, wonach es die Möglichkeit gibt, deutlich leichter nach Deutschland zu kommen, um an den Arbeitsmarkt zu kommen. Jetzt haben wir auf der anderen Seite das Problem, dass viele gerade in den Ländern, die Sie beschrieben haben, Schleppern in die Fänge geraten, dort sogar teilweise noch viel Geld bezahlen, sich mühsam auf den Weg machen, auf einen gefährlichen Weg, und dann in Europa und bei uns in Deutschland ankommen. Jetzt ist ja die Frage: Was machen wir mit den Menschen, die über diesen Weg nach Deutschland gekommen sind und vielleicht in ihrem Herkunftsland gar nicht wussten, dass es die Möglichkeit gibt, auch anders am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Und über diese Menschen mache ich mir Gedanken, weil ich denke, wenn wir über 100.000 Leute in diesem Jahr reden und zehn Prozent davon eine gute Qualifikation haben, sind das immerhin 10.000 Menschen, die aus diesen Verfahren rauskommen, die nicht abgeschoben werden müssten, sondern die wir in irgendeiner Form am Arbeitsmarkt integrieren könnten.
Meurer: Sie denken also nur an die geduldeten Flüchtlinge, wenn ich das richtig sehe. Sie denken nicht daran, dass in Botschaften Deutschlands in Afrika jetzt ein Schalter aufgemacht wird, hier könnt ihr euch melden, wenn ihr in Deutschland arbeiten wollt?
Ulbig: Das wäre eine zusätzliche Möglichkeit, die ja die veränderte Rechtslage jetzt schon hergibt. Wir müssen aus meiner Sicht beides tun: einerseits in den jeweiligen Ländern dafür werben und deutlich machen, dass es eine ganz legale Möglichkeit gibt, nach Deutschland zu kommen, hier am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Wir müssen uns aber auch auf der anderen Seite über diejenigen unterhalten, die über den falschen Weg nach Deutschland gekommen sind und dann, wenn es keine andere Möglichkeit geben würde, wieder abgeschoben werden müssten. Das ist ein Grund, darüber wirklich intensiv nachzudenken.
Meurer: Herr Ulbig, was sagen Sie den Hardlinern in Ihrer Partei, der CDU oder der CSU, die sagen: Das Boot ist voll?
Ulbig: Wissen Sie, wir haben uns zum Thema Veränderung bezüglich der Arbeitsmarktmigration auch sehr lange unterhalten. Aber mittlerweile ist es jedem ersichtlich, dass es einen Fachkräftebedarf gibt, dass also Menschen hier bei uns in Deutschland, in Europa am Arbeitsmarkt gebraucht werden. Und ich denke, wenn wir uns die Zeit nehmen und darüber intensiv diskutieren, wird es auch bei den Innenpolitikern in meiner Partei eine entsprechende Mehrheit geben, die diesen Weg für richtig erachten.
Meurer: Der sächsische Innenminister Markus Ulbig von der CDU hier bei uns im Deutschlandfunk zu seinem Vorschlag: Zehn Prozent aller Asylbewerber sind so qualifiziert, dass sie hier auch arbeiten können. Herr Ulbig, danke und auf Wiederhören.
Ulbig: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.