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Brückenschlag
Heimlicher Händedruck zwischen Israel und Iran

Ihre Heimatländer würden sich vermutlich gegenseitig als Erzfeinde beschreiben: Israel und Iran. Ein Grund mehr für zwei Bands, nun zusammen aufzutreten - in Deutschland. Die iranische Band Langtunes und die israelische Band Ramzailech gehen von heute an auf Tour, organisiert vom Label Parvenue. Dessen Chefin Elnaz Amiraslani erzählt im DLF die Geschichte dieses musikalischen Brückenschlages - und warum heute Abend eine Münze geworfen wird.

Elnaz Amiraslani im Gespräch mit Sigrid Fischer |
    Die Mitglieder der iranischen Band Langtunes und der israelischen Band Ramzailech Garen (l-r), Amit, Kamyar, Gal, Behrooz, Hod, Sam, Roy und Mikey posieren am 16.11.2015 in der Straße der Menschenrechte in Nürnberg (Bayern).
    Zwei Welten, zwei Bands, eine Idee: Langtunes aus dem Iran und Ramzailech aus Israel treten zusammen auf. (picture-alliance / dpa / Daniel Karmann)
    Sigrid Fischer: Ein heimlicher Händedruck ist es, den die iranische Band Langtunes (gegründet 2009) und die israelische Band Ramzailech (gegründet 2005) austauschen, auf ihrer "Secret Handshake Tour", ein musikalischer Händedruck ist das auch zwischen jungen Künstlern, deren Heimatländer in großer Feindschaft zueinander stehen. Auf neutralem Boden, in Deutschland, wollen die beiden Bands jetzt mit einer gemeinsamen Tour ihre Vision zum Ausdruck bringen – und die heißt: Weltfrieden. Das Verbindungselement zwischen beiden ist das deutsche Label Parvenue aus Nürnberg, das mit beiden Bands zu tun hat und die iranische Band Langtunes auch unter Vertrag hat. Und diese Tour veranstaltet Parvenue auch, und Chefin des Labels ist die gebürtige Iranerin Elnaz Amiraslani. Mit ihr bin ich jetzt verbunden. Guten Tag, Frau Amiraslani!
    Elnaz Amiraslani: Guten Tag, hallo, Salaam!
    Fischer: Salaam! Wie kam ihr Label, ein Label in Nürnberg, überhaupt mit diesen beiden Bands zusammen?
    Amiraslani: Der Kontakt zu der iranischen Band Langtunes ist letztes Jahr im Sommer entstanden, ganz naheliegend über Facebook. Die Jungs haben von einer anderen iranischen Band, die die Jahre zuvor schon mal in Deutschland waren, einen Kontakt übergeben bekommen und sich gemeldet, um mitzuteilen, dass sie auf Tour sind in Deutschland. Und da war ich dann so eine Ansprechperson, habe denen ein bisschen bei der Tour-Organisation geholfen, und dann hat sich herausgestellt, dass die Jungs wirklich vorhaben, auch ein Album zu produzieren und zu veröffentlichen, was im Iran nicht möglich ist, weil es da diese Musikindustrie, diese Popkulturindustrie eigentlich gar nicht gibt und man auch Genehmigungen benötigt, um überhaupt ein Tonstudio anzumieten und dann im nächsten Schritt auch was zu veröffentlichen. Und weil es ja absehbar war, dass die Musik der Langtunes diese Genehmigung nicht bekommen wird, war es für uns einfach ein Anliegen, zu sagen, wir verlängern euer Visum, behalten euch noch ein paar Monate hier und nehmen dieses Album auf.
    Fischer: Die singen ja auf Englisch, und Englisch zu singen ist auch nicht erlaubt im Iran, für so eine Popband oder eine Rockband, oder?
    Amiraslani: Nein, es ist tatsächlich nicht erwünscht, obwohl es tatsächlich schon auch so ist, im Iran wird ziemlich viel Blues und Jazz und gediegenere Musik, auch englischsprachig, gehört, das ist auch legal.
    Fischer: Langtunes, die iranische Band, hat ja offensichtlich auch Schwierigkeiten, ihre Musik in ihrer Heimat zu leben. Wie ist es mit Ramzailech in Israel?
    Amiraslani: Bei Ramzailech ist es tatsächlich so, wie sie selber immer berichten, dass auch Ramzailech mit ihrer Musik auf ihre Art und Weise sehr verstören. Die nennen ja ihre Musik selbst Hardcore-Klezmer-Rock in jiddischer Sprache, was tatsächlich in Israel kaum noch in der Popkultur auftaucht. Und diese Kombination zwischen traditioneller Klezmer-Musik und Klarinette und harten Gitarrenriffs und lautem Schlagzeug und Bass gibt es so in Israel auch kaum. Die machen, was sie machen, legal, verstören aber auf eine Art und Weise.
    "Es war nicht so, dass man gegenseitig erst mal die politische Einstellung abgefragt hat"
    Fischer: Wie ist das – sprechen die über die Feindschaft zwischen ihren Ländern? Ist das ein Thema bei denen?
    Amiraslani: Ich muss sagen, man muss bedenken, die Bands haben sich im November letzten Jahres vier, fünf Stunden auf diesem Konzert in Deutschland kennengelernt und jetzt über ein Jahre lang den Kontakt über Skype und übers Internet gehalten, und da ging es natürlich vordergründig um die Planung dieser Tour. Es gab natürlich von vornherein auch Gespräche über Konfliktabschätzung – ist das jetzt gefährlich, was wir machen, was könnten denn die Konsequenzen sein? Dass da jetzt wirklich tiefgründigere politische Gespräche oder ein wirklich politischer Austausch stattgefunden hat, dafür war gar nicht die Zeit da, aber wir sind uns alle sehr sicher, dass eben in diesen drei, vier Wochen, wo die Bands ja tagtäglich Zeit miteinander verbringen werden, solche Gespräche aufkommen werden. Also, es war nicht so, dass man gegenseitig erst mal die politische Einstellung abgefragt hat.
    Fischer: Die wollten auch beide nicht staatliche Unterstützung haben aus ihren Heimatländern für ihre Tour, damit das Projekt politisch neutral bleibt, so sagen Sie, und haben dann eine Crowdfunding-Kampagne ja gestartet. Hat die funktioniert?
    Amiraslani: Leider nicht. Zu unserer sehr großen Überraschung hat Crowdfunding in unserem Fall nicht geklappt. Die Kampagne lief ja auch unter dem Slogan "Become a Peace Dealer". Wir hatten unglaublich viel Reichweite, europaweit hat es auch international bis nach Südafrika und Südostasien – monetär ging das aber nicht auf. Letztendliches Fazit ist, Crowdfunding ist in Deutschland, glaube ich, noch nicht so ganz angekommen.
    Fischer: Da trifft jetzt also Indielektrorock auf Englisch aus dem Iran auf Hardcore-Klezmer in Jiddisch aus Israel bei dem Konzert. Wie wird das ablaufen, so ein Konzertabend? Spielen die nebeneinander, nacheinander, zusammen?
    Amiraslani: Bevor es heute losgeht, wird erst mal eine Münze geworfen. Dann wird feststehen, wer heute Abend als erste und zweite Band spielt, und so werden wir versuchen, einen Rhythmus beizubehalten.
    "Ein Projekt, das global und universal einsetzbar ist"
    Fischer: Frau Amiraslani, Sie sind ja selbst Iranerin. Sie haben 1985 mit Ihrer Familie Teheran verlassen, sind nach Deutschland gezogen. Die beiden Bands wählen ja jetzt Deutschland aus für die Tour, weil, wie sie sagen, sich hier Menschen aller Länder und Religionen frei begegnen können. Haben sie dieses Gefühl zurzeit tatsächlich in unserem Land?
    Amiraslani: Ja. Ich glaube, dass unsere Demokratie in Deutschland und Meinungsfreiheit gerade in der jetzigen Zeit sehr deutlich ausgelebt wird, natürlich auch in sehr negativer Ausrichtung leider auch, aber das ist für mich auch ein Stück weit so die Bestätigung der Demokratie. In Bezug jetzt auf die Tour war es tatsächlich, finde ich, eine richtige Entscheidung. Es gab auch Überlegungen, es vielleicht auch in anderen europäischen Ländern zu machen oder auch in Amerika oder UK. Das wäre ein Projekt, das, denke ich mal, global und universal einsetzbar ist. Und das war nicht nur aus logistischen Gründen, weil ich hier meinen Sitz habe, doch eine sehr bewusste Entscheidung, damit nach Deutschland zu gehen.
    Fischer: Nun ist die Idee der Tour natürlich, dass die universale Sprache der Musik verbinden kann und sollte. Am Wochenende in Paris haben wir gesehen, dass Musik nicht verbunden hat. Im Gegenteil, es gab einen Anschlag auf ein Popkonzert und eine Konzerthalle. Das muss ja auch für sie als eine in der Musikbranche Schaffende, die auch mit solchen engagierten Projekten auftritt, ganz desillusionierend auch sein, genau diese Erkenntnis jetzt eigentlich.
    Amiraslani: Ja. Und hat das natürlich alle sehr, sehr mitgenommen. Da ging natürlich auch bei uns eine Nervosität herum, nicht in die Richtung, dass wir uns da vielleicht auch als Opfer solcher Anschläge sehen, aber es macht natürlich nervös, es nimmt einen auch emotional natürlich sehr mit, und insgesamt die ganze Situation, dass so was passiert und dass eben so viele schlechte Nachrichten auch in Verbindung mit dem Nahen Osten immer wieder Thema sind tagtäglich – das bestärkt uns eigentlich, muss ich ganz ehrlich sagen, auch zu sagen, wir wollen jetzt einfach, jetzt erst recht, zeigen, wir haben gute Nachrichten aus dem Nahen Osten dabei.
    Fischer: Ja, dann hoffen wir, dass diese Tour der beiden Bands aus dem Iran und Israel, die "Secret Handshake Tour" auch ohne Folgen bleibt für die Bands in ihrer Heimat. Sie haben da eben angedeutet, das muss man dann mal sehen. Heute Abend beginnt sie auf jeden Fall in Leipzig, mit Langtunes aus dem Iran und Ramzailech aus Israel. Dann folgen Hamburg, Berlin, Rostock, Wiesbaden, Nürnberg, Künzelsau, München, Frankfurt. Ich wünsche viel Erfolg mit dem "Become a Peace Dealer"-Auftrag auch. Und friedliche Konzerte auch vor allem.
    Amiraslani: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.