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Brückenschlag in die Antike

Eine große Ausstellung im Magdeburger Kulturhistorischen Museum stellt Otto den Großen in eine Tradition mit den römischen Kaisern. Der fränkisch-sächsische König reklamierte für sich die "höchste Würde", die man damals in Europa erlangen konnte, erläutert Museumsdirektor Matthias Puhle.

Matthias Puhle im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
    Doris Schäfer-Noske: Sachsen-Anhalt feiert also Otto den Großen. Zu seinem 1100. Geburtstag und dem 1050. Jahrestag der Kaiserkrönung sind dem Herrscher an acht Orten des Bundeslandes Ausstellungen gewidmet. Im Zentrum steht dabei die Magdeburger Schau "Otto der Große und das Römische Reich", die heute mit einem Festakt im Magdeburger Dom eröffnet worden ist. Dort im Dom liegt übrigens auch Otto der Große begraben.
    Der Herrscher machte Magdeburg zum Mittelpunkt seines Reiches, und die Stadt dankt es ihm nun mit der dritten Ausstellung zu ihm und seiner Zeit innerhalb von gut zehn Jahren. Thema der Schau im Kulturhistorischen Museum ist auch das europäische Kaisertum. Frage an Museumsdirektor Matthias Puhle: Herr Puhle, Sie schlagen in der Ausstellung einen Bogen von den römischen Kaisern zu den Ottonen, indem Sie sagen, Otto der Große habe sich die römischen Kaiser zum Vorbild genommen. Welche Belege dafür zeigen Sie denn in der Ausstellung?

    Matthias Puhle: Zunächst einmal ist ja der historische Fakt nicht zu bestreiten, dass Otto der Große am 2. Februar 962 nicht deutscher Kaiser wurde - so was gab es ja zu dem Zeitpunkt noch gar nicht -, sondern römischer Kaiser in der Nachfolge Karls des Großen, der ja 800 diese Tradition überhaupt begründet hat, mit dem Papst gemeinsam das christliche Kaisertum sozusagen des frühen Mittelalters aufleben zu lassen, dass er in dieser Tradition stand und tatsächlich sich in die große Kontinuität der römischen Kaiser gestellt hat. Belege gibt es insofern, als dass in den Urkunden von 962, vor allem aber in der Gründungsurkunde des Erzbistums Magdeburg von 968 der Papst Otto den Großen als Nachfolger Konstantins des Großen und Karls des Großen bezeichnet, und damit haben wir dann sozusagen den Brückenschlag bis in die Antike. Es gibt aber noch viele weitere Belege in der Ausstellung.

    Schäfer-Noske: Warum wollte denn Otto der Große wie ein römischer Kaiser sein?

    Puhle: …, weil es den universalen Herrschaftsanspruch markierte und er damit die höchste Würde erreichen konnte, die man in Europa damals erlangen konnte. Zu seiner Zeit bestand ja bereits seit Jahrhunderten das oströmisch-byzantinische Reich fort, es hatte ja eine Kontinuität seit 395, bis dann erst 1453 Byzanz durch die Osmanen gefallen ist, also lange, lange nach Otto dem Großen. Und die oströmischen Kaiser, die byzantinischen Kaiser, haben sich immer auch als Kaiser der Römer bezeichnet. Das heißt, sie hatten einen gesamten Anspruch. Und nun kam quasi als Parvenü, als Emporkömmling dieser fränkisch-sächsische König daher und beanspruchte für sich auch die römische Kaiserwürde, die weströmische Kaiserwürde. Das war zunächst einmal auch etwas, was man durchsetzen musste, und das hat er dann eben doch zusammen mit dem Papst geschafft. Es war sicherlich eine Frage von Macht und Herrschaft und Ausdehnung des Reiches über die Alpen bis nach Italien, sicherlich auch verursacht durch die Hochzeit mit der berühmten Adelheid, die als Königinwitwe das Königreich Italien mit in die Ehe gebracht hat, und wir nehmen an, Historiker nehmen an, dass durch diese Heirat 951 in Pavia in Italien – das markiert ja schon diesen Italien-Bezug – ganz offensichtlich sich der Blick Ottos des Großen intensiv nach Rom gerichtet hat.

    Schäfer-Noske: Otto der Große war also ein sehr erfolgreicher Herrscher. Wie kommt denn diese geschichtliche Bedeutung in der Ausstellung vor?

    Puhle: Diese Bedeutung wird dadurch unterstrichen, dass wir diese lange Kontinuität mit natürlich auch den vorhandenen Brüchen des römischen Kaisergedankens von Augustus bis zu ihm hinführen. Und in der Abteilung V, in der eigentlichen Ottonenabteilung, wird dann diese Prachtentfaltung mit fantastischen Objekten belegt, zum Beispiel dem Evangeliar von St. Gereon aus Köln, was vor dreieinhalb Jahren mit dem Stadtarchiv einstürzte oder Opfer dieses Einsturzes geworden ist und Gott sei Dank nicht zerstört wurde und durch unsere Hilfe jetzt wieder restauriert werden konnte. Das ist ja eigentlich auch ein sehr schöner Nebeneffekt in unserer Ausstellung, dass wir hier ein bisschen mithelfen konnten, die Folgen dieser Katastrophe ein bisschen zu lindern. Und in dieser Handschrift sind drei der Persönlichkeiten dieser Zeit, die Adelheid, die Theophanu und Otto III. in kleinen Porträts dargestellt.

    Schäfer-Noske: Apropos Porträt – Otto der Große ist ja der Erste, der sich auf einem Siegel von vorne gezeigt hat.

    Puhle: Er ist der erste der fränkisch-sächsischen Könige, das stimmt. Aber das tut er erst in dem Moment, wo er tatsächlich zum Kaiser erhoben wird. Vorher wird er auch im Profil gezeigt. Man kann also die Erhöhung seiner Herrschaft durch die Kaiserkrönung in Rom auf dem Siegelbild nachvollziehen. Und er stellt sich damit auf eine Stufe mit dem oströmischen Basileios, der das auch tut, und dann war es noch üblich, dass Christus von vorne gezeigt wurde. Ansonsten war es eben nur den Kaisern vorbehalten, und so sah sich dann Otto der Große ab 962. Das ist ja auch das Hauptmotiv unserer Ausstellung. Er wird auf diesem Siegel "Otto Imperator Augustus" genannt, das ist der alte römische Kaisertitel "Erhabener Kaiser" - Augustus heißt ja "Der Erhabene" -, und er hat die Herrscherinsignien Krone, Zepter und Globus an und er zeigt sich in einem antiken Ornat und all das belegt, dass er sich eben als römischer Kaiser identifizierte.

    Schäfer-Noske: Herr Puhle, welche Highlights gibt es denn in dieser Ausstellung?

    Puhle: Ich möchte zwei Highlights neben 350 weiteren – es sind nämlich 350 Objekte, die alle herausragend sind – ansprechen. Das erste ist die Monomentalskulptur des Trajan, die wir vom Pergamon-Museum Berlin bekommen haben. Es ist also ein antiker Kaiser, der um 100 nach Christus geherrscht hat und unter dem Rom seine größte Ausdehnung erreicht hat und der sozusagen als Symbol für die Antike in der Ausstellung steht. Und zum anderen, erstmalig überhaupt außerhalb Roms gezeigt, die sogenannten Herrschaftszeichen des Maxentius. Dieser Maxentius ist vielleicht weniger berühmt, aber wenn man weiß, dass er der Gegenspieler Konstantins des Großen war und in der Schlacht an der Milvischen Brücke 312 Konstantin unterlag und auch in der Schlacht fiel, dann weiß man doch, welche Bedeutung dieser Maxentius hat, denn mit dieser Schlacht beginnt ja die Alleinherrschaft Konstantins des Großen. Und seine Anhänger, also die Anhänger des Maxentius, haben wohl die Herrschaftszeichen des Maxentius, der ja in Rom damals regierte, in Rom verborgen, in Seide eingeschlagen in einem Holzkästchen am Paladin, also am Palast des Kaisers, und erst vor sieben Jahren, 2005, ist man bei Grabungen überraschend auf diese Herrschaftszeichen gestoßen. Das sind also Zepter, Kugeln, Lanzenspitzen, die sind restauriert worden und sie belegen erstmalig überhaupt – das muss man sich mal vorstellen – diese Herrschaftszeichen des Römischen Reiches, denn von diesem großen Imperium ist nichts an Herrschaftszeichen auf uns gekommen. Es sind die ersten, die man jetzt ergraben hat, und die kann man bei uns in der Ausstellung sehen.

    Schäfer-Noske: In Magdeburg ist eine Ausstellung zu "Otto dem Großen" eröffnet worden. Das war ein Gespräch mit dem Museumsdirektor Matthias Puhle.


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