Beißender Qualm zieht über den Platz vorm Europaparlament in Brüssel. Reifen werden in ein Feuer geworfen. Etwa 20 Traktoren blockieren den Verkehr. Vor allem aus Deutschland und Belgien sind hier Milchbauern zusammengekommen, um gegen die Abschaffung der Milchquote zu protestieren. Zu den schätzungsweise 200 Landwirten gehört auch Stefan Lehmann, der in Oberharmersbach im Schwarzwald mit 45 Kühen Milch produziert:
"Wir brauchen auf jeden Fall ab dem ersten April ein Marktkriseninstrument, das einfach verhindert, das den Milchmarkt jetzt vorm kompletten Zusammenbruch rettet, denn wir befürchten, dass jetzt die Milchmenge in den kommenden Monaten ansteigen wird, dermaßen, dass wir Milcherzeugerpreise haben werden von weit unter 30 Cent und das ist der Tod der bäuerlichen Landwirtschaft in ganz Europa."
Die Erzeuger würden sich gegenseitig den Preis verderben, profitieren würden davon einzig die Großmolkereien, die den Preisdruck erhöhen könnten, so die Befürchtung der Landwirte. Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt will das verhindern:
"Einige gewisse Notfallmaßnahmen haben wir ja bereits vorgesehen. Die sollten in der Marktbeobachtung noch verbessert werden."
Wie genau diese Notfallmaßnahmen aussehen, das steht aber noch nicht fest. Oberste Priorität hat für Schmidt: Liberalisierung des Milchmarktes und mehr Wettbewerb. Nach 31 Jahren fällt die Obergrenze für die Milchproduktion nun weg. So sollen die Milchbauern von der weltweit steigenden Nachfrage nach Milch profitieren können. Funktioniert habe die Quote sowieso nicht, findet der Europaabgeordnete Peter Jahr von der CDU:
"Seinerzeit wurde sie eingeführt, um die Milchüberproduktion in den Griff zu kriegen - zugunsten des produzierenden Betriebes. Und man muss heute feststellen: Viele Dinge, die man damals gewollt hat, sind mit der Milchquote nicht erreicht worden."
Zahl der Milcherzeuger ist seit Einführung der Quote gesunken
Die Statistik gibt ihm recht: Die Zahl der Milcherzeuger ist seit Einführung der Quote auf etwas mehr als ein Fünftel der ursprünglich rund 370.000 Betriebe gesunken. Landwirt Lehmann sieht die Schuld aber nicht bei den Betrieben:
"Und wer war das? Das war genau die Politik. Genau die, die es gar nicht wollten, dass die Quote überhaupt funktioniert, die schreien jetzt: ‚Es hat nur viel Geld gekostet'. Hätten sie sie gleich richtig angewandt, wie wir es auch schon seit Jahren vorschlagen, die Quote nach dem Markt auszurichten, und nicht einfach stur nach politischen Beschlüssen oder sonst was, dann hätte sie funktioniert."
Die Milchbauern fordern deshalb ein Krisenprogramm. Das könnte aus dem Geld finanziert werden, dass die Landwirte als Strafe für Überproduktion zahlen mussten. Nach Angaben des Branchenverbandes European Milk Board sind so allein im vergangenen Jahr 409 Millionen Euro zusammengekommen.
Aus Sicht des konservativen Europaabgeordneten Jahr wird sich unabhängig davon die Milchwirtschaft in jedem Fall verändern müssen:
"Trotzdem muss ich sagen schlussendlich, wird mit oder ohne Milchquote der Strukturwandel wahrscheinlich in der Milchwirtschaft bei den Milchbauern weitergehen - ist letztendlich auch eine unternehmerische Entscheidung der Bauern selbst."
"Dann können wir zusperren"
Landwirt Stefan Lehmann steht weiter mit seinen Kollegen vorm Europaparlament in der Kälte und protestiert. Für ihn ist klar, wie diese unternehmerische Entscheidung für seinen Hof dann aussehen würde:
"Dann können wir zusperren. Dann verschwindet die Milchwirtschaft, dann verschwindet die Kulturlandschaft, die alle so gern haben wollen. Aber das geht halt einfach nur, wenn die Bauern auch Geld verdienen dürfen und das müssen wir halt auch."
Für seinen Familienbetrieb sieht er deshalb Schwarz. Bis zum Abend wollen die Landwirte in Brüssel ihre Mahnwache abhalten. Morgen früh werden sie dann wieder auf ihren Höfen sein, sich um ihr Vieh kümmern und auf einen besseren Milchpreis hoffen.