Archiv

Brüssel
Kopfschütteln über Absenkung der Terrorwarnstufe

Die belgischen Behörden haben die höchste Terrorwarnstufe für den Großraum Brüssel wieder aufgehoben. Es bestehe aber weiterhin eine ernste Anschlagsgefahr, sagte Regierungschef Charles Michel. Die Entscheidung löst bei manchen Landsleuten Kopfschütteln aus.

Von Karin Bensch |
    Militär patrouilliert in Belgiens Hauptstadt Brüssel.
    Die belgische Regierung hat die Terrorwarnstufe gesenkt ( EMMANUEL DUNAND / AFP)
    Die höchste Terrorwarnstufe in Brüssel geht eine Stufe runter: von vier auf drei, sagte der belgische Ministerpräsident Charles Michel. Das war überraschend: Eigentlich sollte die höchste Stufe mindestens bis kommenden Montag gelten. So hatte es die Regierung noch Anfang der Woche verkündet. Doch nun sei das belgische Krisenzentrum, OCAM, das die Gefahrenlage im Land analysiert, zu einer neuen Bewertung gekommen, sagte Michel.
    Das Krisenzentrum OCAM gibt es seit fast zehn Jahren in Brüssel. Seine Analysen basieren auf Informationen von Nachrichtendiensten, Sicherheitsbehörden und der Polizei. Die neue Bewertung, also runter auf Stufe 3, bedeutet konkret: Ein Terroranschlag in Brüssel ist immer noch möglich und wahrscheinlich.
    Die Lage bleibe ernst
    Damit schätzen die Experten des Krisenzentrums die langer also weniger gefährlich ein als noch vor ein paar Tagen. Die Anschlaggefahr in Brüssel sei nun nicht mehr ernstzunehmend und unmittelbar bevorstehend.
    Die höchste Terrorwarnstufe wurde vor einer Woche ausgerufen. Die belgischen Behörden hatten nach eigenen Aussagen, konkrete Hinweise darauf, dass auch in Brüssel einen Anschlag geben sollte wie in Paris - mit mehreren bewaffneten Attentätern an unterschiedlichen Orten. Anschlagziele sollen nach Regierungsangaben vor allem Einkaufszentren gewesen sein. Die Lage bleibt erst, betonte Ministerpräsident Michel: Auch die zweithöchste Terrorwarnstufe bedeute eine ernstzunehmende Bedrohungslage. Deshalb seien Sicherheitsvorkehrungen nach wie vor gerechtfertigt.
    Alles nicht mehr so schlimm?
    Der Bürgermeister des südlichen Brüsseler Stadtteils St. Gilles reagierte "perplex" auf die Entscheidung, die Terrorwarnstufe zu senken. Im belgischen Fernsehsender RTBF sagte Charles Picqué, die niedrigere Stufe drei werde unterschiedliche Auslegungen zur Folge haben.
    Stufe drei sei einfach nicht so eindeutig wie die höchste Stufe vier, die klar macht, dass es immer noch eine Bedrohung gibt.
    Viele Brüsseler könnten denken: Wenn die Terrorstufe runtergeht, kann das ja alles nicht mehr so schlimm sein. Die meisten von ihnen sehnen sich seit Tagen nach Normalität in ihrer Heimatstadt, in der Polizisten und Soldaten das Straßenbild prägen.
    Zickzackkurs
    Die belgische Regierung scheint unter einem enormen Druck zu stehen. Ohne Fahndungserfolge ist es schwierig von der höchsten Terrorwarnstufe wieder herunter zu kommen. Zeichnet man den politischen Kurs der Regierung nach - sieht das nicht nach einer geraden Linie, sondern eher nach einem Zickzackkurs aus. Zuerst höchste Terrorwarnstufe, die Stadt wird lahmgelegt. Dann immer noch höchste Terrorwarnstufe, aber Schulen und U-Bahn öffnen größtenteils wieder. Und jetzt: die Terrorwarnstufe wird heruntergesetzt – eine halbe Woche vor der ursprünglich angekündigten Entscheidung.
    Und all das, obwohl die wichtigsten Terrorverdächtigen noch immer frei herum laufen.