Matteo Salvini, Italiens Innenminister, ist eine Woche nach der Europawahl schon wieder im Wahlkampf. Nächste Woche werden in etlichen italienischen Kommunen neue Bürgermeister bestimmt. Salvini geht es bei seiner Wahlkampftour aber nicht um kommunale Themen. Bei seinen Auftritten im Süden des Landes attackierte er vor allem einen Gegner: die EU-Kommission in Brüssel.
Salvinis Provokationen
Die wird nämlich wohl ein Defizitverfahren gegen Italien auf den Weg bringen. Weil Italiens Budget aus dem Ruder zu laufen droht. Weil die Wirtschaft nicht wachsen will, wird die Neuverschuldung im kommenden Jahr auf über drei Prozent anwachsen. Der Gesamtschuldenstand steigt auch weiter an, auf möglicherweise bis zu 135 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Und wenn Italiens Regierung auch noch die versprochenen Steuersenkungen umsetzt, dann könnte die Neuverschuldung im nächsten Jahr sogar bei fünf Prozent liegen. Na und - ruft Salvini seinen Anhängern bei einem Wahlkampfauftritt zu, und dann sagt er an die Brüsseler EU-Kommission gerichtet: "Lasst uns einfach so arbeiten, wie es die Italiener von uns wollen: 'Weniger Steuern und mehr Jobs!'"
Und für den absehbaren Fall, dass die EU-Kommission dieser Aufforderung nicht folgen mag, fügt Salvini hinzu: "Wenn sie dazu 'Nein' sagen, dann werden wir ja sehen, wer den größeren Dickkopf hat."
Früher in Rente und Bürgergeld
Von italienischer Seite aus sind die Signale also auf Konflikt gestellt. Und dieser Konflikt hat einen langen Vorlauf. Gleich nach dem Amtsantritt der italienischen Populisten-Koalition kassierte Rom die haushaltspolitischen Zusagen, die die Vorgängerregierung gemacht hatte. Eigentlich hätte danach die Neuverschuldung für 2019 auf 0,6 Prozent des BIP gesenkt werden müssen. Stattdessen senkten Cinque Stelle und Lega das Renteneintrittsalter und führten ein Bürgergeld ein. Die Neuverschuldung werde bei 2,4 Prozent landen, so hieß es aus Rom.
Defizitgrenze - der Dammbruch droht
Nach zähen Verhandlungen im vergangenen Herbst verständigten sich Brüssel und Rom dann auf eine Neuverschuldung von zwei Prozent. Schon damals aber war beiden Seiten klar, dass diese Marge gerissen werden würde. Der Konflikt sollte lediglich auf einen Zeitpunkt nach den Europawahlen verschoben werden. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.
Experten rechnen mit einem Defizit von drei Prozent schon im laufenden Haushaltsjahr. Und im kommenden Jahr droht dann endgültig der Dammbruch. So wird es sinngemäß wohl in dem Bericht stehen, den die EU-Kommission heute in Sachen Italien vorlegt. Und der wäre dann der Auftakt für ein förmliches Defizitverfahren gegen Italien.
Brüssel hatte mehrfach "ein Auge zugekniffen"
Schon im vergangenen Herbst hatte Kommissionschef Jean-Claude Juncker darauf hingewiesen, dass Brüssel schon mehrfach ein Auge zugekniffen hatte, wenn Italien gegen die Stabilitätskriterien verstoßen hatte. Und dafür sei die Kommission von den anderen Euroländern häufig kritisiert worden.
Diesmal wird Brüssel dann wohl kein Auge zudrücken, diesmal wird das Defizitverfahren wohl gestartet werden. Der Ausgang ist allerdings offen. Bis tatsächlich Geldstrafen verhängt würden, müsste eine lange Prozedur durchlaufen werden. Und der will die italienische Regierung offensichtlich nicht tatenlos entgegensehen.
Experten fürchten Einführung einer Parallelwährung
Das italienische Abgeordnetenhaus hat letzte Woche für die Einführung sogenannter Mini-Bots gestimmt. Das sind Schuldpapiere, mit denen die Regierung Lieferanten bezahlen will. Und die können damit dann ihre Schulden beim Finanzamt tilgen.
Experten sehen darin die Einführung einer Parallelwährung. In der Eurozone, in der der Euro das einzige Zahlungsmittel sein soll, ein Affront. Und vielleicht der Anfang des Ausstiegs Italiens aus dem Euro, was dramatische Folgen auch für die anderen Euroländer hätte.