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Brüsseler Personal-Tableau
Sprengsatz für die Koalition?

Gefährdet die Entscheidung für Ursula von der Leyen den Fortbestand der Großen Koalition? SPD-Vize Ralf Stegner jedenfalls ist überzeugt: Bei der anstehenden Zwischenbilanz werde die Angelegenheit auf die Negativseite geschrieben werden.

Von Katharina Hamberger |
Das Foto zeigt Ursula von der Leyen. Sie beantwortet vor vielen Mikrofonen die Fragen von Reportern im Europäischen Parlament in Straßburg.
Die Personalie von der Leyen bringt die Koalition in Schwierigkeiten. (dpa-Bildfunk / AP / /Jean-Francois Badias)
Die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin zu nominieren, belastet die sowieso schon brüchige Große Koalition in Berlin. Denn die Sozialdemokraten sind wenig begeistert von dem Vorschlag, dass die Verteidigungsministerin an die Spitze der EU-Kommission wechseln soll. Im Deutschlandfunk sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralph Stegner, es sei kein Beitrag, der die Koalition zusammenbringe. Union und SPD hätten beide im Europawahlkampf für die Spitzenkandidaten geworben:
"Und was jetzt herauskommt, ist etwas, wo jemand ins Amt gehoben werden soll, der nicht auf den Wahlplakaten stand und das ganze übrigens noch als Ergebnis eines eher Erpressungsprozesses durch die Herren Orban, Salvini, Strache usw., also diejenigen, die antieuropäisch gesonnen sind."
Das könne einem nicht gefallen, so Stegner weiter, deshalb habe die SPD auch nicht zugestimmt.
"Sondern Frau Merkel musste sich im Europäischen Rat enthalten und das bei einem Vorschlag für eine deutsche Politikerin. Das zeigt ja das ganze Dilemma dieses Prozesses und das ist ein richtiger Beitrag zur Politikverdrossenheit, den sich gerade Union und SPD am wenigsten erlauben können, wenn ich die gegenwärtige politische Situation betrachte."
Die sozialdemokratischen Abgeordneten im Europaparlament hätten keinerlei Grund, für Frau von der Leyen zu stimmen, meint Stegner. Klar ist bislang, dass die SPD-Spitzenkandidatin für Deutschland, Katarina Barley, nicht für von der Leyen stimmen will. Auch Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt und einer der Bewerber um den SPD-Parteivorsitz, stellte sich gegen von der Leyen.
Dreyer will keine Wahlempfehlung geben
Er sagte dem rbb-Info-Radio, er würde es begrüßen, wenn das Parlament die Kraft finde, einen der Spitzenkandidaten des Europa-Wahlkampfes zum Chef der EU-Kommission zu wählen, so Roth. Ganz so weit, den SPD-Europaabgeordneten eine Wahlempfehlung zu geben, will die kommissarische Parteivorsitzende Malu Dreyer nicht gehen. Allerdings betonte auch sie im ZDF, die SPD habe richtig gehandelt, man habe gehalten was man versprochen habe:
"Jetzt wird es darum gehen, in den nächsten zwei Wochen, dass im Parlament eben abgewogen wird, dass man sich auseinandersetzt mit diesen Fragen und dass man womöglich auch einen Weg aufmacht, wie man eigentlich in Zukunft dieses Spitzenkandidatenprinzip auch einhalten kann und nicht einfach über Bord wirft jetzt mit dieser Entscheidung."
So Dreyer. Sie widerspricht außerdem dem früheren SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Merkel einen Verstoß gegen die Regeln der Bundesregierung vorgeworfen hat und meinte, das sei ein Grund, die Koalition zu verlassen.
"Ich gehe nicht so weit. Denn ich kann nicht Frau Merkel vorhalten, dass sie sie nicht entsprechend des Koalitionsvertrages verhalten hätte. Sie hat sich im Europäischen Rat enthalten."
Erfreut sei die SPD aber nicht, wie das ganze gelaufen sei, so Dreyer weiter. Man hätte sich durchaus eine vertrauensbildende Maßnahme vorstellen können.
Wirklich glücklich mit der Entscheidung für von der Leyen – und damit gegen Manfred Weber – ist man auch bei der CSU nicht. Man scheint sich aber fügen zu wollen. Aus Verantwortung für das Land und Europa akzeptiere die CSU die Entscheidungen. Aber jubeln könne sie nicht, meinte der CSU-Vorsitzende Markus Söder und zeigt gleichzeitig mit dem Finger Richtung Koalitionspartner SPD. Der Deutschen Presseagentur sagte er, die Sozialdemokraten hätten Deutschland blamiert, weil sie mit ihrem Nein zu von der Leyen Kanzlerin Angela Merkel gezwungen hätten, auf dem EU-Sondergipfel als Einzige nicht zuzustimmen und sich zu enthalten, das sei einfach nur destruktiv.