Wenn es so etwas wie einen "echten Molenbeeker" gibt, dann ist es Mohamed El Bachiri. Seit seiner Geburt lebt der 37-Jährige hier – und hat in all den Jahren diesem Stadtteil Brüssels nie den Rücken gekehrt.
"Wenn man Zeitung liest, könnte man denken, dass wir hier in Kabul leben – aber das ist nicht wahr", sagt der Belgier mit marokkanischen Wurzeln im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel. Schließlich seien die Bewohner hier genauso schockiert über die Anschläge von Paris und Brüssel gewesen wie der Rest der Welt.
"Es hat hier schon immer soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten gegeben, Probleme mit Kleinkriminellen. Und mit einer radikalisierten Minderheit, die zwar nicht nur aus Molenbeek kommt, aber auch", gibt El Bachiri zu, der selber versucht dazu beizutragen, dass sein geliebter Stadtteil das Image der "Dschihadisten-Brutstätte" wieder los wird. Erst an diesem Wochenende hielt er in dem von marokkanischen Einwanderern geprägten Viertel eine gemeinsame Lesung mit einem jüdischen Freund ab.
Traumata in Büchern verarbeitet
Beide haben die für sie extrem traumatisierenden Anschläge in Brüssel mit Büchern zu verarbeiten versucht – der Freund verlor bei den Terror-Attacken ein Bein. El Bachiri selbst die Liebe seines Lebens und Mutter seiner drei Kinder: "Die Realität ist: Es gibt Jugendliche, die viel Wut in sich tragen. Die anfällig sind für die Propaganda der Dschihadisten. Die ihren Hass auf andere noch nähren."
Diesen Jugendlichen, den Menschen überhaupt müsse man die Möglichkeit geben, in Diskussionen ihren Frust loszuwerden, findet El Bachiri.
Es ist viel passiert in Molenbeek seit den Terror-Anschlägen: Der Staat versucht es mit Ent-Radikalisierungs-Programmen. Im Verborgenen arbeitende Moscheen wurden geschlossen. Die Polizei ist aufgestockt worden, soll sich vor allem um direkten Kontakt zu den Bewohnern bemühen.
Sehr viel Anstrengung nötig
"Der Kampf gegen die Radikalisierung braucht Zeit. Und damit Molenbeek ein 'ganz normaler Stadtteil' wird, ist sehr viel Anstrengung nötig."
So nüchtern sieht die Bürgermeisterin Molenbeeks, Francoise Schepmans die Dinge. Die sehr genau weiß, dass es dauern wird, bis ihr Bezirk sein doppelgesichtiges Image loswird: Es gibt das eine Molenbeek mit den angesagtesten Clubs und dem beliebtesten Wochenmarkt Brüssels. Und das andere Molenbeek, aus dem Dutzende sich auf den Weg nach Syrien machten, um sich dem sogenannten 'Islamischen Staat', den sogenannten 'Dschihadisten' anzuschließen. Dem versucht El Bachiri das entgegen zu setzen, was er selbst 'Dschihad der Liebe' nennt:
"Wir müssen den Jugendlichen die Werkzeuge mitgeben, die es ihnen ermöglichen, nachzudenken. Kritik zu üben, auch an sich selbst. Und vor allem: Frieden, Harmonie und Liebe zu lernen."
Dass sich Mohamed El Bachiri selbst nicht vom Hass hat verzehren lassen, nachdem die Terroristen ihm mit seiner Frau das nahmen, was ihm am kostbarsten war, hat auch viel mit seinen drei Kindern zu tun: Die sollten lernen, sagt er, dass der Hass am Ende niemals siegen dürfe.