Die Erleichterung, wenn eine Brustkrebsbehandlung erfolgreich beendet wird – sie hält manchmal für immer – manchmal allerdings nur für eine gewisse Zeit. Rezidiv nennen Ärzte es, wenn ein erfolgreich behandelter Krebs Monate oder Jahre später wieder auftaucht. Und das ist gar nicht so selten, sagt Prof. Dr. Thomas Dimpfl, Leiter der Frauenklinik am Klinikum Kassel und Leiter des dortigen interdisziplinären Brustzentrums.
"Wir wissen ja, dass ungefähr ein Drittel der Patientinnen, die Brustkrebs bekommen, ein Rezidiv bekommen. Und die Kernfrage ist jetzt: Macht es Sinn, das Rezidiv früher zu erkennen, bevor es Beschwerden macht."
Diese Frage ist entscheidend, wenn es darum geht, wie die Nachsorge für Brustkrebspatientinnen nach ihrer abgeschlossenen Therapie aussehen soll. Denn wenn für ein Rezidiv gilt: "Je früher erkannt, desto besser behandelbar" – dann wäre es sinnvoll, in regelmäßigen Abständen gründlich nach noch kleinen, neuen Tumoren zu suchen, meint Thomas Dimpfl:
"Also auch bei jemandem, der keine Beschwerden hat, regelmäßig nachzuschauen, sind Lunge, Leber, Knochen in Ordnung, zum Beispiel einfach ein Röntgenbild der Lunge, ein Ultraschall der Leber und ein Knochenszintigramm. Das wären drei Basisuntersuchungen, die an sich nicht teuer sind, die wenig Belastung haben und wo man einen Großteil der Informationen schon auch bekommt."
Letzte Studien stammen aus den 90er-Jahren
Es klingt so einfach – aber das ist es nicht. Denn es gibt auch Argumente gegen eine intensive Nachsorge, erklärt Dr. Hans-Joachim Lück, niedergelassener Onkologe in Hannover.
"Dagegen spricht meines Erachtens, dass wir nicht aufzeigen können, dass ein frühes entdecken dieses Rezidivs zu besseren Behandlungsergebnissen führt und vor allem nicht zu einem besseren Überleben führt."
Bis heute wissen weder Ärzte noch Wissenschaftler, ob es sinnvoll ist, ein Rezidiv möglichst früh zu erkennen. Die wenigen Studien zu dieser Frage ergeben: Die Überlebenschancen verbessern sich nicht, wenn ein Rezidiv möglichst früh entdeckt wird. Doch diese Studien sind nicht besonders aussagekräftig, denn sie stammen aus den 90er-Jahren, weiß auch Hans-Joachim Lück:
"Sie haben die Qualität von Studien, wie sie in den 90er-Jahren gemacht worden sind, mit den damaligen Mitteln und wir haben heute andere Therapien, wir haben andere Methoden, die wir anwenden. Aber wir wissen eben nicht, ob diese zu einer Verbesserung der Überlebensdaten bei den Patienten führt."
Auch möglich, dass mehr Nachsorge schadet
Schon seit Jahren versuchen Ärzte eine neue Studie auf die Beine zu stellen, die endlich klärt: Lohnt sich eine intensive Nachsorge – oder ist es besser, erst bei Beschwerden intensiv nach Krebszellen zu suchen. Doch eine solche Studie müsste viele Teilnehmerinnen haben, sie wäre teuer und würde wohl erst nach Jahrzehnten aussagekräftige Ergebnisse liefern. Derzeit basieren die Empfehlungen in Deutschland und zum Beispiel auch in den USA auf den alten Studien und raten von der intensiven Nachsorge ab. Schließlich ist es auch möglich, dass mehr Nachsorge schadet. Hans-Joachim Lück nennt ein Beispiel aus dem Bereich Hodenkrebs:
"Wir wissen aus Langzeituntersuchungen bei intensivierter Nachsorge beim Hodenkarzinom, dass intensivierte CT-Kontrollen durchaus zu einer erhöhten Rate an Lymphomen im Bauchraum und zu bestimmten Tumoren im Bauchraum geführt haben."
Frage ist wissenschaftlich derzeit ungeklärt
Außerdem ist es denkbar, dass einige Frauen durch die frühe Entdeckung eines Rezidivs nicht länger leben, sondern nur länger behandelt werden – diese Frauen hätten ohne intensive Nachsorge noch einige Monate ohne Therapie und Sorge gelebt, bis dann Beschwerden aufgetreten wären. Auszuschließen ist dies nicht. Seelisch belastend kann beides sein, viel oder wenig Nachsorge, meint Hans-Joachim Lück:
"Wir haben die Patientinnen, die dadurch seelisch belastet werden, dass sie zu dieser Diagnostik müssen, weil sie natürlich Angst haben, dass möglicherweise was gefunden wird. Und wir haben auch die andere Patientin, die das Gefühl hat: Wenn ich nicht kurzfristig nachschaue, dass möglicherweise etwas übersehen wird. Und dann vielleicht mein Gesamtüberleben schlechter verläuft, als es verlaufen könnte."
Wissenschaftlich klären lässt sich die Frage derzeit nicht. So bleibt es dem Arzt überlassen, seine Patientin über die möglichen Vor- und Nachteile zusätzlicher Untersuchungen aufzuklären.