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Brustkrebsvorsorge - eine Ehrenrettung

Medizin.- Eine Studie im Fachmagazin "British Medical Journal" bezweifelt den Nutzen von Mammografie-Untersuchungen. Professor Walter Heindel, Leiter des Referenzzentrums Mammografie der Universität Münster, sagt hingegen, dass der langfristige Nutzen dieser Vorsorge durchaus wissenschaftlich belegt sei.

Walter Heindel im Gespräch mit Monika Seynsche |
    Monika Seynsche: Einer aktuellen Studie zufolge hat das Mammografie-Screening keinen Einfluss auf die sinkende Sterblichkeit durch Brustkrebs. Das Mammografie-Screeningprogramm in Nordrhein-Westfalen wird begleitet vom Referenzzentrum Mammografie am Universitätsklinikum Münster. Und der Leiter des Referenzzentrums dort ist Professor Walter Heindel. Er ist jetzt am Telefon zugeschaltet. Guten Tag Herr Heindel.

    Walter Heindel: Guten Tag Frau Seynsche.

    Seynsche: Herr Heindel, was halten Sie von dieser Studie?

    Heindel: Es ist eine der wissenschaftlichen Studien, die wir insgesamt auch hier in Deutschland natürlich mit Interesse analysieren müssen. Es gibt aus meiner Sicht drei Aspekte, die wir dabei beachten müssen: der erste Aspekt ist die Studienart. Also um welche Art der Studie handelt es sich hier? Es ist eine sogenannte Trendanalyse, also eine retrospektive Studie. Man hat also in die Vergangenheit zurück geguckt und Daten auf WHO-Basis zurückverfolgt. Für die Methodiker - das ist für den Laien, glaube ich, ein schwieriges Thema - muss man sagen, ist das eine Art von Studien, von denen bekannt ist, dass sie eigentlich der ungünstigste Ansatz sind, um solche Effekte überhaupt so erfassen. Das heißt, diese Studien werden oft durch Vermischungen, wie Sie es in Ihrer Anmoderation bereits erläutert haben, wesentlich beeinflusst. Vielleicht kann man es noch etwas besser erklären, wenn man sagt, es ist ganz problematisch, verschiedene Länder zu vergleichen, was hier ja getan wurde.

    Seynsche: Nun waren es aber ja Länder, die eigentlich sehr ähnlich sind von den Strukturen - würde man ja jetzt annehmen, Norwegen und Schweden zu Beispiel.

    Heindel: Ich glaube, das ist doch nicht ganz so. Vielleicht für Norwegen und Schweden würde ich Ihnen Recht geben, dass die noch am ähnlichsten sind. Bei den anderen Ländern gibt es erhebliche Unterschiede. Wenn Sie alleine an den hier gewählten Vergleich zwischen Irland und Nordirland denken. Da spielen sicherlich solche Aspekte eine Rolle wie zum Beispiel Hintergrundinzidenz. Das heißt, wie viel Brustkrebs gibt es sozusagen in einer Region? Allein wenn Sie unser Land, Deutschland, dazu einmal angucken, haben wir in Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle. Wir haben im Norden mehr Brustkrebs als im Süden Deutschlands. Diese Aspekte muss man sehr genau begucken. Dann gibt es Themen wie das sogenannte Reproduktionsverhalten. Also wird die Pille genommen? Da gibt es wahrscheinlich in Irland erhebliche Unterschiede zwischen allein dem evangelischen und dem katholischen Teil der Insel. Und andere Effekte - die muss man sehr genau berücksichtigen, so dass ich glaube, dass sozusagen diese Vergleichbarkeit der Länder gar nicht gegeben ist, sondern im Gegenteil, das ein sehr wichtiger Effekt ist, der möglicherweise diese Ergebnisse deutlich beeinflusst.

    Seynsche: Nun hat es ja in der Vergangenheit aber doch auch Studien gegeben, bei denen zum Beispiel die Vorsorgeuntersuchungen von Gebärmutterhalskrebs auf ähnliche Weise untersucht wurden, wo man ganz klar gesehen hat: Der Krebs geht zurück, wenn die Untersuchungen stattfinden.

    Heindel: Bei Gebärmutterkrebs kenne ich mich persönlich nicht so gut aus. Ich kann dazu nur sagen, dass hinsichtlich des Mammografie-Screenings alle Studien, die länderintern, dass heißt, die prospektiv und sehr sauber vergleichend durchgeführt worden sind, immer gezeigt haben, dass das Screening einen erheblich Anteil an der Senkung gezeigt hat. Die aktuellste Studie, die dazu ja jetzt erschienen ist, ist aus dem Mai 2011, aus Schweden von der Gruppe von Duffy. Und die hat sehr genau gezeigt, dass ein Screening zu einer Senkung von 30 Prozent führt. Und die haben das sozusagen auf einer sehr exakten Datenbasis in einer Region mit Screening und einer Region ohne Screening verglichen. Sie haben eben gesagt, naja, in Schweden ist das Screening 1986 eingeführt worden. Wenn man das Land - ich habe da ja selber auch eine Zeit lang hospitiert und gearbeitet - mal anguckt, dann ist das natürlich nicht so. Und so ähnlich war es ja, oder ist es auch in Deutschland. Dann ist nicht Screening sofort eingeführt worden, sondern man hat es in bestimmten Regionen eingeführt, und selbst wir in Nordrhein-Wesfalen haben uns intensiv bemüht, das sehr schnell aufzubauen. Aber wir haben auch insgesamt drei Jahre gebraucht, bis wir soweit sind. Und wir haben auch hier heute in Deutschland ja eine Situation hier in unserem Bundesland, im größten Bundesland, dass es Screening-Einheiten gibt wie unsere eigene, die schon in der dritten Runde screenen und andere, die erst noch in der ersten Runde sind. Das heißt, ein solches großes Früherkennungsprogramm braucht eine gewisse Startphase. Und sozusagen wenn man sagt, im Land Schweden oder auch im Land Deutschland beginnt Screening, dann beginnt das nicht überall gleichzeitig, sondern das muss man bei solchen epidemiologischen Vergleichen und Analysen sehr genau betrachten.

    Seynsche: Jetzt sind aber die Screenings ja zum Beispiel in Schweden schon seit über 20 Jahren am Werke. Das heißt, das ist doch schon ein langer Zeitraum.

    Heindel: Richtig. Und das ist etwas, was genau diese Studie von Duffy gezeigt hat, dass man nämlich diesen sehr langen Zeitraum braucht. Das hat aber gerade diese Arbeit, die jetzt heute Anlass unseres Gespräches ist (...) gar nicht berücksichtigt. Die hat ja einen relativ kurzen Zeitraum genommen. Und Duffy hat eigentlich gezeigt, genau das, was sie sagen, dass man eigentlich erst 10 bis 20 Jahre nach Start eines solchen Programms die Ergebnisse vernünftig auswerten kann. Und das hat gerade Duffy jetzt eigentlich publiziert, wie wichtig das ist, sozusagen entsprechenden Vorlauf zu haben. Das ist etwas, was uns auch hier in Deutschland ... , wo wir gern schnelle Ergebnisse hätten. Aber wir werden eben, gerade bezogen auf unser Land, leider da auch noch einige Jahre warten müssen, obwohl ja im Moment hier große Vorbereitungen laufen. Ich weiß nicht, ob Sie das im Vorfeld auch recherchiert haben, dass das Bundesamt für Strahlenschutz genau diesen Aspekt groß ...