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Brutale Wildhüter in WWF-Projekten
"Es sind wirklich Ausnahmefälle"

Immer wieder kommt es in WWF-Projekten zu schweren Konflikten zwischen Wildhütern und der Bevölkerung. Der Organisation wurden deshalb Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Eine Untersuchung zeigt nun, dass die Vorwürfe oft berechtigt sind - eigene Mitarbeiter seien aber nicht involviert, sagte Eberhard Brandes vom WWF-Deutschland.

Eberhard Brandes im Gespräch mit Georg Ehring |
Schild am Eingang zum Lobeké Nationalpark in Kamerun
Eine Kommission hat die Vorwürfe gegen den WWF untersucht und keine Hinweise gefunden, dass WWF-Mitarbeiter an Straftaten beteiligt waren, sagte WWF-Deutschlandchef Brandes (imago stock&people)
Als Reaktion auf die Vorwürfe hat der WWF eine Untersuchung dazu veröffentlicht. Verfasst wurde sie von einer Kommission unter Leitung des ehemaligen UN-Hochkommissars für Menschenrechte Navanethem Pillay.
Georg Ehring: Herr Brandes, die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe oft berechtigt sind und dass auch der WWF sich ändern muss. Was haben Sie falsch gemacht?
Eberhard Brandes: Vielleicht zunächst einmal ist es ganz wichtig zu verstehen, warum wir diesen Bericht in Auftrag gegeben haben. Uns ist das Ganze natürlich unheimlich an die Nieren gegangen und wir konnten die Berichte kaum glauben und das bewegt einen sehr. Deshalb sind wir sehr dankbar für den Bericht, der jetzt sehr klar sagt, wofür wir verantwortlich sind, wofür wir auch nicht verantwortlich sind.
Ich glaube, ganz wichtig ist das, was wir lernen. Das bedeutet natürlich, dass wir uns viel stärker engagieren müssen vor Ort, unsere Systeme, die wir haben, weiter auszubauen, und dafür zu sorgen, dass die Fälle aufgeklärt werden, dass sie auch einer Justiz möglicherweise zur Verfügung gestellt werden, und dass es natürlich darum geht, alle Beteiligten, alle, die sich an diesen Projekten engagieren, dazu zu bewegen, sich auch noch viel, viel mehr zu engagieren.
Wichtig ist aber auch zu realisieren, dass WWF-Mitarbeiter in keiner Weise an irgendeinem dieser Fälle beteiligt waren, noch dazu aufgerufen haben oder dazu ermuntert haben, weil die Verantwortung für das Verhalten der Ranger letztendlich bei der Regierung beziehungsweise bei den staatlichen Behörden liegt.
"WWF-Mitarbeiter in keiner Weise an irgendeinem dieser Fälle beteiligt"
Ehring: Aber der Bericht sagt schon, dass Sie zu zögerlich vorgegangen sind beim Kampf gegen solche Missstände?
Brandes: So allgemein würde ich das nicht unterschreiben. Ich glaube, der Hauptvorwurf ist eher der, dass wir es nicht systematisch genug tun. Wir haben ja zum Beispiel ein vorbildliches Projektgebiet in Sanga Sanga in der Zentralafrikanischen Republik, wo wir ein Menschenrechtszentrum, ein unabhängiges Menschenrechtszentrum eingerichtet haben, wo wir uns sehr, sehr intensiv mit den Gemeinden vor Ort darum bemühen, die Bedingungen zu verbessern, weil wir wissen, dass Naturschutz vor Ort nur funktioniert mit den Menschen vor Ort. So ein Modellprojekt müsste natürlich der Standard in jeden Regionen sein und da müssen wir uns noch viel, viel stärker engagieren, um das wirklich auch zu schaffen, ohne Frage. Aber mir ist es auch ganz wichtig, wirklich zu verinnerlichen, dass natürlich die DRC nicht Berlin-Mitte ist, und von daher sind die Zeitbedarfe, die wir haben, um so etwas wirklich mit den Menschen vor Ort zu etablieren, sehr viel länger, als wir es manchmal hier glauben.
"Natur und Mensch wieder in Einklang zu bringen"
Ehring: Die DRC, das ist die Demokratische Republik Kongo. – Finden Sie es denn richtig, in Gebieten mit völlig verarmter Bevölkerung und in den Kongo mit viel Gewalt und Bürgerkriegen Ressourcen in den Tierschutz zu stecken?
Brandes: Vielen Dank! Das ist natürlich die entscheidende Frage. Vielleicht einfach die Gegenfrage: Was passiert denn, wenn wir es nicht tun würden, wenn der WWF sich jetzt aus dieser Region zurückziehen würde? – Meiner Meinung nach und unserer Meinung nach und ich glaube auch der Meinung nach von vielen, vielen Gemeinden haben dann alle verloren, sowohl die Natur wie die Governance-Systeme als auch die Menschen vor Ort. Unsere Mission, die Mission des WWF ist es ja nicht, nur Naturschutz alleine zu betreiben, sondern Natur und Mensch wieder in Einklang zu bringen, und die aktuelle Pandemie und Covid zeigt uns ja, wie wichtig es ist, dass wir dieses außer Kontrolle geratene Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur wieder zusammenbringen. Wir haben so viele Beispiele, in denen wir zeigen können, dass ein ausführliches Eingehen auf die Gemeinden vor Ort, ein sorgfältiges Zuhören mit unseren Kollegen vor Ort – das machen wir nicht direkt von Deutschland aus, sondern mit den WWFs vor Ort -, dass das dazu beiträgt, wirklich ganz langfristig tragbare Lösungen zu finden, und mit ganz, ganz vielen Diskussionen. Ich war in vielen Ländern Afrikas selber und habe mit den Ältestenräten dort gesprochen und habe ein gutes Gefühl dafür bekommen, wie kompliziert das ist, auch wenn ganz unterschiedliche Welten aufeinandertreffen. Aber unserer Meinung nach gelingt das nur gemeinsam und dafür setzen wir uns mit aller Kraft ein und werden das sicherlich noch viel stärker tun.
"Mehr Ausbildung und Fortbildung von Ranger"
Ehring: Was wollen Sie denn ganz konkret ändern?
Brandes: Ganz konkret werden wir zum Beispiel unsere Risiko-Bewertungssysteme, bevor wir in ein Gebiet gehen, noch viel intensiver ausrollen. Dazu haben wir jetzt auch ein internationales Komitee, was das sauber bewertet.
Das Zweite natürlich: Noch viel mehr Zeit, Geld und auch Knowhow in die zum Beispiel Ausbildung und Fortbildung von den Rangern zu stecken. In diesem Zusammenhang ist es mir auch noch mal ganz wichtig zu erwähnen: Es sind wirklich Ausnahmefälle. Das ist, glaube ich, ganz wichtig zu realisieren. Die normalen Ranger arbeiten unter extrem schwierigen Bedingungen vor Ort, kommen ganz häufig aus den Gemeinden, und ich glaube, das gilt es weiter zu unterstützen. Dann natürlich auch Beschwerdemechanismen vor Ort zu entwickeln, die Einführung von sogenannten Social Safeguard Frame Boards, unabhängige Menschenrechtszentren, und das Ganze natürlich auch zu kommunizieren. Und auch das ganz ehrlich: Ich glaube, da können wir noch viel besser werden, einfach viel offener, viel breiter darüber zu kommunizieren, wo liegen eigentlich die wirklichen Vorteile, wo liegen auch Risiken, wenn wir in Projekte gehen, in bestimmte Projektgebiete, und gerade in solchen komplexen Ländern ist das entscheidend wichtig. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich Ihnen aber auch sagen, gerade wenn Sie mit den Menschen vor Ort sprechen: Häufig sind wir auch die einzigen Verbündeten, die die Menschen vor Ort haben, und von daher wäre es, glaube ich, fatal, wenn wir rausgehen würden. Und interessant ist ja, dass die Pillay-Kommission auch das explizit in dem Report ausdrückt, dass sie wünscht, dass wir weitermachen, auch in riskanten Gegenden, aber noch viel besser. Wir betrachten uns als lernende Organisation. Wir nehmen die Empfehlungen sehr, sehr ernst, werden sie umsetzen und mit aller Konsequenz und allen unseren Partnern daran arbeiten, dass wir jeden Tag ein bisschen besser werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.