Bundestagswahl 2025
Bündnis Sahra Wagenknecht: Auf dem Weg in die Opposition

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) tritt erstmals bei Bundestagswahlen an und hat Chancen, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Inhaltlich schlägt die Partei einen linkskonservativen Kurs ein und will weg von der Unterstützung der Ukraine.

    Sahra Wagenknecht, Parteivorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), im Porträt.
    Sahra Wagenknecht: Das Parteiprogramm des BSW ist stark auf die Namensgeberin der Partei zugeschnitten. (picture alliance / dpa / Christoph Soeder)
    Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist noch eine sehr junge Partei, und hat dennoch Chancen, bei den am 23. Februar 2025 stattfindenden, vorgezogenen Bundestagswahlen ins Parlament einzuziehen.
    Gegründet wurde das BSW im Januar 2024. Bei den Wahlen zum EU-Parlament sowie in Sachsen, Thüringen und Brandenburg konnte es erste Erfolge erzielen. In Thüringen haben CDU, BSW und SPD die erste Brombeer-Koalition Deutschlands gebildet. In Brandenburg regiert das BSW gemeinsam mit der SPD. Dass das BSW nach der Bundestagwahl auch im Bund mitregieren wird, gilt jedoch als unwahrscheinlich.

    Inhalt

    Wer führt das BSW in die Bundestagswahl?

    Beim Bündnis Sahra Wagenknecht ist der Name Programm. Die ehemalige Politikerin der PDS und später der Linkspartei ist Namensgeberin und zugleich Spitzenkandidatin. Als Kanzlerkandidatin will sie sich nicht bezeichnen.
    Wagenknechts Popularität hat zum Aufstieg der am 27. Januar 2024 gegründeten Partei maßgeblich beigetragen. Das ZDF-Politbarometer vom Dezember zählt Wagenknecht zu den zehn wichtigsten Politikern in Deutschland. In der Erhebung wird sie auf Platz acht gelistet – hinter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und vor dem ehemaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und der AfD-Chefin Alice Weidel.

    Wie ist das BSW derzeit aufgestellt?

    BSW-Chefin Wagenknecht hat das Ende der Ampelkoalition begrüßt, sie war eine scharfe Kritikerin des rot-grün-gelben Bündnisses. Zugleich stehe ihre Partei wegen des früheren Wahltermins vor Hürden, meint Wagenknecht. Um im Wahlkampf gut bestehen zu können, seien „relativ hohe Beträge“ notwendig. Die Finanzen der Partei seien "eine gewisse Herausforderung".
    Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das BSW im Jahr 2024 insgesamt rund 6,4 Millionen Euro an Großspenden eingenommen hat. Damit hat sie mehr Zuwendungen erhalten als alle anderen Parteien.
    Eine weitere Schwierigkeit ist der BSW-Chefin zufolge, nun schnell ein Programm zur Bundestagswahl zu erstellen. Die Partei müsse vom ursprünglichen Plan Abstand nehmen, alle Teile des Programms „in einem sehr langen Prozess“ zu entwickeln.
    Auch ist der Parteiaufbau beim BSW noch nicht vollständig abgeschlossen. Der Landesverband Hamburg soll aber noch vor Weihnachten gegründet werden. Dann erst wird das BSW in allen Bundesländern vertreten sein.

    Mit welchen Inhalten geht das BSW in den Wahlkampf?

    Ein Wahlprogramm liegt noch nicht vor. Es soll am 12. Januar 2025 auf dem Bundesparteitag in Bonn beschlossen werden. Bei der Parteigründung hatte sich das Bündnis Sahra Wagenknecht schwerpunktmäßig aber bereits in einigen Themenfeldern positioniert: Es geht um Wirtschafts- und Friedenspolitik, soziale Gerechtigkeit und Migration. Besonders wichtig seien dem BSW die Außen- und Friedenspolitik sowie ein Nein zur Stationierung von US-Raketen in Deutschland, erklärte die Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali im „ZDF-Morgenmagazin“.
    Mit ihren Kernthemen konnte das BSW bereits bei den Wahlen im Jahr 2024 punkten. Die Partei zog ins EU-Parlament ein, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren die Ergebnisse jeweils zweistellig. Im Wahlkampf für die Landtagswahlen stellte das BSW die Ablehnung der Ukraine-Politik der Bundesregierung und andere friedenspolitische Forderungen in den Mittelpunkt.
    Parteichefin Wagenknecht spricht sich klar gegen die Lieferung von Waffen an Kiew aus. Damit werde die Bundesrepublik in den Krieg hineingezogen, argumentiert sie.
    Außerdem möchte das BSW die westlichen Sanktionen gegen Russland infolge des Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 aufheben - Energie und Rohstoffe aus Russland sollen der deutschen Wirtschaft helfen, ihre Wachstumsschwäche zu überwinden. Um den Krieg zu beenden, setzt die Partei auf diplomatische Verhandlungen.
    Von Politikwissenschaftlern wird das BSW dem Linkskonservatismus zugeordnet. So fordert die Partei in der Wirtschafts- und Sozialpolitik eine gerechte Verteilung des Wohlstands und kritisiert Ungleichheit. Auf der anderen Seite spricht sich Parteichefin Wagenknecht immer wieder für die Begrenzung der Migration und härtere Maßnahmen gegen Geflüchtete aus.
    In kulturellen Fragen, etwa zu sexuellen Minderheiten, bezieht das BSW konservative Positionen. Beispielsweise stimmte die BSW-Gruppe im Bundestag gegen das Selbstbestimmungsgesetz, das einfachere Änderungen von Geschlechtseintrag und Vorname ermöglicht.

    Mit welchen Problemen hat das BSW zu kämpfen?

    Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist bisher eine kleine Partei, der Zugang zu einer Mitgliedschaft wird kontrolliert. Das ist von der Führung um Namensgeberin Wagenknecht so gewollt: „Wir wollen langsam und kontrolliert wachsen, um das Projekt nicht zu gefährden“, heißt es dazu auf der BSW-Homepage.
    Der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger attestiert BSW-Chefin Wagenknecht ein „zentralisiertes Verständnis von Parteiarbeit“. Das zeige sich unter anderem darin, dass die Vorsitzende großen Einfluss auf die Gliederungen in den Ländern habe. Diese hätten dadurch wenig Autonomie.
    Das ganze Projekt sei stark auf Wagenknecht zugeschnitten. „Das ist sonst nicht üblich in der deutschen Parteienlandschaft“, sagt Träger.
    Die Personalisierung hat Folgen, zum Beispiel beim Einfluss der BSW-Führung auf die Gespräche über eine Teilnahme an den Landesregierungen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In Dresden scheiterten Anfang November die Sondierungsgespräche, weil das BSW an einer von ihr gewünschten Friedensformel in der Präambel eines Koalitionsvertrages festhielt.

    Spagat zwischen Kompromiss und Opposition

    In Thüringen und Brandenburg ist es anders. In beiden Bundesländern hat das BSW es auf Anhieb in die Regierung geschafft. In Thüringen ist das BSW Koalitionspartner von CDU und SPD, in Brandenburg regiert das BSW gemeinsam mit der SPD.
    Politikwissenschaftler Träger zufolge kommt es dem BSW im anstehenden Bundestagswahlkampf zugute, wenn nur ein oder zwei Landesverbände Teil einer Landesregierung sind: „Bei drei Koalitionen hätte das BSW einen Spagat zwischen Kompromissbereitschaft auf Landesebene und Fundamentalopposition auf Bundesebene schaffen müssen.“

    Wie sehen derzeit die Umfragen für das BSW aus?

    Das BSW könnte mit Werten von vier bis acht Prozent den Einzug in den Bundestag schaffen, so aktuelle Umfragen. Wie oft bei neuen Parteien ist indes eine genaue Vorhersage schwierig. Bei der Wahl zum EU-Parlament am 9. Juni 2024 konnte das BSW 6,17 Prozent der Stimmen gewinnen.
    Auch bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg war das BSW erfolgreich. In Sachsen erhielt es 11,8 Prozent der Stimmen, in Thüringen 15,8 Prozent und in Brandenburg 13,5 Prozent. In den drei Landtagen ist die Partei mit insgesamt 66 Abgeordneten vertreten.
    Wegen der zehn BSW-Abgeordneten im Bundestag und den Vertretern in den drei Landtagen zählt das BSW im Sinne des Bundeswahlgesetzes zu den etablierten Parteien. Es kann bei der kommenden Bundestagswahl antreten, ohne dafür Unterschriften sammeln zu müssen.

    Wie stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung?

    Derzeit bestehen eigentlich keine Chancen für das Bündnis Sahra Wagenknecht, nach der Bundestagswahl mitzuregieren. Zumindest hat noch keine andere Partei öffentlich eine Koalition in Erwägung gezogen.
    BSW-Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali schließt indes eine Regierungsbeteiligung ihrer Partei nach den für den 23. Februar 2025 vorgesehenen Wahlen nicht aus: „Wenn sich die Möglichkeit in einer Regierung ergibt, dann sind wir dafür auch bereit“, sagte sie im „ZDF-Morgenmagazin“.

    Fundamentalopposition als Politikstil

    Wichtig sei aber, dass sich die Politik dann dadurch wirklich verändere, so die ehemalige Linken-Politikerin. Einfach zu stützen, was viele Jahre nicht geklappt und für große Unzufriedenheit in der Bevölkerung gesorgt habe – „da werden wir nicht mitmachen“. Dann wäre es besser, aus der Opposition Druck auf die Regierung auszuüben.
    "Ich denke nicht, dass Sahra Wagenknecht will, dass ihr Bündnis als koalitionsunfähig wahrgenommen wird, sondern als prinzipientreu", sagt der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger: "Klassische rote Linien sollen nicht überschritten werden. Außerdem hat Wagenknecht einen mehr auf Fundamentalopposition ausgerichteten Politikstil."

    rzr