Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist noch eine sehr junge Partei, und hat dennoch Chancen, bei der am 23. Februar 2025 stattfindenden vorgezogenen Bundestagswahl ins Parlament einzuziehen.
Gegründet wurde das BSW im Januar 2024. Bei den Wahlen zum EU-Parlament sowie in Sachsen, Thüringen und Brandenburg konnte es erste Erfolge erzielen. In Thüringen haben CDU, BSW und SPD die erste Brombeer-Koalition Deutschlands gebildet. In Brandenburg regiert das BSW gemeinsam mit der SPD. Dass das BSW nach der Bundestagswahl auch im Bund mitregieren wird, gilt als unwahrscheinlich.
Wer führt das BSW in die Bundestagswahl?
Beim Bündnis Sahra Wagenknecht ist der Name Programm. Die ehemalige Politikerin der PDS und später der Linkspartei ist Namensgeberin und tritt als Kanzlerkandidatin bei der kommenden Bundestagswahl an. BSW-Generalsekretär Leye erklärte, die Kandidatur diene dem Zweck, dem Bündnis Sichtbarkeit zu verschaffen, auch wenn keine realen Chancen auf die Kanzlerschaft bestünden.
Wagenknechts Popularität hat zum Aufstieg der am 27. Januar 2024 gegründeten Partei maßgeblich beigetragen. Das ZDF-Politbarometer vom Januar zählt Wagenknecht zu den zehn wichtigsten Politikern in Deutschland. In der Erhebung wird sie auf Platz acht gelistet – hinter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und vor dem ehemaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und der AfD-Chefin Alice Weidel.
Wie ist das BSW derzeit aufgestellt?
BSW-Chefin Wagenknecht hat das Ende der Ampelkoalition begrüßt, sie war eine scharfe Kritikerin des rot-grün-gelben Bündnisses. Zugleich stehe ihre Partei wegen des früheren Wahltermins vor Hürden, meint Wagenknecht. Um im Wahlkampf gut bestehen zu können, seien „relativ hohe Beträge“ notwendig. Die Finanzen der Partei seien "eine gewisse Herausforderung".
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das BSW im Jahr 2024 insgesamt rund 6,4 Millionen Euro an Großspenden eingenommen hat. Damit hat sie mehr Zuwendungen erhalten als alle anderen Parteien.
Eine Schwierigkeit ist der BSW-Chefin zufolge, schnell ein Programm zur Bundestagswahl zu erstellen. Die Partei musste vom ursprünglichen Plan Abstand nehmen, alle Teile des Programms „in einem sehr langen Prozess“ zu entwickeln. Außerdem wurde erst im Dezember 2024 der letzte Landesverband des BSW in Hamburg gegründet.
Mit welchen Inhalten geht das BSW in den Wahlkampf?
Das Wahlprogramm wurde am 12. Januar 2025 auf dem Bundesparteitag in Bonn beschlossen. Im Mittelpunkt stehen die Themen Frieden, soziale Gerechtigkeit, Wirtschaft und Industrie sowie Migration. Die Partei stellt sich zudem als Alternative zur "Politik des Weiter-so der etablierten Parteien" dar.
Man kämpfe "für Diplomatie, einen starken Wirtschaftsstandort, eine gerechte Leistungsgesellschaft, mehr Sicherheit und echte Meinungsfreiheit", heißt es in einer Mitteilung des BSW nach dem Parteitag. "Wir sind die einzigen, die sich gegen die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Deutschland wehren“, erklärte Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali.
Die Wirtschaft soll gestärkt werden. Unter anderem soll dafür die Energie verbilligt werden. Außerdem verspricht die Partei durch eine Reform der Schuldenbremse mehr Investitionen in die Infrastruktur sowie "bessere Renten und Löhne, bezahlbares Wohnen und ein Aufstiegsversprechen, das endlich wieder gilt". Hohe Vermögen und Einkommen sollen stärke besteuert werden. Zudem wolle man "die unkontrollierte Migration" stoppen, "weil unsere Kommunen wieder Luft zum Atmen brauchen".
Keine Waffen für Kiew
Eines der wichtigsten Themen des BSW ist die Friedensfrage. Parteichefin Wagenknecht spricht sich klar gegen die Lieferung von Waffen an Kiew aus. Damit werde die Bundesrepublik in den Krieg hineingezogen, argumentiert sie.
Außerdem möchte das BSW die westlichen Sanktionen gegen Russland infolge des Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 aufheben. Energie und Rohstoffe aus Russland sollen der deutschen Wirtschaft helfen, ihre Schwäche zu überwinden. Um den Krieg zu beenden, setzt die Partei auf Diplomatie.
Als linkskonservativ eingeordnet
Von Politikwissenschaftlern wird das BSW dem Linkskonservatismus zugeordnet. So fordert die Partei in der Wirtschafts- und Sozialpolitik eine gerechte Verteilung des Wohlstands und kritisiert Ungleichheit. Auf der anderen Seite spricht sich Parteichefin Wagenknecht immer wieder für die Begrenzung der Migration und härtere Maßnahmen gegen Geflüchtete aus.
In kulturellen Fragen, etwa zu sexuellen Minderheiten, bezieht das BSW konservative Positionen. Beispielsweise stimmte die BSW-Gruppe im Bundestag gegen das Selbstbestimmungsgesetz, das einfachere Änderungen von Geschlechtseintrag und Vorname ermöglicht.
Mit welchen Problemen hat das BSW zu kämpfen?
Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist bisher eine kleine Partei, der Zugang zu einer Mitgliedschaft wird kontrolliert. Das ist von der Führung um Namensgeberin Wagenknecht so gewollt: „Wir wollen langsam und kontrolliert wachsen, um das Projekt nicht zu gefährden“, heißt es dazu auf der BSW-Homepage.
Der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger attestiert BSW-Chefin Wagenknecht ein „zentralisiertes Verständnis von Parteiarbeit“. Das zeige sich unter anderem darin, dass die Vorsitzende großen Einfluss auf die Gliederungen in den Ländern habe. Diese hätten dadurch wenig Autonomie.
Das ganze Projekt sei stark auf Wagenknecht zugeschnitten. „Das ist sonst nicht üblich in der deutschen Parteienlandschaft“, sagt Träger.
Die Personalisierung hat Folgen, zum Beispiel beim Einfluss der BSW-Führung auf die Sondierungsgespräche in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Diese scheiterten Anfang November in Dresden, weil das BSW an einer von ihr gewünschten Friedensformel in der Präambel eines Koalitionsvertrages festhielt.
Spagat zwischen Kompromiss und Opposition
In Thüringen und Brandenburg ist es anders. In beiden Bundesländern hat das BSW es auf Anhieb in die Regierung geschafft. In Thüringen ist das BSW Koalitionspartner von CDU und SPD, in Brandenburg regiert das BSW gemeinsam mit der SPD.
Politikwissenschaftler Träger zufolge kommt es dem BSW im anstehenden Bundestagswahlkampf zugute, wenn nur ein oder zwei Landesverbände Teil einer Landesregierung sind: „Bei drei Koalitionen hätte das BSW einen Spagat zwischen Kompromissbereitschaft auf Landesebene und Fundamentalopposition auf Bundesebene schaffen müssen.“
Wie sehen derzeit die Umfragen für das BSW aus?
Das BSW könnte den Einzug in den Bundestag schaffen, so aktuelle Umfragen. Wie oft bei neuen Parteien ist indes eine genaue Vorhersage schwierig. Bei der Wahl zum EU-Parlament am 9. Juni 2024 konnte das BSW 6,17 Prozent der Stimmen gewinnen.
Auch bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg war das BSW erfolgreich. In Sachsen erhielt es 11,8 Prozent der Stimmen, in Thüringen 15,8 Prozent und in Brandenburg 13,5 Prozent. In den drei Landtagen ist die Partei mit insgesamt 66 Abgeordneten vertreten.
Wegen der zehn BSW-Abgeordneten im Bundestag und den Vertretern in den drei Landtagen zählt das BSW im Sinne des Bundeswahlgesetzes zu den etablierten Parteien. Es kann deshalb bei der Bundestagswahl 2025 antreten, ohne dafür Unterschriften sammeln zu müssen.
Wie stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung?
Derzeit bestehen eigentlich keine Chancen für das Bündnis Sahra Wagenknecht, nach der Bundestagswahl mitzuregieren. Zumindest hat noch keine andere Partei öffentlich eine Koalition in Erwägung gezogen.
BSW-Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali schließt indes eine Regierungsbeteiligung ihrer Partei nach den für den 23. Februar 2025 vorgesehenen Wahlen nicht aus: „Wenn sich die Möglichkeit in einer Regierung ergibt, dann sind wir dafür auch bereit“, sagte sie im ZDF-Morgenmagazin.
Fundamentalopposition als Politikstil
Wichtig sei aber, dass sich die Politik dadurch wirklich verändere, so die ehemalige Linken-Politikerin. Einfach zu stützen, was viele Jahre nicht geklappt und für große Unzufriedenheit in der Bevölkerung gesorgt habe – „da werden wir nicht mitmachen“. Dann wäre es besser, aus der Opposition Druck auf die Regierung auszuüben.
"Ich denke nicht, dass Sahra Wagenknecht will, dass ihr Bündnis als koalitionsunfähig wahrgenommen wird, sondern als prinzipientreu", sagt der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger: "Klassische rote Linien sollen nicht überschritten werden. Außerdem hat Wagenknecht einen mehr auf Fundamentalopposition ausgerichteten Politikstil."
rzr