Die Brombeeren sind reif. In Thüringen darf geerntet werden. Dort müssen wir uns auf ein neues politisches Farbenspiel einstellen – die Brombeerkoalition, benannt nach den Farben von CDU, SPD und BSW – schwarz, rot und lila – in denen die Frucht in ihren unterschiedlichen Reifegraden schimmert.
Auch in Brandenburg ist die erste Koalition zwischen SPD und BSW seit gestern besiegelt. Und Sahra Wagenknecht sitzt an beiden Kabinettstischen, mit der Kanzlerpartei und mit den Christdemokraten. Nicht persönlich natürlich, aber doch sehr direkt.
Wie sehr die Aufsteigerin aus dem Bundestag in die Landespolitik hineinregiert, wie sehr das Bündnis, das ihren Namen trägt, von der Ex-Linken beherrscht wird, hat sie mit ihrem zwischenzeitlichen Veto in Thüringen eindrucksvoll demonstriert. Jetzt hat ihre Partei grünes Licht gegeben. Zuvor waren der Chefin die Formulierungen zu Krieg und Frieden nicht genehm, auf ihren Druck hin musste nachverhandelt werden.
Das BSW hat Vertrauen verspielt
In Sachsen hat Wagenknecht sogar eine Koalition verhindert, dort muss sie künftig als Mehrheitsbeschafferin einer schwarz-roten Minderheitsregierung hofiert werden. Das BSW verkauft das alles als ganz großen Erfolg: Im Januar gegründet, im Dezember in Regierungsverantwortung – wer kann schon einen solch kometenhaften Aufstieg vorweisen?
Doch die Anzeichen mehren sich, dass die Partei nach anfänglichem Hype schnell entzaubert werden könnte. Dass Sahra Wagenknecht autoritär in die Entscheidungen ihrer Landesverbände eingegriffen hat, um Forderungen nach mehr Diplomatie und weniger Waffen in die Koalitionsverträge zu bekommen, hat einen Vorgeschmack davon gegeben, wie sehr diese neue Partei eine One-Woman-Show ist. Damit hat sie erstmals wieder Vertrauen verspielt.
Zudem hat die Partei ihren Erfolg nur einem Thema zu verdanken: Der Angst vieler Menschen, in einen Krieg hineingezogen zu werden – verbunden mit einer völligen Verklärung der Rolle Russlands in einem völkerrechtswidrigen Kampf gegen die Ukraine. Dieses Thema allerdings kommt Wagenknecht gerade abhanden. Olaf Scholz inszeniert sich im Bundestagswahlkampf als Friedenskanzler, während Friedrich Merz – noch – den Hardliner gibt.
Scholz und Merz müssen Wagenknecht nicht fürchten
Scholz präsentiert sich wieder einmal als besonnen agierender Regierungschef, der sich in der Taurus-Frage nicht drängen lässt, und macht damit Boden gut gegenüber dem CDU-Vorsitzenden. In den Umfragen auf Bundesebene nähert sich die Wagenknecht-Partei inzwischen wieder der Fünf-Prozent-Hürde.
Scholz und Merz können daher einigermaßen gelassen damit umgehen, dass das BSW dem Sozialdemokraten Dietmar Woidke und dem Christdemokraten Mario Voigt Forderungen nach mehr Diplomatie in ihre Koalitionsverträge diktierte – Formulierungen, die in solchen Landesvereinbarungen eigentlich rein gar nichts zu suchen haben.
BSW weit entfernt bundespolitischer Faktor zu werden
Das BSW ist jedenfalls trotz aller Erfolge in drei ostdeutschen Ländern noch weit davon entfernt, zu einem bundespolitischen Faktor zu werden. Die Frage nach Bündnissen mit dem Bündnis dürfte sich damit im Bund so schnell nicht stellen.
Das wird umso mehr gelten, sollte es Anfang des Jahres tatsächlich zu ersten Verhandlungen über einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine kommen. Was Wagenknecht in den Ländern im Sinne einer sozialeren Politik auf den Weg bringen kann, muss sich erst zeigen. Und in Thüringen hat die neue Koalition nicht einmal eine Mehrheit: Sie braucht mindestens eine Stimme der Linkspartei.
Dass es Sahra Wagenknecht egal ist, wenn Christdemokrat Mario Voigt in der kommenden Woche möglicherweise auch mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wird, lässt nichts Gutes für diese Koalition ahnen. Die Brombeeren könnten schneller faulen, als es der Parteigründerin lieb ist.