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BTS und der südkoreanische Militärdienst
Keine Ausnahme für Popstars?

Die Zukunft der K-Popband BTS ist ungewiss. Ihre Mitglieder müssen bald zum Militärdienst. Das könnte das Aus für die Karriere der koreanischen Superstars bedeuten. Es gibt jedoch die Möglichkeit, den Dienst an der Waffe zu umgehen, wenn man seinem Land einen großen Dienst erwiesen hat.

Von Mike Herbstreuth |
Die siebenköpfige südkoreanische Boygroup BTS steht bei den Mnet Asian Music Awards in Hong Kong auf der Bühne
Die südkoreanische Boygroup BTS (dpa / picutre alliance / Imaginechina)
Der Pianst Seong-Jin Cho hatte 2009 gleich doppelten Grund zur Freude. Er hat damals nicht nur die Hamamatsu International Piano Competition gewonnen – der Sieg in diesem renommierten Klavierwettbewerb war gleichzeitig sein Ticket für die Befreiung vom zweijährigen Militärdienst in seiner Heimat. Diesen Dienst muss eigentlich jeder Südkoreaner bis zum 28. Lebensjahr absolvieren – außer Sportler, die eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen oder den Asian Games gewinnen. Oder eben Musiker und Künstler, die den ersten Platz in einem internationalen Wettbewerb erreichen. 178 Sportlern und 280 Künstlern und Musikern wurde auf Grund dieser Regelung der Militärdienst in den letzten zehn Jahren erlassen. Bei Musikern gilt diese Regelung gilt allerdings nur für den Bereich Klassik – für Popmusiker macht das südkoreanische Militär keine Ausnahme. Nicht mal für die K-Pop-Stars von BTS.
"Diese Regelung ist in mehrer Hinsicht umstritten..."
Sung Un Gang, Kulturwissenschaftler und Dozent für koreanische Geschichte an der Uni Bonn.
"Manche sagen, dass diese Regeln nur bestimmte künstlerische Gattungen gegenüber anderen wie zum Beispiel Schauspiel oder K-Pop privilegieren würden. Also hier spielt die ganz alte Trennung zwischen den sogenannten hohen und niedrigen Kunst. Und das ist auch ein Punkt, was die Fans von BTS kritisieren und behaupten: Das, was BTS geleistet hat, ist vergleichbar wie Platz 1 im internationalen Klavierwettbewerb zum Beispiel."
Dem Land einen großen Dienst erwiesen
Als erste koreanische Band auf Platz 1 der US-Charts, der Rekord für das am meisten gestreamte Musikvideo auf YouTube innerhalb von 24 Stunden – all das wird BTS wohl nicht viel nutzen: Stand jetzt muss das älteste Mitglied der Band bis Ende 2021 seinen Militärdienst antreten, die anderen sechs werden in den nächsten Jahren folgen. Daran ändern auch die diversen Online-Petitionen von Fans oder Kommentare von Politikern nichts, die argumentieren, dass BTS mit ihrem weltweiten Erfolg dem Land bereits einen großen Dienst erwiesen haben. Ausnahmen von der Wehrpflicht empfinden viele Südkoreanerinnen und Südkoreaner nämlich als ungerecht, sagt Kulturwissenschaftler Sung Un Gang.
"Es ist ein hoch emotionales Thema. Denn kaum jemand macht gerne den Militärdienst. In der Armee gibt es zum Beispiel keine Privatsphäre, man teilt einen großen Raum mit zehn bis sogar über hundert anderen Soldaten. Zugleich beherrscht ein absolutes Gehorsamsgebot dort. Leider kommt es immer wieder zu körperlichen, geistigen und sexuellen Missbrauchsfällen und Mobbing mit tödlichen Folgen sogar. Und dennoch gibt es ein gewisses Ressentiment unter südkoreanischen Männern gegenüber denjenigen, die den Wehrdienst nicht leisten."
Möglicherweise haben die Mitglieder von BTS deshalb auch schon mehrfach zu Protokoll gegeben, dass sie selbstverständlich ihren Wehrdienst leisten werden, dies sei schließlich eine natürliche Pflicht jedes Südkoreaners. Auch wenn dass das Ende von BTS bedeuten könnte.
Die allermeisten beginnen bereits mit 16, 17, 18 ihre Karriere. Und nur eine Handvoll Performer schafft es tatsächlich, bis zum - in Anführungszeichen - so hohen Alter von 28 Lebensalter aktiv zu sein. Für die Bands, deren Mitglieder bis dahin einigermaßen erfolgreich sind, stellt der Militärdienst oft einen Härtetest dar. Denn es gibt einen sehr hohen Konkurrenzdruck innerhalb der K-Pop-Industrie mit fast wöchentlich debütierenden neuen Bands. Die Labels produzieren jüngere Boybands in drei- bis fünfjährigen Turnus, um eben die mögliche Lücke und Gewinnverlust zu minimieren."
Karrieren als Schauspieler, DJ oder Solokünstler
Nach dem Militärdienst starten viele Mitglieder von K-Pop-Bands deshalb Karrieren als Schauspieler, DJ oder Solokünstler. Nur selten machen sie danach als Band weiter. Und auch die die Mitglieder von BTS arbeiten bereits solo oder kollaborieren mit anderen MusikerInnen.
"Ich glaube, selbst wenn die Mitglieder einer nach dem anderen in die Armee gehen, wird es nicht zur kompletten Funkstille kommen. Aber die Fans wollen die gesamte Besetzung auf einmal auf einer Bühne sehen."
Und das könnte eine ganze Weile dauern. Sollte das jüngste Mitglied der Band bis zum 28. Lebensjahr mit dem Militärdienst warten, dann wäre das erste Konzert von BTS in Originalbesetzung erst wieder im Jahr 2028 möglich.