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Buch über das Paranormale
"Es fing an, überall zu klopfen"

"Ist eine Welt ohne Wunder nur ein öder Ort?" Das fragt sich der Autor, Philosoph und Mediziner Thomas Knoefel zum Beginn seines neuen Buches "Okkultes Brevier". Der Glaube an das Übersinnliche steige, "wenn viel gestorben wird", sagte Knoefel im Dlf.

Thomas Knoefel im Corsogespräch mit Ina Plodroch |
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Paranormale Phänomene wie Gespenster geistern immer wieder durch Popkultur, Politik und technische Medien (Unsplash / Tertia van Rensburg )
Der moderne Okkultismus beginnt am letzten Märzabend 1848 in Hydeswill, so beschreibt es Thomas Knoefel in seinem Buch. Zwei Schwestern fangen an, per Klopfalphabet mit einer im Hause verstorbenen Entität zu kommunizieren. "Geister haben sich schon immer gezeigt und gemeldet. Aber das gab es zuvor in diesem Ausmaß noch nicht, dass der Verkehr mit den Geistern dialogisch wird."
"Big Bang" des modernen Okkultismus
Dieses Ereignis habe sich schnell verbreitet, "es fing an, überall zu klopfen". Es gebe Zahlen, die allerdings nicht ganz sicher seien, dass Ende des 19. Jahrhunderts in Amerika zehn Millionen praktizierender Spiritisten von 30.000 professionellen Medien bedient wurden. Die Bewegung habe sich dann schnell nach Europa verbreitet, Anfang der 1850er Jahre. Vor allem in England und Frankreich und dem badischen Raum in Deutschland haben sich Menschen der Bewegung angeschlossen.
Spiritistische Bewegungen verbreiten sich
An der amerikanischen Ostküste sei es so gewesen, "dass es da Masseneinwanderung gab, dass es eine bestimmte Form von Anarchie ausgebildet hat, und plötzlich Dinge, die sehr randständig waren, im Mittelpunkt stehen konnten". Gerade nach den Kriegen hatte es eine Art Konjunktur, so Knoefel. "Manchmal ist es auch so, wenn sehr viel gestorben wird, dass Menschen eine Art von Trost brauchen." Gerade, wenn die Toten nicht in der Heimat gefallen seien, habe es noch einen rituellen Abschied gebraucht, um den Tod zu besiegeln.
Beim Spiritismus handelt es sich für Thomas Knoefel nur zum Teil eine reaktionäre Bewegung. "Es ist viel mehr eine wesentliche Unterströmung der Moderne, oft klassenlos, weltoffen, formuliert Sozialutopien". Auch dass so viele Frauen als Medium gearbeitet haben, sei sehr fortschrittlich gewesen. Es war die Chance eines sozialen Aufstiegs für die Frauen. Bei den vielfältigen Phänomenen, die Thomas Knoefel in seinem Buch beschreibt, gehe es ihm nicht darum, Vermutungen zu äußern, ob es sich um unbewusste Mehrleistungen, Wahrnehmungstäuschung, schlichten Betrug oder doch etwas Übersinnliches handele. "Die Zeichen bleiben in der Schwebe, ich beschreibe einfach nur und versuche mich dabei aller Wertung zu enthalten."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Knoefel: "Okkultes Brevier. Ein Versuch über das Medium Mensch"
Matthes & Seitz Berlin, 2019. 394 Seiten, 28 Euro.