Pubertätspickel, überschüssige Kraft, Teilzahlungsvertrag fürs Moped und Teppichrasenfrisur mit Oppositionsgeist darunter – so zeichnete und beschrieb der Karikaturist Klaus Pielert seinerzeit den Halbstarken der 50er-Jahre. "Für die Zeit damals war der so beschriebene Jugendliche ein Schreckgespenst", schreibt Bodo Mrozek in seinem gut 800 Seiten Werk "Jugend Pop Kultur - Eine transnationale Geschichte". Darin erforscht der Historiker den Kulturbruch, der sich zwischen Mitte der 50er- und Mitte der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts mit der Entstehung einer Jugend- und Popkultur vollzog.
Transnationaler Blick
Bodo Mrozek vermisst generell schon lange eine historische Forschung zum Pop, er hat selbst schon viel zur Popgeschichte veröffentlicht. In seinem neuen Buch stellt er fest, dass bisher immer aus der nationalen Perspektive, höchstens im binationalen Vergleich, über Popkultur geschrieben worden sei. Deshalb richtet er den Blick transnational aus. Denn das Phänomen betreffe viele Staaten gleichzeitig, so Bodo Mrozek im Dlf.
Die Wende hin zur Popkultur verortet er zeitlich um 1956, widerspricht aber der These, Popkultur sei eine Rebellion gegen die Elterngeneration der NS-Zeit gewesen, denn andere Länder hätten keine NS-Vergangenheit, wohl aber einen ähnlichen kulturellen Aufbruch erlebt. Mehrere Faktoren seien zusammen gekommen, so Mrozek: steigender Wohlstand, demografisch sehr junge Gesellschaften und internationaler Austausch. Deshalb sei die Jugend Träger von kultureller Erneurung gewesen, denn sie hätten Geld gehabt, um sich Platten zu kaufen, sie seien Zielgruppe für Sender gewesen.
Von der Bedrohung zum Jugendkult
Der Aufbruch sei viel über klangliche Phänomene gelaufen, die zum Konflitkraum geworden und als bedrohlich empfunden worden seien. Man habe damals gemeint, zum Beispiel Motorenknattern mit Verboten und Gesetzen regulieren zu müssen, oder über musikalische Erziehung bei den Jugendlichen einen Gleichklang zu erreichen.
Zunächst seien die jugendlichen Verhaltensweisen als deviant bewertet worden, so hätten etwa die Zeitungen zum Bill Haley Konzert nicht ihre Kultur-, sondern ihre Polizeireporter in Erwartung von Krawallen geschickt. An der Etablierung neuer kultureller Ausdrucksformen seien Jugendliche aktiv beteiligt gewesen - mit der Gründung von Fanclubs, der internationalen Vernetzung oder indem sie ihre Musik bei den Radiosendern eingefordert hätten. Daraus sei schließlich ein Jugendkult entstanden, der auch wirtschaftlich von Bedeutung gewesen sei.
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In diesem ungeraden Jahrzehnt zwischen 1956 und 1966 seien zum ersten Mal Konflikte ausgehandelt worden, die sich danach in unterschiedlichen Formen wiederholt hätten. Sein Buch zeige, dass es in den 50er- und 60er-Jahren die Jugendlichen aus den einfachen Schichten gewesen seien, die sich mit internationaler Kultur identifiziert und diese Internationalisierung unserer weitgehend national gestalteten Hochkultur entscheidend vorangetrieben hätten.
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