Warten ist ein Privileg der Mächtigen, hat Timo Reuter bei der Recherche zu seinem Buch "Warten - eine verlernte Kunst" festgestellt, wie im DLF sagte. Helmut Kohl, der als erfolgreicher "Aussitzer" galt, sei ein gutes Beispiel. "Interessanterweise wurde diese Eigenschaft aber auch schon Konrad Adenauer zugeschrieben: Sitzen bis zum Umfallen. Er hat die Kabinettsitzungen einfach so lange in die Nacht verlängert, bis niemand mehr konnte und alle ihm recht gegeben haben", sagte Reuter im Deutschlandfunk.
Geld wartet selten
Im Warten spiegelten sich außerdem soziale Unterschiede, zum Beispiel bei V.I.P.-Eintrittsbereichen oder beim Arzt. Verkürzt gesagt: Geld warte eben selten. Andererseits stecke im Warten auch Erwartung und Hoffnung und damit auch die Möglichkeit, sich auf das hier und jetzt einzulassen. "Das haben wir ein bisschen verlernt", so Reuter.
Das krisenhafte und auch existentielle Warten in Zeiten von Corona könne aber vielleicht dazu führen, dass wir das Wesentliche im Leben wieder mehr zu schätzen lernen, nämlich Gesundheit und soziale Kontakte. Auf gesellschaftlicher Ebene wiederum biete sich jetzt die Chance zur Reflexion und womöglich auch zur Veränderung: Welche Berufe sind systemrelevant und welche Wirtschaftsbereiche sollten wirklich privatisiert sein?
Timo Reuter: "Warten. Eine verlernte Kunst."
Westend Verlag Frankfurt/Main, 2019. 240 Seiten, 18 Euro.
Westend Verlag Frankfurt/Main, 2019. 240 Seiten, 18 Euro.